Kaufhof-Karstadt vor der Insolvenz?

Am 1. April hat sich der größte Warenhaus-Konzern in Europa, Galeria Karstadt Kaufhof, für drei Monate in das sogenannte Schutzschirmverfahren begeben. Einen entsprechenden Antrag hat das Amtsgericht Essen bereits bewilligt.

Die Signa-Holding des österreichischen Immobilien-Milliardärs René Benko ist seit letztem Jahr alleiniger Besitzer der 2018 fusionierten Ketten Galeria Kaufhof und Karstadt. Nun sind alle rund 240 Standorte in Europa geschlossen, die Unternehmensgruppe verliert laut Unternehmen wöchentlich einen Umsatz von mehr als 80 Millionen Euro. Bis Ende April rechne man mit einem Umsatzausfall von mehr als einer halben Milliarde Euro.

Im März hatte Galeria Karstadt Kaufhof mit der Bundesregierung um einen dreistelligen Millionenkredit verhandelt. Doch dem Management gingen die Verhandlungen nicht schnell genug, weshalb es sich für das Schutzschirmverfahren entschied, das mildeste Verfahren des Insolvenzrechts. Dabei führt die Chefetage weiterhin die Geschäfte. Bei Karstadt Kaufhof ist der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz als Generalbevollmächtigter dem Management beigestellt. Geiwitz hat schon die Drogeriemarktkette Schlecker abgewickelt.

Das Schutzschirmverfahren soll eigentlich eine Insolvenz verhindern. Das Unternehmen ist nun bis Ende Juni vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Die zuletzt weniger als 26.000 Beschäftigten erhalten Insolvenzgeld. Doch die Süddeutsche Zeitung berichtete am Osterwochenende von Hinweisen, die eine geplante Insolvenz vermuten lassen, spätestens nach dem Abschluss des Schutzschirmverfahrens am 1. Juli.

Nach der Fusion der beiden Kaufhausketten waren mehrere Tausend Beschäftigte entlassen worden. Eine von ihnen war Dijana Milicki, die über 20 Jahre lang als Designerin bei Kaufhof gearbeitet hatte. Sie hatte sich im Februar dieses Jahres vor Gericht mit dem Unternehmen auf eine Abfindung von 27.000 Euro geeinigt, „am 5. März wurde der Vergleich rechtskräftig und die Auszahlung damit binnen 14 Tagen fällig“. Doch Kaufhof Karstadt zahlte das Geld trotz anwaltlicher Fristsetzungen nicht.

Zwar muss Karstadt Kaufhof keine Abfindungen mehr zahlen, sobald ein Schutzschirmverfahren eröffnet ist, aber Milickis Vereinbarung war schon vor dem 1. April rechtskräftig. Die Süddeutsche zitiert dazu einen Unternehmenssprecher: „Abfindungen, die auf Vereinbarungen beruhen, die vor dem 1.4.2020 abgeschlossen wurden und nicht bis 31.03.2020 zur Auszahlung gekommen sind, sind sogenannte Tabellenforderungen und werden dementsprechend nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die üblichen Regelungen behandelt.“

Das ist für die Designerin bitter, weil sie am Ende nur ein bis drei Prozent der ihr zugesagten 27.000 Euro erhalten wird, also maximal 810 Euro. Laut Süddeutscher Zeitung sind davon „auch Schwerbehinderte und Menschen, die bis zu 37 Jahre für Kaufhof gearbeitet und entsprechende soziale Ansprüche angesammelt haben“, betroffen. Wie viele Geschädigte es genau seien, sage Karstadt Kaufhof nicht.

Dijana Milicki und ihr Mann, der Anwalt ist, lesen dieses Statement der Presseabteilung aber vor allem als Eingeständnis, „dass Karstadt Kaufhof in die Insolvenz gehen will“. Im Schutzschirmverfahren selbst gebe es keine Tabellenforderungen, sondern nur im anschließenden regulären Verfahren. „Sie vermuten, dass hier von längerer Hand etwas geplant worden und das Coronavirus den Akteuren zupassgekommen sei“, schreibt die Süddeutsche.

