SPD und Linkspartei.PDS haben sich in Berlin auf eine Neuauflage der rot-roten Koalition geeinigt. Im Mittelpunkt des neuen Koalitionsvertrags, der am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, steht eine drastische Verschärfung des bisherigen Sparkurses.
Bereits im kommenden Jahr will der Senat einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen, in dem die Aufnahme neuer Kredite die Ausgaben für Investitionen nicht überschreitet. Aufgrund der enormen Zinslasten, die auf dem hoch verschuldeten Land lasten, muss die Landeskasse dafür mehr Geld einnehmen, als sie (die Zinszahlungen nicht eingerechnet) ausgibt. Leidtragende des verschärften Sparkurses sind die Beschäftigten des öffentlichen Diensts, Hartz-IV-Empfänger, Studenten und Kulturschaffende.
Das Amt des Kultursenators wird durch die Koalitionsvereinbarung kurzerhand abgeschafft. Und das in einer Stadt, in der das öffentliche wie das wirtschaftliche Leben maßgeblich vom Kultursektor geprägt werden! Mit einem Umsatz von zehn Milliarden Euro 2002 kommt der Kulturbereich für einen Siebtel der Wertschöpfung der gesamten Berliner Wirtschaft auf. In 21.000 Unternehmen arbeiteten rund 110.000 sozialversicherte Beschäftigte.
In Zukunft wird der Bereich Kultur ein Schattendasein in der Senatskanzlei des regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) führen. Der Bereich Wissenschaft, bisher ebenfalls dem Kultursenator unterstellt, wird ins Bildungsressort eingegliedert - ein schlechtes Omen für die Forschung an den drei Berliner Universitäten. Der Deutsche Kulturrat bezeichnete den Verzicht auf ein eigenständiges Kulturressort im Berliner Senat als Katastrophe, die weite Signalwirkung in ganz Deutschland haben werde.
Der gesamte Koalitionsvertrag trät die Handschrift des alten und neuen Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD). Sarrazin, dem die Kürzung immer neuer Sozialausgaben ein geradezu sadistisches Vergnügen bereitet, ist in der Berliner Bevölkerung ebenso verhasst, wie er in neoliberalen Kreisen weit über die Landesgrenzen hinaus bewundert wird.
Der Finanzsenator legte noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen einen Plan vor, bis zum Jahr 2011 einen verfassungskonformen Haushalt zu erreichen. Er ließ außerdem konkrete Berechnungen anstellen, wie viel der Verkauf aller 270.000 Wohnungen der sechs Berliner Wohnungsbaugesellschaften der Landeskasse einbringen würde.
Unterstützung erhielt Sarrazin von der SPD-internen Gruppierung "Aufbruch Berlin", zu der Abgeordnete wie der ehemalige Landesgeschäftsführer Ralf Wieland, die frühere Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing und der ehemalige Staatssekretär Frank Bielka gehören.
Nun begann ein Schmierentheater nach bekanntem Muster. Die Linkspartei erhob ein großes Gezeter und schwor, sie werde sich dem Diktat der SPD-Rechten niemals beugen. Das war für die Wähler und Mitglieder der Partei bestimmt, die weiterhin an ihr linkes Image glauben sollen. Intern verliefen die Verhandlungen dagegen reibungslos. Bald schon erklärte Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer, die Differenzen mit der SPD seien gar "nicht so groß", und außerdem strebe auch seine Partei keinen verfassungswidrigen Haushalt an.
Als die Koalitionäre Mitte vergangener Woche schließlich zum letzten Verhandlungstermin zusammentraten, um das Thema Finanzen endgültig zu klären, spekulierten einige Zeitungen noch über eine "Marathonsitzung". Doch SPD und Linkspartei einigten sich ohne großes Aufsehen auf eine Lösung, die noch weit über das hinausgeht, was Sarrazin ursprünglich gefordert hatte. Statt 2011 soll jetzt schon 2007 ein verfassungskonformer Haushalt erreicht werden!
Dies soll größtenteils durch Einsparungen geschehen. Lediglich aus einer geringfügigen Erhöhung der Grund- und Grunderwerbssteuer sowie der von der Bundesregierung beschlossenen dreiprozentigen Erhöhung der Mehrwertsteuer erwartet der Senat höhere Einnahmen. Die Reichen bleiben wie immer ungeschoren. Der neue Senat werde am "strikten Sparkurs festhalten" und sämtliche Mehreinnahmen für die "Haushaltskonsolidierung" verwenden, fasste der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Koalitionsvereinbarungen abschließend zusammen.
