Die Veröffentlichung der sogenannten "Road Map" für den Nahen Osten am 30. April - der offizielle Titel lautet "ein leistungsabhängiger Fahrplan für eine dauerhafte Zwei-Staaten Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts" heißt - sollte auch die naivsten Illusionen zerstören, Washington habe die ernsthafte Absicht, als ehrlicher Makler zwischen Israel und den Palästinensern aufzutreten.
Die Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts mit Hilfe der USA wurde in Aussicht gestellt, um es verschiedenen arabischen Regimes zu erleichtern, ihre Unterstützung für den Krieg gegen den Irak vor ihren Untertanen zu rechtfertigen. Der britische Premier Tony Blair war besonders darauf erpicht, von Präsident George W. Bush die Zusage für eine solche Garantie zu erhalten; so konnte er behaupten, die USA verfolgten im Nahen Osten menschenfreundliche und keine räuberischen Absichten. Bush hatte sich auf dem Azorengipfel im März, unmittelbar vor dem Beginn der Angriffe auf den Irak durch die "Koalition der Willigen" für die eventuelle Schaffung eines Palästinenserstaates ausgesprochen.
Die Umstände, unter denen der Friedensplan schließlich veröffentlicht wurde, und sein Inhalt zeigen, dass es den USA bei der Palästinenserfrage ebenso wie beim Krieg gegen den Irak darum geht, ihre Stellung als Vormacht im Nahen Osten zu konsolidieren. Anders als bei früheren derartigen Initiativen wurde der Plan vorgestellt, ohne dass der Präsident in Erscheinung trat und ohne dass Palästinenser und Israelis zu einer Versöhnungsgeste ins Weiße Haus eingeladen wurden. Die Londoner Financial Times berichtete zutreffend: "Er [der Plan] wurde heimlich aus der Hintertür des Pressebüros des Weißen Hauses geworfen."
Die israelische Reaktion war rasch und unmissverständlich. Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Friedensplans unternahm die israelische Armee mehrere Operationen auf der Westbank und im Gazastreifen. Am verheerendsten war die vom 1. Mai in der Stadt Gaza, die zwölf Menschenleben forderte, darunter das des führenden Hamas-Mitglieds Jusef Abu Hein und seiner zwei Brüder und drei Kinder - eins davon erst zwei Jahre alt.
Der Friedensplan wurde erst veröffentlicht, nachdem die USA den Palästinensern die erste Stufe teilweise aufgezwungen hatten - eine "umfassende politische Reform". Übersetzt bedeutet das, dass der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, abgesetzt oder beiseite gedrängt und ein Regime installiert wird, das bereit ist, Washingtons Forderungen zu erfüllen.
Arafat wollte zwar um jeden Preis zu einem Abkommen mit Israel kommen, wie seine Unterschrift unter das Abkommen von Oslo 1993 gezeigt hatte. Aber sowohl Tel Aviv als auch Washington wollten ihn entfernen, weil er sich anschließend den israelischen Bemühungen widersetzte, das Oslo-Abkommen umzuschreiben, um das Gebiet für einen Palästinenserstaat zu verkleinern und die massive Ausweitung der zionistischen Siedlungen auf der Westbank und im Gazastreifen zu legalisieren. Arafats Schicksal war besiegelt, als es ihm nicht gelang, die Intifada zu unterdrücken, die im September 2000 als Reaktion auf den provokativen Besuch des Likud-Führers Ariel Sharon in der Al-Aksa Moschee und im Felsendom auf dem Tempelberg ausbrach.
Der von Washington befürwortete Ersatz für Arafat ist Mahmoud Abbas - bekannt als Abu Mazen - ein Geschäftsmann und Berater der Herrscher von Katar, der auf dem rechten Flügel von Arafats Fatah steht und die Gespräche leitete, die zum Osloer Abkommen führten.
Seine Ernennung zum Ministerpräsidenten wurde von Washington unterstützt und bei der Amtsübernahme versprach er, den Terrorismus "von jeder Seite und in jeder Form und Gestalt" zu bekämpfen; ebenso seine Kabinettsliste - insbesondere die Ernennung von Muhammad Dahlan als Chef der Sicherheitsdienste, weil dieser erklärtermaßen bereit ist, militante Palästinensergruppen gewaltsam zu zerschlagen.
