Hoesch Spundwand und Profile vor dem Ende

Folgen der Fusionswelle in der Stahlindustrie

Die Dortmunder HSP, eines der größten Walzwerke der Welt für schwere Spezialprofile, steht möglicherweise vor dem Aus.

Das 1909 gegründete Hüttenwerk stellt heute noch Spundbohlen, die zum Kanal- und Hafenbau gebraucht werden, und andere Profile her. Es soll nach dem Willen des Thyssen-Krupp-Konzerns geschlossen oder verkauft werden. Als 1997 Thyssen und Krupp-Hoesch fusionierten, war HSP mit 670 Mitarbeitern aus der Krupp-Hoesch Stahl AG ausgegliedert worden.

Bergbaustahl, eine 100%ige Tochter der HSP - dort wurden Profile für Bergwerke weiterverarbeitet - wurde schon 1996 geschlossen und damit knapp 100 Arbeitsplätze vernichtet. Die Ursachen für die Schließung waren der Niedergang des Steinkohlenbergbaus und das damit verbundene Zechensterben.

Nun soll auch HSP verkauft oder, wenn sich kein Käufer findet, gleich geschlossen werden. Als mögliche Käufer sind die Arbed in Luxemburg, British Steel oder Peine Salzgitter in Gespräch. Arbed als der größte Hersteller von Spundbohlen hat eine hochmoderne Anlage mit vorgestelltem Stahlwerk und ist in der Lage, die 200.000 Tonnen Jahrestonnage der HSP sofort zu übernehmen. Auch dies würde für HSP ein schnelles Aus bedeuten.

British Steel produziert ebenfalls Spundbohlen, aber nicht die Hoesch Z-Bohlenreihe. Peine Salzgitter, eine Delegation des Vorstandes hat HSP schon besucht, ist ebenfalls interessiert, aber dieses Unternehmen stand selbst schon kurz vor der Übernahme durch Arbed. Nur ein Eingreifen der Landesregierung in Niedersachsen unter Schröder hatte dies verhindert.

In den letzten Jahren hatte die HSP immer Gewinne gebracht und sogar einen riesigen Schuldenberg von 250 Millionen DM fast vollständig abgebaut. Mit dieser Schuldenlast war die HSP nach dem Aufkauf der Hoesch AG durch Krupp belastet worden, um die Übernahme zu finanzieren. Allein im Jahre 1995 konnten noch zusätzlich 40 Millionen DM Gewinn zum Konzern überwiesen werden.

Grundlage dieser hohen Gewinne waren äußerst niedrige Löhne der Arbeiter und eine hohe Rendite im Spundwandgeschäft in Deutschland. Doch durch Haushaltskürzungen bei den Ländern und den Verfall der Stahlpreise auf dem Weltmarkt, bedingt durch die Krisen in Asien und Osteuropa, ist mittlerweile nicht nur das Auftragsvolumen, sondern auch der Profit gefallen.

Gleichzeitig setzen die Banken und Aktienfonds den Vorstand von Thyssen-Krupp enorm unter Druck. Schulz, der Vorstandsvorsitzende, erklärte einer Delegation der Betriebsräte von HSP, die Banken verlangten, daß die TKS (Thyssen Krupp Stahl AG )-Aktie von derzeit 25 Euro auf 50 Euro steigen müsse, um an den Aktienmärkten lukrativ zu sein.

Auf diesen Druck reagierte der Vorstand und beschloß in einem ersten Krisenprogramm, sich von allen Werken im Konzern zu trennen, die nicht genug Profit erbringen - d.h. mindestens eine Rendite von 20 und mehr Prozent auf das eingesetzte Kapital. Mit dieser Vorgabe stehen nun eine Vielzahl von Werken vor dem Ende, unter anderem Hoesch Hohenlimburg und die Krupp-Edelstahlprofile.

Obwohl in den letzten Jahren in all diesen Werken Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut wurden und immer noch werden und die Produktivität, sprich die Arbeitshetze enorm gesteigert wurde, reichten diese Maßnahmen nicht aus, um die Vorgaben der internationalen Finanzmärkte nach Höchstprofiten zu befriedigen.

Schon bei der Übernahme der Hoesch AG durch Krupp wurden 45.000 Arbeitsplätze vernichtet, im Zuge der Fusion Krupp-Thyssen soll schließlich die Belegschaft von heute 180.000 auf ca. 100.000 Mann schrumpfen.

Wie ist es möglich, Zehntausende von Arbeitsplätzen zu vernichten, ohne auf den erbitterten Widerstand der Arbeiter zu stoßen? Das Management griff auf die Dienste der Gewerkschaftsbürokratie und ihrer Betriebsräte zurück.

1997 war es Klaus Zwickel, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall, der die Fusion Thyssen-Krupp zur Chefsache erklärte und ebenso mit am Tisch saß wie Harald Schartau, Bezirksbevollmächtigter der IGM und gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied im neuen Konzern.

Für die SPD war es Wolfgang Clement als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und nicht zuletzt die Betriebsräte Kroll (Thyssen), Ring (Krupp) und Nass (Hoesch) mit ihren Aufsichtsratsmandaten. Alle waren sie sich mit Vorstand und Bankern einig: die Fusion sei notwendig, damit TKS ein Global Player werde und auf dem Weltmarkt bestehen könne. Als Bonbon konnten diese Herren, die das Goldene Kalb Kapitalismus umtanzen, noch ihre eigenen fetten Pfründe erhalten und ausbauen.