Hauptleidtragende sind wie schon in den vergangenen Jahren die öffentlich Beschäftigten. So ist von dem ursprünglich für das Jahr 2009 vereinbarten Auslaufen der massiven Lohnsenkungen im öffentlichen Dienst, die der rot-rote Senat durch seinen Austritt aus den kommunalen Arbeitergeberverbänden erpresst hatte, keine Rede mehr. Stattdessen sind die um durchschnittlich zehn Prozent gekürzten Löhne nun fester Bestandteil der weiteren Finanzplanung bis mindestens 2011. Gleichzeitig sollen in diesem Zeitraum weitere 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden.
Während er reguläre Arbeitsplätze abbaut, unterstützt der Senat den Aufbau eines staatlichen Niedriglohnsektors. Unter dem Motto "Arbeit finanzieren statt Arbeitslosigkeit" soll ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor entstehen, in dem die derzeit für Hartz IV ausgegebenen Mittel zusammengefasst und zur Finanzierung von Arbeiten verwendet werden, die "sinnvoll für das Gemeinwesen" sind.
Es braucht wenig Phantasie um zu sehen, dass für viele Arbeiten, die zurzeit noch von tariflich bezahlten öffentlichen Angestellten verrichtet werden, demnächst staatlich geförderte Billiglöhner zum Einsatz kommen. Was die Linkspartei nicht daran hindert, diesen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor als große Errungenschaft anzupreisen!
Auch der angebliche "Einstieg in die Gemeinschaftsschule" wird von der Linkspartei als großer Erfolg gefeiert, kann aber bestenfalls als halbherzig bezeichnet werden. In einem Modellprojekt können sich Schulen freiwillig dazu entschließen, zu Gemeinschaftsschulen umstrukturiert zu werden. Sollte sich keine Schule dazu entscheiden, ändert sich nichts am Ist-Zustand.
Von einem Ausstieg aus dem dreigliedrigen Schulsystem kann hierbei also keine Rede sein. Dies umso mehr, als den Schulen seit Jahren systematisch die Mittel gekürzt werden. Ohne ausreichendes Lehrpersonal, Lehrmittel und Räumlichkeiten werden die Gemeinschaftsschulen aber bei den Eltern kaum auf Unterstützung stoßen.
Beim Thema Privatisierungen und Verkäufe öffentlichen Eigentums haben sich die Koalitionäre alle Türen offen gehalten. Auf der Website der Berliner SPD ist zu lesen, dass lediglich "Komplettverkäufe städtischen Wohnungseigentums" tabu seien. Bei der Linkspartei heißt es: "Keine Blockverkäufe an Investmentgesellschaften (Heuschrecken)". So lange also in einzelnen Stücken verkauft und immer ein kleiner Rest behalten wird, gibt es keine Hindernisse für den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaften.
Die Gewerbesiedlungs-Gesellschaft (GSG), die mittelständischen Firmen günstige Gewerbeflächen zur Verfügung stellt, soll hingegen ganz offiziell verkauft werden. Von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) wird das seit langem gefordert. Ein verbindliches Kaufangebot der Investoren Orco und Morgan Stanley in Höhe von 400 Millionen Euro liegt bereits seit Sommer 2006 vor.
Beim Thema Studiengebühren wollen die Koalitionsparteien "an einem diskriminierungsfreien Hochschulzugang" festhalten, für den es "keine finanziellen Hürden" geben dürfe. Eine konsequente Absage an Studiengebühren klingt allerdings anders. Während der Koalitionsverhandlungen wurden auch bereits Möglichkeiten diskutiert, zunächst nur Studenten aus anderen Bundesländern "finanzielle Hürden" in den Weg zu legen, während Studenten aus Berlin eine Art Bildungsgutschein bekämen. Bei solch einer Regelung wäre es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis unter dem Vorwand der Gleichstellung diese Sonderregelung auch für Berliner Studenten wegfiele.
Darüber hinaus wurde die kostenfreie Kita-Betreuung, die Wowereit während des Wahlkampfes versprochen hatte, erst einmal auf das Jahr 2011 verschoben. Für einige andere Projekte soll die finanzielle Verantwortung einfach auf den Bund übertragen werden, ohne dass entsprechende Zugsagen vorliegen. So soll der Bund künftig den Betrieb und die Sanierung der Staatsoper Berlin sowie die Bewachung von Bundestag, Ministerien und Botschaften selbst finanzieren.
Die Neuauflage der rot-roten Koalition wird erneut den Büttel für die Rechten spielen und alle von diesen geforderten Kürzungen gegen die Bevölkerung durchsetzen. Eine Verschärfung der sozialen Katastrophe und immer heftigere Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter sind damit vorprogrammiert.