Erst als Abu Mazen im Amt war, wurde der Friedensplan bekannt gegeben. Ein nicht genannter Vertreter von Bush versorgte die Presse mit Hintergrundinformationen über Washingtons Absichten: "Wir sagen den Leuten, dass dies der Moment ist, Abu Mazen aufzubauen, und es untergräbt dieses Ziel, wenn man Arafat behandelt, als sei er immer noch der Verantwortliche. Dies kann und wird nicht geschehen."
Was den Plan selbst angeht, so bietet er den Palästinensern kaum etwas anderes als eine Reihe von Forderungen, jeden Kampf gegen die israelische Besetzung aufzugeben und zu unterdrücken. Er sieht drei Phasen vor, die in der Gründung eines Palästinenserstaats im Jahr 2005 gipfeln.
"Das Quartett" - die Vereinigten Staaten, die Europäische Union, die Vereinten Nationen und Russland - entscheidet, ob jeder einzelne Schritt erfolgreich abgeschlossen ist. Aber jeder Schritt ist zunehmend unklarer definiert und es wird keine Definition gegeben, woraus ein Palästinenserstaat bestehen wird. Aus dem allgemeinen Grundton des Dokuments zu schließen, kann es sich nur um ein Bantustan im Apartheid-Stil handeln, das in hohem Maße seinem mächtigeren israelischen Nachbarn unterworfen und Washington mehr oder weniger direkt Rechenschaft schuldig ist.
Die erste an die palästinensische Autonomiebehörde gerichtete Forderung besteht darin, militante Gruppen wie Hamas, Islamischer Jihad und die Fatah-eigene Al-Aksa-Brigade zu unterdrücken. In dem Dokument heißt es: "Eine Zwei-Staaten-Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts wird nur durch ein Ende der Gewalt und des Terrorismus erreicht werden, wenn das palästinensische Volk eine Führung haben wird, die entschieden gegen den Terror vorgeht."
Phase Eins beginnt mit einem sofortigen und bedingungslosen Gewaltverzicht auf Seiten der Palästinenser, "sichtbaren Anstrengungen bei der Inhaftierung, Behinderung und Beschränkung von Personen und Gruppen, die gewaltsame Angriffe auf Israelis, wo immer es sei, durchführen und planen", sowie "effektiven Operationen gegen alle, die sich am Terror beteiligen, und der Zerstörung der terroristischen Kapazitäten und Infrastruktur."
Die "umorganisierten/neu ausgebildeten palästinensischen Sicherheitskräfte" sollen gemeinsam mit den israelischen Streitkräften Sicherheitsoperationen durchführen, "an denen sich US-Sicherheitsbeamte beteiligen".
Dies alles soll schon Ende dieses Monats umgesetzt werden!
Erst wenn Washington der Meinung ist, ein derart massives Durchgreifen der Sicherheitskräfte habe Erfolg gezeigt, muss Israel mit dem "progressiven Rückzug" seiner Truppen beginnen - und dann auch nur aus den Gebieten, die nach dem 28. September 2000, dem Beginn der Intifada, besetzt wurden - und jede weitere Siedlungstätigkeit einstellen.
Phase Zwei soll sich auf die "Option der Bildung eines unabhängigen Palästinenserstaates" konzentrieren, der jedoch nur "provisorische Grenzen" und "Attribute der Souveränität" haben wird, die durch das "einvernehmliche Urteil des Quartetts (der Vierergruppe)" bestimmt werden. Und dies erst nach palästinensischen Wahlen, von denen erwartet wird, dass sie Arafat und alle anderen Gruppen, die den Diktaten aus Washington feindlich gegenüber stehen, weiter an den Rand drängen werden.
Das Schicksal der Palästinenser wird im Dokument außerdem daran gebunden, dass "das Ziel eines umfassenden Nahostfriedens (auch zwischen Israel und Syrien und Israel und dem Libanon)" erreicht sein wird.
