Deutsche Politiker und Sicherheitskräfte nutzten am vergangenen Pfingstwochenende das Asien-Europa-Treffen (ASEM) in Hamburg für einen massiven Polizeieinsatz gegen Demonstranten. Das Treffen, in dessen Rahmen 27 europäische und 16 asiatische Außenminister über Klimapolitik berieten, wurde so zur "Generalprobe" für den G8-Gipfel, der kommende Woche im Ostseebad Heiligendamm stattfindet.
Das provokative Vorgehen der Hamburger Polizei löste nicht nur bei Globalisierungsgegnern, sondern auch bei großen Teilen der Hamburger Bevölkerung heftige Empörung aus. Der massive Polizeieinsatz machte die Wahrnehmung des Demonstrationsrechts vollkommen unmöglich. Wie schon die bundesweiten Polizeirazzien vom 9. März zielte er darauf ab, Kritiker des G8-Gipfels massiv einzuschüchtern und zu kriminalisieren.
Während die bürgerliche Presse Panik verbreitete und 1.000 bis 2.000 "gewaltbereite Randalierer" meldete, die angeblich zu erwarten seien, demonstrierte in erster Linie die Polizei "Gewaltbereitschaft". Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) hatte im Vorfeld "Null Toleranz" angekündigt, was sich offensichtlich auch auf legale Proteste bezog.
Von Pfingstsamstag bis -montag waren große Bereiche der Innenstadt hermetisch abgeriegelt und weder für Touristen noch für Einkaufende zugänglich. Heerscharen von schwerbewaffneten Polizisten mit Wasserwerfern und gepanzerten Fahrzeugen bewachten die Absperrungen am Rathausplatz und den anderen Tagungsorten. Bus- und U-Bahnverkehr wurden umgeleitet oder blockiert. An etlichen Haltestellen der Innenstadt waren Ein- und Aussteigen nicht möglich.
Drei Tage lang rasten Kolonnen von Polizeifahrzeugen mit Blaulicht und Sirenengeheul durch die Stadt. Die unter dem Motto "Gate to global resistance - Gegen den G-8- und EU-Gipfel" angemeldete Demonstration wurde nur weit vom eigentlichen Geschehen entfernt erlaubt und durch menschenleere Straßen geleitet. Die rund 6.000 friedlichen Demonstranten wurden von mehreren Tausend martialisch gerüsteten Polizisten in einem drei- bis fünfreihigen Spalier eskortiert, ja geradezu eingekesselt.
Schließlich lösten die Veranstalter die Demonstration vorzeitig am Rödingsmarkt auf, dem Platz, der am nächsten beim Tagungsort lag. Die vorzeitige Auflösung war als politisches Signal gemeint. Sie wollten nicht in einem Polizeikessel durch die menschleere City marschieren, und eine auf dem Rathausmarkt geplante Kundgebung war ohnehin höchstrichterlich verboten worden. Der Hamburger Polizeipräsident hatte diese Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit mit dem Argument begründet, im Falle einer Kundgebung vor dem Rathaus bestehe die Gefahr eines Abbruchs des Gipfeltreffens.
Nach der Auflösung der Demonstration wollten die Teilnehmer den Ort des Geschehens verlassen. Das aber verhinderte die Hamburger Polizei nach Auskunft der Veranstalter durch Errichtung einer Kette. Nach den vorangegangenen Provokationen und Einschüchterungen heizte dies die Stimmung vieler junger Demonstranten derart auf, dass es geradezu zwangsläufig zur Entladung der aufgestauten Wut kommen musste.
Es kam zu Rangeleien, bei denen auch Farbbeutel und Flaschen flogen. Vor dem Szenetreff Rote Flora in Altona wurden Barrikaden gebaut. Es gab heftige Auseinandersetzungen und Verletzte. Mehrere hundert "Autonome" errichteten im Schanzenviertel aus Tischen und Bänken Barrikaden und setzten sie in Brand.
Die Polizei rückte mit ihren Wasserwerfern und Schlagstöcken vor. Nach Polizeiangaben wurden 120 Demonstranten festgenommen und 179 Beamte verletzt. Über die Zahl der verletzten Demonstranten gibt es keine Angaben. 150 Polizisten erlitten Augenreizungen durch angeblich von Demonstranten versprühtes Reizgas. Ein Polizist zog sogar die Waffe, weil auf laut seinen eigenen Angaben mit Wurfgeschossen auf ihn gezielt wurde. Ihm wurde bescheinigt, er habe "in Notwehr" gehandelt habe.
Es ist fast ein Wunder, dass es in der aufgeheizten Atmosphäre nicht zu schlimmeren Vorfällen kam. Bekanntlich wurde bei den G-8-Protesten in Genua im Juni 2001 der Demonstrant Carlos Guiliani von einem angeblich ebenfalls in Bedrängnis geratenen Polizeibeamten erschossen.
Der Sprecher der Hamburger Polizei sprach von einem äußerst erfolgreichen Einsatz. Auch Hamburgs Oberbürgermeister Ole von Beust lobte den Einsatz. Innensenator Nagel erklärte: "Die Taktik der Polizei war richtig. Es ist gelungen, die ASEM-Gäste und die Hamburger Bürger vor Gewalttätigkeiten zu schützen."
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) war mit dem brutalen Einsatz rundum zufrieden. "Wir haben mit viel Polizei, mit hohem Kräfteeinsatz dort, soweit es ging, Sicherheit gewährleistet, zumindest was das Demonstrationsgeschehen betrifft", meinte GdP-Chef Konrad Freiberg im Norddeutschen Rundfunk zu dem Einsatz. "Man kann sagen, dass der Polizeieinsatz geglückt ist."
Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier, der als Gastgeber der Konferenz fungierte, zeigte ebenfalls volles Verständnis für die Unterdrückung des demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung und beschönigte den imperialistischen Charakter der Konferenz und des kommenden G8-Gipfels. "Warum demonstriert man eigentlich gegen eine Konferenz, in der Europäer und Asiaten versuchen, ein gemeinsames Augenmerk auf verschiedene Konfliktherde dieser Welt zu richten?" fragte er.
Steinmeier meinte, es sei "geradezu eine Pflicht, in einer Situation, in der wir auf dieser Welt viel zu viele Konflikte haben, nach Partnern zur Lösung von Konflikten zu suchen". Es sei ein "großer Erfolg", dass in Hamburg so viele an einem Tisch gesessen und ihre Ansichten zu "Konfliktherden" - wie den Kriegen in Afghanistan und im Irak - ausgetauscht hätten. "Das ist ein Wert an sich, und den sollten wir verteidigen, auch vor denjenigen, die das kritisieren, wenn auch vielleicht nicht im vollen Wissen über das, was wir hier tun", erklärte Steinmeier.
Dass diese Konfliktherde durch die wirtschaftliche Ausbeutung und das militärische Eingreifen der G8 angeheizt wurden oder überhaupt erst entstanden sind, erwähnte er natürlich nicht.