Trennung von Opel und General Motor läuft auf Hochtouren

Massiver Arbeitsplatzabbau und Werksschließungen bei Opel in Europa

Während die US-Regierung unter Barack Obama General Motors (GM) in die Insolvenz drängt, treiben die europäischen Gewerkschaften und Betriebsräte die Trennung Opels vom amerikanischen Mutterkonzern voran. Die Eigenständigkeit Opels ist mit massiven Kürzungen bei Löhnen und Arbeitsplätzen verbunden. Auch Werksschließungen werden diskutiert.

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die Obama-Regierung GM aufgefordert hat, in den nächsten zwei Monaten die Insolvenz einzuleiten. GM soll in einen "guten" Teil, der einige profitable Unternehmensteile zusammenfasst, und in einen "schlechten" aufgespalten werden. Darin will sich GM vor allem der sozialen Leistungen für die GM-Arbeiter wie etwa die Pensionszahlungen für ihre ehemaligen Beschäftigten entledigen.

Die Gewerkschaft IG Metall und die Betriebsräte in Deutschland reagieren darauf, indem sie ihren Plan, eine europäische Opel AG zu gründen, noch vehementer verfolgen.

Opel gehöre zum "guten Teil von GM", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und stellvertretende Aufsichtsratschef Klaus Franz. "Opel landet in einem vollkommen neuen Topf - als eigenständiges Unternehmen in Europa, mit einem Investor und staatlichen Bürgschaften." Man benötige einen Investor und staatliche Bürgschaften von der Bundesregierung. Die Betriebsräte sind krampfhaft bemüht, die Arbeiter mit zahlreichen Meldungen über potentielle Investoren vor allem aus den arabischen Ländern zu beruhigen.

Am Freitag letzter Woche kam der Opel-Aufsichtsrat, der zur Hälfte mit Gewerkschaftsvertretern und Betriebsräten besetzt ist, in einer Telefonkonferenz zusammen und verabredete ein schrittweises Vorgehen, um die Trennung Opels von GM einzuleiten. Verschiedene Szenarien und Modelle wurden durchgesprochen, die aber alle eines gemeinsam hatten: einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen, drastische Lohnkürzung und Verschlechterungen der Schichtzeiten und Arbeitsbedingungen.

Das "Rettungsboot für Opel" sei fertig, sagte ein "Insider" im Gespräch mit dem deutschen Fernsehen (ARD).

"Wir beschließen einzelne Schritte, um uns eigenständig machen zu können", fügte der Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel hinzu, der auch im Aufsichtsrat sitzt. Er blieb in seinen Aussagen sehr vage und sprach nur in Andeutungen: "Es gibt laufend Gespräche, Versammlungen und auch Termine. So gab es auch Entscheidungen, wie man sich eigenständig aufstellen kann."

Die Opel-Manager und Betriebsräte stimmen in den Hauptfragen überein. Sie wollen die konzerninternen Schulden von GM bei seiner europäischen Tochter noch vor der erwarteten GM-Insolvenz Ende Mai, Anfang Juni gegen "Sachwerte" - Patente und Fabriken - "tauschen". Ob dies tatsächlich geschieht, hängt aber noch vom Einverständnis der US-Regierung ab, da GM die Patente an die US-Regierung verpfändet hat. Die Betriebsräte haben die Bundesregierung bereits dringend aufgefordert, Obama und den US-Finanzminister Timothy Geitner dazu zu bewegen, die Patente frei zu geben.

Standortstreit zwischen Betriebsräten

Das Opel-Management, die IG Metall und die Betriebsräte sind sich einig, dass Opel in Europa sich von GM trennen sollte, obwohl dies einen massiven Arbeitsplatzabbau und auch Werksschließungen beinhaltet. Die Betriebsräte haben aber noch keinen Weg gefunden, wie sie diese Kürzungen bei den Arbeitern durchsetzen könnten. Daher geht nun das bekannte Hauen und Stechen zwischen den Betriebsräten der einzelnen Standorte los, insbesondere zwischen Bochum und Rüsselsheim. Jeder versucht, den Löwenanteil der Kürzungen, die eine Milliarde Euro an Einsparungen erzielen sollen, auf den Standort des anderen abzuwälzen.

Das Sankt-Florian-Prinzip: "Verschon mein Haus, zünd andre an!" hat unter den Betriebsräten Hochkonjunktur. Nur in einer Frage stimmen sie alle überein. Ein gemeinsamer Kampf aller Opel-Arbeiter und GM-Beschäftigten soll unter allen Umständen verhindert werden.

Im Moment herrsche im Hause Opel die Devise: "Pro Werk nur eine Marke", sagte Einenkel der Presse. "Die aktuelle Diskussion wird darüber geführt, ob Opel Rüsselsheim den Astra produziert." Bislang werden in Bochum der Astra und der Zafira gefertigt, in Rüsselsheim das neue Modell Insignia. Die Bochumer Betriebsräte versicherten bislang, dass die Bochumer Opelwerke auch weiterhin den Astra in großer Stückzahl bauen.

Diese "Zusicherung" des Opel-Managements erkauften sie sich durch immer weitere Zugeständnisse bei Arbeitsplätzen und Löhnen. Seit dem letzten so genannten "Arbeitsplatzsicherungsvertrag" aus dem Jahr 2005 sind fast die Hälfte der Arbeitsplätze in Bochum abgebaut worden. All diese Verträge sind nun Makulatur.