Phase Drei, eine "Resolution über den abschließenden, permanenten Status im Jahr 2005", soll schließlich alle noch offenen Fragen über Grenzen, die Souveränität über Ostjerusalem, Siedlungen und die Frage regeln, ob die beinahe vier Millionen palästinensischen Flüchtlinge in die Gebiete zurückkehren dürfen, aus denen sie 1948 vertrieben worden waren. Über keine dieser Fragen wird mehr gesagt als dass eine "gerechte, faire und realistische Übereinkunft" getroffen werden müsse.
Auf den ersten Blick ist es unerklärlich, dass man ein derartiges Hexengebräu im Ernst als einen realistischen Lösungsplan für den israelisch-palästinensischen Kampf ausgeben konnte. Seine Bedingungen sind für die Palästinenser weit beschwerlicher als alles, was im Osloer Abkommen enthalten war, und die möglichen Belohnungen, die er beinhaltet, sind wesentlich weniger attraktiv. Unter keinen Umständen könnte ein palästinensisches Gebilde, das auf den Grundlagen dieses Dokuments entsteht, auch nur den Anschein von Unabhängigkeit erwecken. Es würde keinerlei territoriale Unverletzlichkeit genießen, sondern weiterhin von den israelischen Streitkräften als faktisches Gefangenenlager für eine eingesperrte Bevölkerung unter Kontrolle gehalten werden.
Dieser Friedensplan konnte nur von einer Regierung vorgelegt werden, die, trunken von ihrer eigenen Macht, der Meinung ist, nach der militärischen Niederwerfung des Irak könne sie tun, was ihr passt..
Als er veröffentlicht wurde, befand sich Außenminister Colin Powell auf dem Weg nach Damaskus, um Syrien seine Bedingungen zu diktieren und zu verlangen, dass jede Unterstützung der Hisbollah eingestellt wird. Er verkündete, der Sturz Saddam Husseins habe eine "neue strategische Situation" in der ganzen Region geschaffen, und warnte Syrien vor "düsteren Konsequenzen", falls es sich nicht danach richte. Powell soll von der Arabischen Liga und der Europäischen Union verlangt haben, die Umsetzung der Vorschläge des Friedensplans durch die Palästinensische Autonomiebehörde zur Bedingung für die Auszahlung von Millionen Dollar an Subventionen zu machen.
Dieselbe Veränderung der "strategischen Situation" dient als Grundlage für den Versuch der USA, dem palästinensischen Volk ihr Diktat aufzuzwingen und es zu zwingen, die Vorherrschaft eines israelischen Regimes zu akzeptieren, dass selbst die Schaffung eines nicht lebensfähigen palästinensischen Mini-Staats ablehnt.
Die Palästinenser werden sich unvermeidlich gegen eine solche US-inspirierte Lösung wehren. Wenn Abu Mazen versuchen sollte, Hamas und andere Gruppen zu unterdrücken, wird er auf entschlossenen Widerstand treffen. Er hat keine Basis im Volk und wird weithin als Werkzeug der USA und Israels betrachtet.
In den USA beurteilen die Falken der republikanischen Partei Powells Reaktion auf die Vernichtung des Irak im besten Fall als schwach und im schlimmsten Fall als Verrat an den nationalen Interessen der USA. Der Abgeordnete Tom DeLay, Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, bezeichnete den Plan als gefährlich für Israel und seine Befürworter als "Neo-Beschwichtiger". Newt Gingrich, der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses, sagte, das Außenministerium unter Powell verfolge eine Politik der "Anpassung... die unübersehbar alle Früchte des hart errungenen Sieges in der Region wieder verspielt".
Scharon spekuliert darauf, dass er genug Unterstützung in Washington hat, um jede Verhandlungslösung zu torpedieren, die israelische Zugeständnisse erfordert. Von der Mehrheit seines Kabinetts ist bekannt, dass es jeden palästinensischen Staat, in welcher Form auch immer, ablehnt, wobei einige sogar unverhüllt für eine ethnische Säuberung der Westbank und des Gazastreifens eintreten, um ein "Groß-Israel" zu schaffen.
Benny Elon, Führer der Moledet Partei und Tourismusminister in Scharons Kabinett, schlägt als Alternative zu dem Plan - den er "unpraktikabel" nennt - die zwangsweise "Übersiedlung" der palästinensischen Bevölkerung aus den besetzten Gebieten nach Jordanien vor, das dann zu einem palästinensischen Staat unter der Herrschaft der haschemitischen Monarchie erklärt werden könnte.
