Für einen Generalstreik zur Unterstützung der Pflegekräfte und zur Verteidigung des NHS gegen die Tory-Regierung: Baut Aktionskomitees auf!

Der Streik von Pflege- und Ambulanzkräften des Nationalen Gesundheitsdiensts (National Health Service, NHS) muss zum Brennpunkt des eskalierenden Konflikts zwischen der Arbeiterklasse, der Regierung von Rishi Sunak und den Arbeitgebern werden.

Er ist der politisch bedeutendste Streik der aktuellen Welle von Arbeitskämpfen in Großbritannien, die im Sommer begonnen haben. Er macht klar, dass der Kampf gegen den seit langem schlimmsten Anstieg der Lebenshaltungskosten die Arbeiter in eine offene Konfrontation mit dem kapitalistischen Staatsapparat und der Regierung treibt. Diese ist entschlossen, die Arbeiterklasse für die Rettung der Großkonzerne während der Pandemie, für den eskalierenden Krieg gegen Russland in der Ukraine und auch für die Wirtschaftskrise zahlen zu lassen, die durch die steigenden Öl-, Gas-, Mineralien- und Lebensmittelpreise und das Profitstreben der Konzerne entstanden ist.

250.000 Beschäftigte des National Health Service (NHS) und ihre Unterstützer bei einer Demonstration zur Verteidigung des NHS in London 2017

Der Kampf der Pflegekräfte zeigt, wie dringend es ist, einen Generalstreik zum Sturz der Tory-Regierung zu organisieren. Die Regierung ist entschlossen, den NHS zu zerschlagen und die aktuellen Streiks im Gesundheitswesen, bei der Bahn, der Royal Mail, im Bildungswesen und anderen wichtigen Branchen zu unterdrücken.

Doch ein Generalstreik ist nur durch einen politischen und organisatorischen Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie zu erreichen, die alle Kämpfe zu isolieren und zu sabotieren versucht. Er muss sich genauso gegen die Labour Party richten, die gemeinsam mit den Tories im Dienst der Konzerne und Banken steht.

Die Größe dieser Streikbewegung zeigt den immensen Widerstand gegen die Versuche der Tories, der Arbeiterklasse die ganze Last der Krise des britischen und des Weltkapitalismus aufzubürden. Dieses Jahr haben sich bereits Hunderttausende an Streiks beteiligt; von Juni bis Oktober gingen mehr als 1,1 Millionen Arbeitstage verloren, allein im Oktober 417.000 – so viele wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage werden möglicherweise zwischen einer halben und einer Million Arbeiter im Ausstand sein.

Die Streikwelle in Großbritannien ist Teil des explosionsartigen weltweiten Ausbruchs von Klassenkämpfen. Dazu zählen auch die Generalstreiks in Italien, Belgien und Griechenland. Sie ist jedoch nur ein blasser Abglanz davon, was den Regierungen und Unternehmern blühen würde, wenn die Gewerkschaftsführungen nicht alles daran setzen würden, die Entstehung einer noch größeren und vereinten Streikbewegung zu verhindern.

Seit die Gewerkschaften durch die wütende und kämpferische Stimmung ihrer Mitglieder gezwungen wurden Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen, ist eine Gewerkschaft nach der anderen zu Treffen mit den Arbeitgebern und der Regierung gelaufen. Sie haben sie angefleht, eine Erhöhung der immer noch massiv unter der Inflationsrate liegenden Löhne um ein paar Prozentpunkte zu akzeptieren. Im Gegenzug würden die Gewerkschaften einem Stellenabbau, verschärfter Arbeitshetze und Umstrukturierungen zustimmen.

Auf diese Weise wurden bereits mehrere Kämpfe im Bus-, Bahn- und Kommunalbereich ausverkauft. Am bedeutendsten war Ausverkauf der BT/Open Reach-Telekomstreiks, an dem 40.000 beteiligt waren, durch die Communication Workers Unions. Es wäre noch schlimmer gekommen, wenn nicht zwei Faktoren die Kämpfe weiter anheizen würden: einerseits die Kampfentschlossenheit der Arbeiter und andererseits die Entschlossenheit der Tory-Regierung, die Streikwelle zu unterdrücken und die Macht des Kapitals angesichts dieser Herausforderung wieder zu stärken.

Die Streiks beim NHS zeigen deutlich die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie. Der 48-stündige Streik von bis zu 100.000 Pflegekräften am 15. und 20. Dezember findet nur statt, weil der lahme Appell des Royal College of Nursing (RCN) an den Tory-Gesundheitsminister Steve Barclay auf taube Ohren stieß. Er wollte nicht einmal Gesprächen zustimmen, bei denen zumindest die Bezahlung hätte angesprochen werden können. Die Regierung verweigerte sich, weil sie will, dass der Streik stattfindet, um ihn zum Scheitern zu bringen. Doch der RCN-Vorsitzende Pat Cullen hat klargestellt, dass die Gewerkschaft nicht die Absicht hat, für die Forderung der Pflegekräfte zu kämpfen, dass die Löhne um einen Prozentsatz von 5 Prozent über der Inflation erhöht werden müssen.

Die Gewerkschaften Unite und Unison, die größte Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes mit 500.000 Mitgliedern im NHS, haben einen faulen Deal abgeschlossen, um die Streiks des Ambulanzpersonals und anderer Beschäftigter des Gesundheitswesens zu beenden. Das Gleiche versuchten sie auch in Wales.

