Nachdem General Motors, Ford und Chrysler im letzten Jahrzehnt in den USA eine Viertel Million Arbeitsplätze vernichtet haben, planen sie jetzt, bis 2015 35.000 neue Arbeiter in ihren amerikanischen Fabriken einzustellen, berichtete ein führender Industrieanalyst kürzlich.
Seit der Umstrukturierung der Automobilindustrie durch die Obama-Regierung im Jahr 2009 sind die Profite der drei großen Autohersteller stark gestiegen und haben 2010 elf Milliarden US-Dollar erreicht. Dies wurde nicht durch eine merkliche Zunahme der Verkäufe oder höhere Marktanteile erreicht, sondern durch einen historischen Angriff auf die Löuhne und Arbeitsbedingungen der Automobilarbeiter, der mit voller Unterstützung und der Zusammenarbeit der Autoarbeiter-Gewerkschaft (United Auto Workers, UAW) durchgeführt wurde.
Entsprechend dem aktuellen UAW-Tarif werden die neuen Arbeiter weniger als 15 US-Dollar die Stunde bekommen, die Hälfte des herkömmlichen Lohns der Autoarbeiter, und immer mehr werden auf den Status von Zeitarbeitern zurückgestuft. Diese Arbeiter können beliebig entlassen werden.
Im Vorfeld der Gespräche über einen neuen Tarifvertrag in diesem Sommer, der 114.000 Arbeiter betrifft, hat die UAW ihre Bereitschaft signalisiert, die Zahl der Arbeiter, die fast Armutslöhne der „Stufe zwei“ erhalten, zu erhöhen, darunter auch derzeit beschäftigte Arbeiter, denen die Löhne um 50 Prozent gekürzt würden.
Die drastische Senkung der Löhne in der Produktion war und ist ein wichtiges politisches Ziel der Obama-Regierung, die billige Arbeitskräfte zusammen mit dem sinkenden Wert des Dollars als Mittel ansieht, die US-Exporte auf dem Weltmarkt zu erhöhen. Wichtige Exporteure wie General Electric, Caterpillar und Boeing sind dem Beispiel der Automobilfirmen gefolgt und haben Niedrigstlöhne und -sozialleistungen für Neueingestellte durchgesetzt oder arbeiten daran, sie durchzusetzen.
Nachdem sie jahrelang Arbeitsplätze nach Mexiko, Süd-Korea und andere Niedriglohnländer ausgelagert haben, holen Detroits Automobilhersteller einen Teil der Produktion zurück in die USA, wo sie der UAW die Aufgabe übertragen, für Disziplin zu sorgen, die Produktion zu beschleunigen und die Lohnkosten zu senken.
Die Automobilunternehmen planen ihre Aktivitäten in Michigan zu konzentrieren – dem Hauptquartier der UAW – wo Massenarbeitslosigkeit ein großes Reservoir an verzweifelten Arbeitern geschaffen hat, die bereit sind für 15 Dollar die Stunde zu arbeiten. Die historische Umkehrung der Struktur, die in der zweiten Hälfte das 20. Jahrhunderts geschaffen worden war, zeugt von der Verwandlung der UAW.
Nach den großen Sitzstreiks Ende der 1930er Jahre, welche die UAW in den großen Automobilfirmen etablierte, machten sich die Auto-Bosse daran, die Produktion von Michigan und dem mittleren Westen wegzuverlegen, um den Einfluss der UAW zu schwächen. Jetzt konzentrieren sie die Produktion im Heimatstandort der Organisation, um den größtmöglichen Nutzen aus deren Diensten zu ziehen; denn in der Zwischenzeit ist die UAW gänzlich damit beschäftigt, den Klassenkampf zu unterdrücken und die Ausbeutung der Arbeiter zu erhöhen.
Die Wachstumsstrategie der Führungskräfte der UAW besteht darin, die Auto-Bosse dazu zu bringen, Arbeitsplätze – und damit mehr Gewerkschaftsbeiträge für sich - zurück nach Amerika zu holen, indem sie die Löhne der Arbeiter in anderen Ländern unterbietet. Gleichzeitig appelliert die UAW an die europäischen und asiatischen Autohersteller, sie in ihre nicht gewerkschaftlich organisierten Fabriken in den USA zu lassen, indem sie erklärt, sie werde eine höhere Produktivität und höhere Profite garantieren.
