In seiner Rede zur Lage der Nation machte Präsident Thabo Mbeki am 4. Februar in Kapstadt unmissverständlich klar, dass die ANC-Regierung keine Opposition von Arbeitern gegen ihre Pläne zulassen wird, Südafrika in ein Billiglohnparadies für multinationale Investoren zu verwandeln.
Während er noch sprach, wurden im Volkswagenwerk von Uitenhage in der Nähe von Port Elizabeth 1.450 streikende Autoarbeiter entlassen. Mbeki ging in seiner Rede auf diesen Streik ein und schmähte ihn als illegal und ungerechtfertigt. "Der ANC kann es sich nicht leisten, in den Augen der Investoren als Geisel von Elementen dazustehen, die eigennützige und unsoziale Ziele verfolgen," erklärte er.
Das wirtschaftsfreundliche Programm des ANC, von einigen Ministern als "Urknall" oder als "Durchhauen des Knotens" bezeichnet, hat während der letzten Monaten die Diskussion in Regierungskreisen beherrscht. Nun will die Regierung dieses Programm in die Praxis umsetzen und befürchtet Widerstand von Seiten der Arbeiterklasse. Daher Mbekis Warnungen.
Als Bestandteil des Programms sollen die Währungskontrollen aufgehoben werden. Damit sollen Investitionen transnationaler Konzerne erleichtert, die Privatisierung gefördert, der öffentliche Dienst in großem Stil umgekrempelt und Haushaltskürzungen durchgesetzt werden. Mbeki hat außerdem die Absicht, die Arbeitsgesetze zu ändern, den gesetzlichen Schutz, den die Arbeiter in letzter Zeit erkämpft haben, aufzuheben und einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst durchzusetzen.
Die ANC-Regierung lässt sich bei ihren Wirtschaftsplänen von den einflussreichsten Vertretern des internationalen Kapitals anleiten. Sie richtet einen Internationalen Investitionsrat (IIC) ein, bestehend aus dreizehn Vertretern großer transnationaler Konzerne, unter ihnen Jürgen Schrempp von DaimlerChrysler, Citigroup-Vizepräsident William Rhodes, Minoru Makihara von Mitsubishi und der internationale Finanzmann George Soros. Das Gremium wird die Regierung in Wirtschaftsfragen beraten.
In seiner Rede schmeichelte Mbeki den millionenschweren Konzernbossen und bezeichnete sie als "Südafrikas beständige Freunde". Er bedankte sich bei ihnen für ihre "Bereitschaft, am Internationalen Investitionsrat teilzunehmen, und für ihr standhaftes und unerschütterliches Vertrauen in unsere Wirtschaft".
Neben der Zusammenarbeit mit diesen Vertretern internationaler Konzerne hat die Regierung noch drei weitere Arbeitsgruppen für "Unternehmer", für "schwarze Geschäftsleute" und für "Gewerkschafter" eingerichtet. Ihr Zweck besteht darin, "der Regierung die Möglichkeit zu verschaffen, mit den verschiedenen Sektoren zusammenzuarbeiten, um als Land den Schritt zu wirtschaftlicher Größe und Wachstum zu machen und alle Hindernisse zu überwinden, die unser Ziel vereiteln könnten."
Mbekis Rede wurde von der Opposition mit großem Beifall aufgenommen und auch der ehemalige Präsident Nelson Mandela erklärte, er sei "außerordentlich beeindruckt". Die Vorschläge wurden von der Wirtschafts- und der Finanzwelt begrüßt, die sich schon seit Amtsantritt der Regierung im vergangenen Juni für eine solche Politik eingesetzt hatte.
Mbeki behauptete zynisch, die Politik des ANC werde Arbeitsplätze schaffen und den Lebensstandard verbessern, er strebe "gute und edle" Ziele an. Aber die tatsächlichen Auswirkungen auf den Lebensstandard der Arbeiter werden katastrophal sein. Schon jetzt sind die wirtschaftlichen Bedingungen für viele Arbeiterfamilien schlechter als zur Zeit des Apartheidregimes.