Das Drehbuch ist immer das gleiche. Die Post- und Telecom-Arbeiter Gewerkschaft CWU appellierte sogar an König Charles, die Regierung zu überzeugen, einen Kompromiss abzuschließen. Der Vorsitzende der Rail Maritime and Transport Union Mick Lynch forderte Premierminister Rishi Sunak in einem Brief auf, Gespräche „in gutem Glauben“ zu führen.

Aber nicht die Regierung wird einen Rückzieher machen, sondern nur die Gewerkschaftsführungen. Der NHS ist mit 1,5 Millionen Beschäftigten der größte Arbeitgeber Großbritanniens. Daher ist für die Regierung ein Sieg über den Streik eine existenzielle Frage.

Hunderttausende von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben bereits an Urabstimmungen teilgenommen und für Streik gestimmt oder sind gerade dabei. Es ist der Regierung wichtig, den NHS ausbluten zu lassen, denn dadurch werden die Arbeiter ihrer lebensnotwendigen, aber für die Regierung zu kostspieligen Gesundheitsversorgung beraubt und der Weg für weitere Privatisierungen geebnet.

Die Tory-Regierung nutzt die Demobilisierung des massiven Widerstandes durch die Gewerkschaftsbürokratie aus, um eine staatliche Offensive vorzubereiten. Als Grundlage dafür dient ein Gesetz, das einen Minimalbetrieb vorschreibt, Geldstrafen von einer Million Pfund vorsieht und Streiks in als „kritische Infrastruktur“ eingestuften Branchen faktisch verbietet. Auch ein offenes Verbot von Streiks beim NHS wurde ins Gespräch gebracht.

Die Gewerkschaftsführungen haben immer wieder zur Nachgiebigkeit gemahnt und behauptet, in zwei Jahren werde eine Labour-Regierung ein solches Gesetz zurücknehmen und einige der schlimmsten Kürzungen abmildern. Das ist alles gelogen. Labour-Parteichef Sir Keir Starmer und seine Schergen haben die Streiks abgelehnt und die Lohnforderung der Pflegekräfte als unvernünftig bezeichnet.

Starmer hat erklärt, Labour werde in Zukunft die Partei des „vernünftigen Umgangs mit Geld“ sein, d.h. die Partei der Kürzungen und der Sparpolitik. Sein Schatten-Gesundheitsminister Wes Streeting hetzt im Telegraph gegen die „Leistung-ohne-Gegenleistung-Kultur im NHS“ und kündigt an, den Privatsektor noch stärker zu fördern als die Tories, und sich den Gewerkschaften des Gesundheitswesens „entgegenzustemmen“.

Der Telegraph lobte Streeting und erklärte: „Labours Rhetorik klingt konservativer als die der Konservativen.“

Sir Keir Starmer, Vorsitzender der britischen Labour Party, auf dem Jahreskongress der Partei in Liverpool, England, September 2022 [AP Photo/Jon Super]

Streeting meint damit, dass Labour gegen die Arbeiterklasse vorgehen werde. Dazu hat Starmer dem Unternehmerverband Confederation of British Industry versprochen, dass Labour „bereit zur Partnerschaft“ sei mit dem Ziel, Produktivität und Profite zu stärken und den Arbeitern Sparmaßnahmen aufzuzwingen. Zu diesem Zweck soll ein sogenannter Industrial Strategy Council auf der Grundlage einer „echten Partnerschaft zwischen Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften“ gegründet werden.

Auf diese Weise würde Labour als „Partei der Nato“ den Krieg der Tories im eigenen Land gegen die Arbeiter fortsetzen und den Nato-Kriegs gegen Russland eskalieren. Bei der Fragestunde des Premierministers am Mittwoch versicherte Starmer dem Regierungschef Sunak, dass „wir, ungeachtet aller anderen Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten die wir im Parlament haben, in unserer unerschütterlichen Unterstützung für die Freiheit und den Sieg der Ukraine immer vereint sein werden“.

Die Arbeiter müssen sich dieser politischen Verschwörung zur Förderung von Sparpolitik, Militarismus und Krieg entgegenstellen. Dazu müssen sie dem Gewerkschaftsapparat die Kontrolle über ihr Schicksal entreißen.

In allen Betrieben müssen demokratisch gewählte Aktionskomitees gegründet werden, um die wachsende Welle von Kämpfen auf der Grundlage der Forderung nach einem Generalstreik zum Sturz der Tories zu vereinen. Dieser Kampf muss als Teil einer globalen Offensive der Arbeiterklasse durch den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) geführt werden.

Jeder Kampf gegen die Tories muss auch ein Kampf gegen Labour und für den Aufbau einer alternativen sozialistischen Führung in der Arbeiterklasse sein.

Die Socialist Equality Party ruft die Arbeiter auf, sofortige Neuwahlen zu fordern. Wahlen dürfen nicht erst stattfinden, wenn die Gewerkschaftsbürokratie die Massenopposition der Arbeiterklasse verraten und aufgelöst hat, sondern müssen unter Bedingungen abgehalten werden, unter denen der Klassenkampf neue brisante Ausmaße erreicht. In einer derartigen Wahl wird die SEP mit eigenen Kandidaten gegen die Parteien des Großkapitals Tory und Labour antreten, um die notwendige Massenbewegung der Arbeiterklasse gegen Austerität, für die Eliminierung von Covid-19 und ein Ende des Krieges politisch zu organisieren.

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