Laut italienischen Medienberichten plant Fiat, das bald eine Mehrheitsbeteiligung an Chrysler besitzen wird, die Produktion mehrerer Modelle, die gegenwärtig in Italien produziert werden, nach Nordamerika zu verlegen, um die Produktionskosten zu senken. Als Folge davon plant Fiat, 5.000 Arbeitsplätze oder ungefähr 16 Prozent seiner einheimischen Belegschaft von 30.000 in Italien abzubauen.
Anfang des Jahres zwang Fiat die Arbeiter in seiner Vorzeigefabrik in Mirafiori nahe Turin, durch Erpressung einen Arbeitsvertrag nach amerikanischem Zuschnitt zu akzeptieren. Das Abkommen unterhöhlt das Streikrecht, führt 10-Stunden-Schichten ein und verdreifacht die Zahl der obligatorischen Überstunden.
„Es ist ein Vergnügen mit den US-Gewerkschaften zu verhandeln“, erklärte der Vorstandsvorsitzende von Fiat und Chrysler, Sergio Marchionne, kürzlich. „Von Seiten der UAW gab es keine Einwände dagegen, Chrysler in ein konkurrenzfähiges Unternehmen auf Weltebene zu verwandeln.“ Er verglich das mit Italien, wo aufgrund von „historischen und ideologischen Gründen die Menschen sich nicht mit diesem neuen Plan von Fiat identifizieren“.
UAW-Präsident Bob King gab das Lob des Auto-Bosses zurück und erklärte: „Die Beziehungen zu Marchionne sind außerordentlich positiv, wir glauben sehr an ihn.“ King ließ dem reaktionären Nationalismus, der die Gewerkschaftsführung kennzeichnet, freien Lauf und fügte hinzu: „Ich lasse mich nicht auf die Frage von Mirafiori ein. Ich würde es auch nicht wollen, dass eine italienische Gewerkschaft zu uns kommt und uns sagt, was wir machen sollen.“
Im Namen der „Rettung amerikanischer Arbeitsplätze“ – d.h. des Einkommens für den Gewerkschaftsapparat in Form von Beiträgen – setzt die UAW Maßstäbe für den Wettlauf der Arbeiter nach unten überall in der Welt-Automobilindustrie. Es gibt kein Zugeständnis, das die UAW nicht machen würde, um die Profite der amerikanischen Autofirmen zu erhöhen.
Dies wurde in der Resolution deutlich, welche die UAW-Tarifkommission im letzten Monat in Detroit verabschiedet hat:
„Um den Erfolg unserer Unternehmen zu fördern, engagiert sich die UAW für Innovation, Flexibilität, schlanke Produktion, allerbeste Qualität und kontinuierliche Verbesserung bei den Kosten ... Wir befinden uns auf einem Weg, der nicht mehr von einem feindlichen Arbeitsumfeld ausgeht, mit strengen Betriebsordnungen, eng gefassten Einstufungen oder komplizierten Vertragsregelungen.“
Um die Sache noch deutlicher zu machen, erklärt die Resolution dann:
„Die UAW verspricht, sich als Institution dem Erfolg des Unternehmens zu verpflichten, wenn die Arbeiter sich für die Vertretung durch die Gewerkschaft entscheiden, und dass wir unsere Mitglieder ermutigen werden, sich aktiv für den Erfolg des Unternehmers zu engagieren.“
Diese Aussage beschreibt die UAW als korporatistisches Instrument der Automobilfirmen, das in keiner Weise für die Interessen der Autoarbeiter spricht oder sie vertritt. Sie liest sich wie eine Sklaven-Charta, wobei die UAW ihre Dienste als Pro-Forma-Vorgesetzter und Leiharbeitsfirma anbietet.