In einem kürzlich veröffentlichen Bericht "Gewinner und Verlierer - Südafrikas wechselnde Einkommensverhältnisse in den neunziger Jahren" wird darauf hingewiesen, dass bei den Familien die ärmsten vierzig Prozent zwischen 1991 und 1996 eine Einkommenseinbusse von 21 Prozent erlitten haben. Die Arbeitslosenrate beträgt jetzt über dreißig Prozent und mindestens 500.000 Arbeitsplätze sind im Zeichen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zerstört worden. Kein einziges soziales Problem, weder der Mangel an Wohnungen noch die ungenügende Versorgung mit Strom- oder Wasser, wurde ernsthaft in Angriff genommen.
Seit seinem Machtantritt hat sich der ANC auf die südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) und die Gewerkschaften verlassen, um die Arbeiterklasse ruhig zu halten. Das wird jedoch immer schwieriger. Letztes Jahr haben die Streiks massiv zugenommen, 3,1 Millionen Arbeitstage fielen aus, verglichen mit 2,3 Millionen im Vorjahr. Einen Tag vor Mbekis Rede warnte ein Vertreter der britischen Regierung, Peter Hain, in Johannesburg den ANC, die Investoren seien besorgt über das Anwachsen der Streiks im Lande.
Mbeki bekräftigte als Antwort auf solche Befürchtungen die Absicht der Regierung, die Belegschaften rigoros zu disziplinieren. Sein Ausfall gegen die streikenden Volkswagen-Arbeiter sollte dies unterstreichen.
Der VW-Streik war durch das Verhalten der Gewerkschaft in diesem Werk provoziert worden. Die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA hatte dreizehn Vertrauensleute mit der Behauptung abgesetzt, sie würden die Gewerkschaft in Verruf bringen. Da traten die Arbeiter in den Streik, um ihren Kollegen gegen die Gewerkschaft den Rücken zu stärken.
Nach einer Woche entließ das VW-Management die 1.450 streikenden Arbeiter (ein Viertel der ganzen Belegschaft), nachdem sie ein Ultimatum zur Arbeitsaufnahme ignoriert hatten. Die Direktion erklärte, was sie betreffe, sei der Streik vorbei, und sie werde sofort damit beginnen, neue Arbeitskräfte einzustellen. Die NUMSA stand die ganze Zeit auf der Seite des Managements.
Mbeki warnte, solche Streiks wie in Uitenhage könnten "nicht toleriert werden". Er fuhr fort: "Selbstverständlich hat die Regierung mit dem VW-Management und der Gewerkschaft zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass ein Problem gelöst wird, das einige verantwortungslose Elemente in diesem Werk verursacht haben. Die Regierung wird von dieser Position nicht abweichen."
Sowohl der südafrikanische Gewerkschaftsdachverband COSATU als auch die Kommunistische Partei gaben unverzüglich Pressemitteilungen heraus, die Mbekis harte Linie gegen "illegale Arbeitskämpfe" und seine Unterstützung für die VW-Führung begrüßen.
COSATU erklärte außerdem, er werde "mit großem Engagement" mit der Regierung über eine angemessene Investitions- und Entwicklungsstrategie für das Land verhandeln. Er sieht seine Aufgabe darin, eine wirkliche Opposition gegen die Regierung zu verhindern, und schürt zu diesem Zweck wirtschaftlichen Nationalismus. Bei der Eröffnung der Parlamentssitzung organisierten die Gewerkschaften eine Demonstration außerhalb des Gebäudes und forderten, die Regierung möge die Billigimporte aus Fernost stoppen.
Außerdem haben die Gewerkschaften eine symbolische Kampagne begonnen, um von der Regierung die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fordern. Selbst die Presse bezeichnete dies als Alibiveranstaltung. Letzten Montag wurden in allen Städten Tausende Textil- und Metallarbeiter zu Demonstrationen während der Mittagspause aufgerufen. Dies solle der Auftakt für einen eintägigen Streik sein, der erst in vier Monaten stattfinden wird.
Mbeki machte klar, dass es bei den Arbeitsplätze keine Zugeständnisse geben werde. Er begründete dies damit, dass die "Stärkung der strategischen Partnerschaft zwischen Staat und Privaten" wichtiger sei, als neue Initiativen im öffentlichen Sektor. Das heißt im Klartext, dass weitere Arbeitsplätze abgebaut werden. Vor allem Verwaltungsstellen werden wegfallen; laut Mbeki sind 30.000 bis 50.000 Beschäftigte aus den ehemaligen Bantustan-Verwaltungen überflüssiger Ballast.