Die Palästinensische Autonomiebehörde nannte Elon "eines der gefährlichsten Regime", das genauso zerstört werden müsse, wie "die bösen Regime der Taliban und Saddam Husseins zerstört wurden". Scharon wies Elon zwar zurecht, als dieser seinen Plan vergangene Woche in den USA vorstellte, aber er erfreut sich in der regierenden Rechtskoalition beträchtlicher Sympathie.
Selbst die offizielle israelische Reaktion auf den Plan bestand nicht in viel mehr als einer Aufzählung von Vorbehalten. Tel Aviv betonte, dass Israel an gar nichts gebunden sei, solange es nicht zur Auffassung gelange, die Palästinenser hätten die Gewalt beendet. Es wies auch jeden Zeitplan zurück und schlug vor, dass nur die USA für die Überwachung von Sicherheitsfragen verantwortlich sein sollten. Sprecher forderten von den Palästinensern, auf das "Recht auf Rückkehr" zu verzichten, und sagten, es werde keinen "überstürzten Truppenrückzug" geben. Die einzigen Siedlungen, deren Aufgabe möglicherweise in Betracht käme, seien zwei Außenposten nahe Hebron; insgesamt gibt es über hundert mit einer Bevölkerung von 200.000 rechten Fanatikern. Es braucht nicht weiter erwähnt zu werden, dass die Aufgabe des arabischen Ostjerusalem als Hauptstadt eines neuen palästinensischen Staates nicht einmal in Betracht gezogen wird.
Gegenüber Haaretz sagte Scharon am 14. April: "Der Irakkrieg hat uns für unseren Umgang mit den Palästinensern eine Chance gegeben, die wir nicht verpassen dürfen." Er prahlte, er habe Präsident Bush "schon mehrmals gesagt: Ich habe, wenn es um die Sicherheit Israels geht, weder in der Vergangenheit Zugeständnisse gemacht, noch werde ich heute oder in der Zukunft Zugeständnisse machen."
Darüber hinaus, sagte er, sei zwar vielleicht das Thema Irak abgehakt, aber "der Iran unternimmt große Anstrengungen, Massenvernichtungswaffen herzustellen und ballistische Raketen zu produzieren... Libyen versucht alles, um an Atomwaffen zu kommen," und "auch Saudi Arabien unterstützt verbotswidrig hiesige Terrororganisationen". Unausgesprochen deutete er an, die USA müssten sich nach einer Erholungsphase auch mit diesen Ländern befassen.
Scharons rechtsextreme Koalitionspartner von der Nationalreligiösen Partei waren weniger diplomatisch. Ihre Zeitschrift Hatzofeh kommentierte am 20. April: "Nein, verehrter Präsident der Vereinigten Staaten, Ihre Initiative, die Terroristen auch noch zu belohnen, ist für uns nicht akzeptabel."
Andere führende Sprecher der Zionisten waren ebenso ablehnend. Der erste Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, Isi Leibler, schrieb in der Likud-freundlichen Jerusalem Post : "Es gibt also keinen Grund, warum Israel den Plan in seiner gegenwärtigen Form akzeptieren sollte.... Auf internationaler Ebene kann Israel niemals die perfiden Europäer oder die handlungsunfähige UN, die von Tyrannen und von Regierungen dominiert werden, deren Voreingenommenheit gegenüber Israel in den vergangenen Monaten ungeahnte Höhen erreicht hat, als ehrliche Makler akzeptieren." Ungeachtet seiner offiziellen Äußerungen stimmt Scharon im Wesentlichen mit diesem Standpunkt überein.
Nach den israelischen Überfällen der vergangenen Woche sagte der Chefunterhändler der Autonomiebehörde, Saeb Erekat, Israel reagiere auf die Veröffentlichung des Plans mit dem Einsatz von Panzern. Scharons Vorgehen bestehe schon seit langem darin, durch blutige Provokationen Reaktionen militanter palästinensischer Gruppen auszulösen. Mit diesen würden wiederum noch schärfere Maßnahmen der israelischen Armee gerechtfertigt, "um neue Fakten vor Ort" zu schaffen, die seinem vorrangigen Ziel eines Groß-Israel dienlich sind.