Karstadt Kaufhof wäre nicht der erste und nicht der letzte Konzern, der die Corona-Pandemie ausnutzt, um lange geplante Angriffe auf die Beschäftigten durchzuführen. In der Insolvenz könnten noch ganz andere Zugeständnisse von den Beschäftigten erpresst werden, als dies bislang schon der Fall war.

Denn Karstadt Kaufhof schreibt seit Jahren Verluste. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und ihre Betriebsräte arbeiten seit Jahren mit den Konzerneignern zusammen und haben dem Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen sowie Lohn- und Gehaltssenkungen zugestimmt, um die Taschen der Anteilseigner zu füllen. Laut Verdi-Schätzungen haben die verschiedenen „Sanierungstarifverträge“ dem Großkonzern in den letzten Jahren weit über eine Milliarde Euro eingebracht.

Da ist der letzte Tarifvertrag mit fünfjähriger Laufzeit noch gar nicht mit eingerechnet. Ende des letzten Jahres hatte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger verkündet: „Wir haben für die nächsten fünf Jahre eine umfassende Standort- und Beschäftigungssicherung vereinbart.“ Die Beschäftigten haben diesen Vertrag, der nicht das Papier wert ist, auf dem er steht, mit Lohneinbußen bezahlt. „Die Beschäftigten von Kaufhof, Karstadt Warenhaus und Karstadt Sports müssen auf ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten.“

In den kommenden Wochen und Monaten werden Management, Gewerkschaft und Insolvenzverwalter Geiwitz weit größere „Opfer“ zur Sanierung des Warenhauskonzerns fordern.

Der Immobilienbesitzer und Investor Benko verfolgt derweil weiter seine eigenen Geschäfte, nämlich mit den Immobilien. Er war von Beginn an nicht am Einzelhandel interessiert. Er kauft Warenhäuser wie zuletzt die Globus-Märkte in der Schweiz, weil sein Interesse den Immobilien gilt. Sein Geschäftsmodell ist es, wertvolle Gebäude zu vermarkten und gegebenenfalls mit Gewinn weiter zu verkaufen.

Mit Karstadt Kaufhof hat er große Immobilien in den Top-Innenstadtlagen. Gewöhnlich soll das operative Geschäft eines Karstadt Kaufhof die Immobilieninvestitionen finanzieren. Nun fällt das Geschäft aber komplett aus, Karstadt Kaufhof hat Mietzahlungen ausgesetzt.

Es ist daher nicht überraschend, dass wenige Tage vor Inkrafttreten des Schutzschirmverfahrens noch der Verkauf eines umfangreichen Immobilienpakets eingeleitet worden war. „Von 17 Gesellschaften ist die Rede“, schreibt die Website Textilwirtschaft. Unter dem Datum 27.03.2020 befinde sich auf der Liste der „laufenden Verfahren“ des Bundeskartellamtes unter B1-80/20 der „Erwerb der Alleinkontrolle über die Kaufhof Duisburg GmbH, Köln u.a. (insgesamt 17 Immobilienunternehmen)“, so die Branchen-Seite.

Als potentieller Käufer werde eine Gesellschaft mit Sitz in New York genannt. „Erst im Januar hatte sich [Benkos Holding] Signa von Anteilen an rund 30 ihrer Kaufhof-Immobilien getrennt“, heißt es weiter. Diese Beteiligungen gingen ebenfalls an eine in New York ansässige Holding. „Über Kaufpreise ist nichts bekannt.“

Die Gewerkschaft Verdi verkauft den Beschäftigten seit nunmehr fast zehn Jahren die Milliardäre, die Karstadt und Kaufhof plündern, als Retter – vom deutsch-amerikanischen Investor Nicolas Berggruen und dem Kanadier Richard Baker bis hin zu René Benko. Während sie den Belegschaften Milliardenkürzungen verordnen, stopfen sich die Superreichen die Taschen voll und ziehen weiter. Verdi-Funktionäre wie der Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel Orhan Akman, zuvor Nutzenberger und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl werden dafür mit einträglichen Aufsichtsratsposten belohnt.

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