Welche Rolle spielen IGM, Betriebsrat, SPD und ihre kleine Hilfstruppe MLPD (Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands) bei HSP?

Nach Bekanntgabe durch Prof. Schulz, daß die HSP verkauft werden solle - Schulz weilte zu dieser Zeit in Dortmund, um beim Rat der Stadt über die Ersatzarbeitsplätze zu reden, die für die Schließung der Westfalenhütte versprochen worden waren und sich partout nicht einstellen wollen -, rief der Betriebsrat von HSP zu einer außerordentlichen Betriebsversammlung auf.

Anwesend waren dort Schartau für die IG Metall und Hendriks vom Vorstand der Thyssen Krupp Stahl AG. Auf die Empörung der Belegschaft über die Verkaufspläne für HSP reagierte Hendriks mit scheinbarem Unverständnis. Hilfesuchend wandte er sich an Schartau und erklärte, daß doch bereits in den Fusionsgesprächen klar gewesen sei, daß sich der Konzern von Stahllangprodukten und damit auch von HSP trennen wollte.

Damit wurde offen, daß die IGM, deren Vertreter an diesen Gesprächen beteiligt gewesen waren, genau gewußt hatte, daß das Ende von HSP bevorstand. Die Führung des Betriebsrates schwieg dazu, was nur als ein Eingeständnis ihrer Mitwisserschaft interpretiert werden kann.

Die Mehrheit des Betriebsrates verfiel nun in den wohlbekannten Aktionismus, um wie üblich hinter lautem Protestgetöse den Ausverkauf fortzusetzen. Es wurden Autocorso, Presseerklärungen und laufende Betriebsversammlungen abgehalten, demagogische Reden gehalten und vom Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze gesprochen. Gleichzeitig wurde aber ein Sozialplan mit der Geschäftsleitung ausgehandelt, der den Abbau von 104 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2002 vorsieht. Zudem wurde eine Abfindungsaktion der Geschäftsleitung, die bisher eine sehr schwache Resonanz gehabt hatte, nun zu einem Renner und gleich mit in den Sozialplan eingebaut. Die Geschäftsleitung erklärte daraufhin die Abfindungsaktion in ihrer bisherigen Form für beendet, da ansonsten die Produktion nicht mehr zu gewährleisten sei. Mit anderen Worten: wer jetzt auf einen anderen Job abspringt, erhält keine Abfindung mehr.

Das Hauptargument der Mehrheit des Betriebsrates ist nicht die Verteidigung der Arbeitsplätze, sondern die Forderung nach Investitionen für HSP. Sollten entsprechende Pläne verwirklicht werden, so würden sie den Abbau weiterer 50 bis 70 Arbeitsplätze und weitere Produktivitätssteigerungen nach sich ziehen. Am Beispiel der nahegelegenen Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund wird außerdem anschaulich, daß auch Investitionen überhaupt kein Garant für die Zukunft sind. Kaiserstuhl ist die modernste Anlage der Welt und kostete 1,07 Milliarden DM. Dennoch steht sie aufgrund der billigen Weltkoksmarktpreise vor der Schließung.

Plötzlich bekunden eine Reihe prominenter Sozialdemokraten ihr Interesse für die HSP, zum Beispiel Langemeyer, der Oberbürgermeisterkandidat der SPD. Er war bei den Gesprächen mit Schulz im Ältestenrat der Stadt dabei, als es auch um den Verkauf von HSP ging. Ein anderer, der sein Herz für die Arbeiter entdeckt, ist MdB Urbaniak von der SPD. Er sitzt im Aufsichtsrat von Orenstein und Koppel, einem ehemaligen Krupp-Unternehmen, das in den letzten Jahren allein 3000 Arbeitsplätze abbaute. Selbst der OB-Kandidat Mohr der Grünen will sich nun für HSP einsetzen, obwohl sich seine Partei gerade zur neuen Wirtschaftspartei mausert.

Die MLPD gibt sich sehr kämpferisch und ruft wie stets zur "Einheit" aller Belegschaften in den betroffenen Werken im TKS-Konzern und zum gemeinsamen Kampf auf. Unter dieser Parole propagiert sie die Einheit der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre, also eben genau jener Gruppe, die für die ganze Misere verantwortlich und seit Jahrzehnten als Handlanger des Konzernvorstands tätig ist.

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist HSP und damit die Arbeitsplätze nicht zu retten. Ob Verkauf oder nicht, die Belegschaft wird die Zeche zahlen: entweder mit dem Verlust sämtlicher Arbeitsplätze im Falle einer Schließung oder mit Personalabbau, Arbeitshetze und einer drastischen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

Ohne einen politischen Kampf gegen die Verteidigung des Profitsystems seitens der Gewerkschaftsbürokratie wird sich die Spirale aus Arbeitsplatzabbau und immer schlimmeren Bedingungen für die verbleibenden Restbelegschaften erbarmungslos weiter drehen.

Siehe auch:
Arbeitsplatzabbau bei der fusionierten Thyssen Krupp Stahl AG
(20. Oktober 1998)
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