Über die Pläne für weitere Privatisierungen wurde nicht allzu viel Konkretes bekannt, aber Mbeki versicherte, dass der Staatsbesitz noch schneller neu geordnet werde. Laut einem Bericht der Abteilung für Unternehmen im Staatsbesitz plant die Regierung bis zum Jahr 2004 staatlichen Besitz im Werte von mindestens 170 Millionen Rand (54 Mrd. DM) zu veräußern.
Ohne Zweifel wird das Privatisierungsprogramm unter dem Vorwand, die "Stellung der Schwarzen" zu stärken, manch neureichem schwarzen Unternehmer ein Schnäppchen bescheren. Der Minister für Unternehmen im Staatsbesitz, Jeff Radebe, ein Mitglied der Kommunistischen Partei, spielt eine entscheidende Rolle dabei, die Kritik am Privatisierungsprogramm der Regierung zu zerstreuen.
In seiner Rede verherrlichte Mbeki die Errungenschaften der ANC-Regierung. Er sagte: "Wir haben eine Wirtschaft, die kurz vor dem Super-GAU stand, in eine verwandelt, die sich im Aufschwung befindet und dabei den Bedürfnissen unseres Volkes gerecht wird."
Der "Super-GAU" bezog sich auf die Gefahr eines revolutionären Aufstands gegen das Apartheid-Regime in den achtziger Jahren. Um die kapitalistische Herrschaft in Südafrika aufrecht zu erhalten, musste man den ANC, den Panafrikanischen Kongress und die Kommunistische Partei salonfähig machen. Gestützt auf das Vertrauen der Massen übernahm der ANC die Regierung.
Aber die anfänglichen Reformen auf einigen Gebieten verhinderten nicht, dass die grundlegenden Klassenstrukturen von Südafrika unangetastet blieben. Die Ambitionen der Volksbewegung, die den ANC an die Macht brachte, wurden enttäuscht. Der ANC ließ sein Sozialprogramm fallen, das er in den achtziger Jahren noch in sozialistische Rhetorik gekleidet hatte.
In den ersten Jahren der ANC-Herrschaft wurden durch die Einführung neuer Arbeitsgesetze - Labour Relations Act(1995), Basic Conditions of Employment Act(1997) und Insolvency Act - noch Zugeständnisse gemacht. Das Streikrecht und das Koalitionsrecht wurden garantiert. Mbekis Rede hat jetzt deutlich gemacht, dass diese Gesetze praktisch nur noch auf dem Papier stehen.
Einmal an der Regierung, hat sich der ANC als Interessenvertreter einer habgierigen und selbstsüchtigen Schicht des einheimischen Kleinbürgertums entpuppt, das sich während der sechsjährigen ANC-Herrschaft bereichert hat und darauf spekuliert, Partner des internationalen Kapitals zu werden.
Trotz aller Bemühungen des ANC hat die südafrikanische Wirtschaft jedoch die größten Probleme. Die Regierung hat sich den Bedingungen des IWF untergeordnet, aber das Wirtschaftswachstum war bisher viel zu langsam. Der Konzern Anglo-American, der weltweit die Diamantenindustrie beherrscht und weltgrößter Gold- und Platinproduzent ist, hat die Johannesburger Börse verlassen und sich in London niedergelassen, um einen besseren Standort am Weltmarkt der Edelmetalle einzunehmen. Andere mächtige südafrikanische Konzerne folgten seinem Beispiel.
Laut einem Artikel in Africa Confidential vom 21. Januar hofiert die Regierung nun die drei Millionen Buren als patriotische Geschäftspartner. Mbeki glaubt, die Buren, das Rückgrat des Apartheid-Regimes, seien Südafrika in höherem Maß verpflichtet als andere. Er beschuldigt die Englischsprachigen, für einen großen Teil der Kapitalflucht und für die eilige Überführung der Firmen an die Londoner Börse verantwortlich zu sein.
Südafrika muss seine Märkte dringend ausdehnen und versucht deshalb, ein Abkommen mit der EU zu schließen. Aber um konkurrenzfähig zu sein, muss die südafrikanische Industrie die Löhne senken, die Arbeitsbedingungen verschlechtern und den Lebensstandart reduzieren. Infolgedessen befinden sich Mbeki und seine Anhänger auf Kollisionskurs mit der Arbeiterklasse.