In der Resolution macht sich die UAW die Forderungen der Automobilunternehmen nach einem „Gewinnbeteiligungs“-Plan zu eigen, der die Löhne an die Produktivität, Qualitätssteigerungen und die Unternehmensprofite bindet, und sie schlägt vor, diese Maßnahmen auf andere Bereiche der Wirtschaft auszudehnen. Ähnlich dem verhassten Stücklohnsystem, für dessen Abschaffung die Arbeiter vor mehr als einem halben Jahrhundert gekämpft hatten, würde die Gewinnbeteiligung zu Arbeitshetze und zu vermehrten Unfällen führen, weil die Arbeiter miteinander konkurrieren, um die Ziele zu erreichen.
Es gibt eine gewisse gesellschaftliche Trägheit in Bezug auf Namen und Begriffe. Das Wort „Gewerkschaft“ beschwört auch weiterhin Bilder von Kampf und die Vorstellung von Solidarität herauf. Aber davon haben sich die UAW und die übrigen offiziellen Gewerkschaften schon seit langem verabschiedet.
Die UAW ist ein Unternehmen mit einem beträchtlichen Aktienpaket an den Automobilunternehmen. Sie wird von reichen Führungskräften kontrolliert. Sie profitieren von der Verelendung und der Ausbeutung der Autoarbeiter, die gezwungen sind, in Form von Gewerkschaftsbeiträgen ihren Tribut zu entrichten.
Laut den Angaben der Organisation vom letzten Monat gegenüber dem Arbeitsministerium, besitzt die UAW ein Vermögen von 1,13 Milliarden US-Dollar. Im letzten Jahr zahlte sie 3,4 Millionen US-Dollar an ihre 24 Top-Funktionäre – für durchschnittliche Gehälter von 142.000 Dollar (viereinhalb Mal soviel wie der Jahreslohn eines Neueingestellten mit 15 Dollar die Stunde) – und weitere 80 Millionen Dollar für die Gehälter und Nebeneinkünfte für zirka 1.000 Mitarbeiter, darunter Mitarbeiter und Organisatoren die 136.000 Dollar im Jahr verdienen. Hunderte von Funktionären auf Lokalebene, darunter Präsidenten, Vizepräsidenten und Finanzsekretäre stehen auch auf der Lohnliste und verdienen bis zu 128.000 Dollar im Jahr dafür, dass sie den Widerstand gegen die Diktate des Managements unterdrücken.
Der Ausbruch von Kämpfen der Automobilarbeiter in Fremont, Kalifornien, Indianapolis und Lake Orion, Michigan, im letzten Jahr weist auf eine wachsende Auflehnung der Mitglieder gegen die UAW hin. Dies wird sich durch Zehntausende neue junge Arbeiter noch zuspitzen, die die UAW zu Recht als Gangster ansehen, denen sie für das Privileg, einen Job zu bekommen, einen Teil ihres mageren Lohns zahlen müssen.
Die Socialist Equality Party unterstützt und ermutigt die Rebellion der Arbeiter gegen diesen korrupten und reaktionären Apparat. Sie ist die Voraussetzung für einen ernsthaften Kampf gegen die Zerstörung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Arbeitsbedingungen.
Der erste Schritt ist der Aufbau von Komitees der einfachen Mitglieder, die von den Arbeitern demokratisch kontrolliert werden und völlig unabhängig von der UAW sind.
Der „Kauft amerikanisch“-Chauvinismus der UAW muss zurückgewiesen werden, und es müssen neue Formen des Kampfs entwickelt werden, um die amerikanischen Arbeiter mit den Arbeitern in Italien und überall auf der Welt in einem gemeinsamen Kampf gegen die globalen Automobilgiganten zu vereinigen.
Vor allen Dingen brauchen die Autoarbeiter eine neue politische Partei – die Socialist Equality Party –, um einen Kampf gegen das kapitalistische System und die zwei Parteien der Großindustrie, die Demokraten und die Republikaner, zu führen. Den Lebensunterhalt der Arbeiter in den USA und überall auf der Welt abzusichern, erfordert, die Industrie unter Arbeiterkontrolle zu stellen und die Wirtschaft sozialistisch umzugestalten, um die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen und nicht den privaten Profit.