Für den Produktionsstart des neuen Astra sollten im Bochumer Werk Neuinvestitionen in Höhe von 460 Millionen Euro getätigt werden. Einenkel berichtete der Presse: "Als diese Summe bekannt wurde, hieß es aus dem Werk Rüsselsheim: ‚Das können wir für ein Drittel machen.’"

Einenkel konterte darauf, Bochum biete etliche Vorteile gegenüber Rüsselsheim. So hätte das Werk in Bochum ein eigenes Presswerk und eine eigene Getriebeproduktion. Das seien entscheidende Standortvorteile des Ruhrgebiets-Werks, so Einenkel.

Noch sei nicht entschieden, ob das Opel-Stammwerk in Rüsselsheim mit seinen 18.000 Mitarbeitern die Astra-Fertigung übernehme. Fest stehe dagegen, so Einenkel, dass der neue Astra 2010 zuerst am englischen Standort Ellesmere Port produziert wird.

Damit würde in Bochum nur noch der Zafira, der auch in Polen gebaut wird, vom Band laufen. Eine Schließung des Bochumer Werks auf Raten scheint somit vorprogrammiert. Auch der Plan, in Europa pro Land nur ein Produktionswerk aufrecht zu erhalten, sei nicht vom Tisch. Dies wäre in Deutschland auf jeden Fall das Werk in Rüsselsheim, da sich dort auch die Entwicklungsabteilung des Konzerns befindet.

Immer deutlicher wird, dass die ursprüngliche Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg vom 17. Februar über drei Werksschließungen in Europa sich bewahrheitet. Betriebsräte und Landespolitiker wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der sich damals in Detroit zu Gesprächen mit GM befand, nannten die Bloomberg-Meldung seiner Zeit "falschen Alarm".

Dem Bloomberg-Bericht zufolge plante GM die Schließung der Opel-Fabriken in Bochum und im belgischen Antwerpen (dort bauen 3.700 Arbeiter unterschiedliche Versionen des Astra) sowie den Verkauf des modernen Werks in Eisenach. Dem Bloomberg-Bericht zufolge sollte auch die schwedische GM-Tochter Saab verkauft oder ganz geschlossen werden. Am gestrigen Freitag berichtete die Financial Times, GM sei bereit, den insolventen Saab-Konzern "zum Nulltarif" abzugeben. Und den Verkauf des Opel-Werks in Eisenach hatte Klaus Franz schon in den letzten Wochen angeboten.

"Ich befürchte, dass die Abstimmung manipuliert wird."

Während die Betriebsräte den Medien täglich Rede und Antwort stehen, bleiben sie im Werk auf Tauchstation. "Uns wird gar nichts gesagt. Wir lesen auch alles nur aus der Presse", sagte Gerhard B., 54, und seit 34 Jahren bei Opel in Bochum der WSWS. Der Maschinenführer und Vater von fünf Kindern bekommt die Betriebsräte teilweise "gar nicht zu Gesicht". "Die scheinen in der Versenkung gelandet zu sein."

Die Politik der Betriebsräte, die Arbeiter mit immer neuen Meldungen abwechselnd zu beunruhigen und dann wieder zu beruhigen, dient einzig und allein dem Ziel, einen Arbeitskampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne zu verhindern und alle Forderungen des Opel-Managements schrittweise durchzusetzen.

Gerhard Bücker sieht daher die Zukunft des Opel-Werks in Bochum düster: "Wenn wir hier nur noch den Zafira bauen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, wann hier dicht gemacht wird und auch die letzten gehen müssen. Denn der Zafira wird auch in Polen gebaut, und dort sind nun mal die Kosten viel günstiger als hier in Bochum."

Auch die Meldung der regionalen Presse, ein neuer Energielieferungs-Vertrag zwischen Opel und den Bochumer Stadtwerken für die Werke in Bochum, Kaiserslautern und Eisenach bis 2012 bedeute, dass bis dahin auch die Produktion gesichert sei, hält Gerhard Bücker für eine Beruhigungspille.

"Zwar geht der Vertrag bis 2012 und viele hoffen, dass es wenigstens bis dann weitergeht. Aber ich fürchte, für uns hier ist schon nächstes Jahr Schluss."

"Daran würden auch immer neuere Zugeständnisse nichts ändern", sagte er mit Verweis auf die laufende Abstimmung der IG Metall unter ihren Mitgliedern, ob die kürzlich vereinbarte Tariferhöhung von 2,1 Prozent einbehalten werden soll. Dies fordern die Opel-Geschäftsführung, IG Metall und Betriebsrat von den Bochumer Opel-Beschäftigten. "Alle meine Kollegen sind dagegen", erklärt Gerhard Bücker. "Der [ehemalige GM-Chef Rick] Wagoner kassiert 20 Millionen und wir sollen auf 2,1 Prozent verzichten. Das sehen wir überhaupt nicht ein", sagte er empört. "Aber ich befürchte, dass die das Abstimmungsergebnis so manipulieren, dass die Tariferhöhung doch einbehalten wird."

Viele Opel-Arbeiter in Bochum, mit denen die WSWS auch beim Schichtwechsel am Freitag sprach, drückten ihr Misstrauen gegenüber der IG Metall aus. Sie berichteten schon jetzt von Ungereimtheiten und Verwirrung bei der Abstimmung und vermuteten ebenso wie Gerhard Bücker, dass es bei der Auszählung nicht mit rechten Dingen zugehen wird.

Siehe auch:
Weißes Haus betreibt Insolvenz von General Motors
(17. April 2009)
Gewerkschaft fordert Verzicht auf Tariferhöhung
( 11. April 2009)
Loading