Der deutsche Ableger des rassistischen Geheimbundes Ku-Klux-Klan (KKK) ist von einem V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes gegründet und geführt worden.
Nach einem Bericht des Tagesspiegel wurde die Organisation mit dem Namen „European White Knights of the Ku Klux Klan – Realm of Germany“ im Oktober 2000 von einem rechtsextremen Spitzel ins Leben gerufen. Kurze Zeit später sei der Mann in den USA von einer KKK-Gruppe zu einem internationalen Anführer, einem „Grand Dragon“, ernannt worden. Bis Anfang 2003 habe der deutsche Ableger existiert.
Doch damit nicht genug: Der V-Mann war nicht nur für den Landesverfassungsschutz tätig, sondern wurde offenbar auch von einem Kollegen gedeckt. Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes steht im Verdacht, ihm 2002 „anonym vertrauliche Informationen“ übermittelt zu haben. Konkret soll er ihn davor gewarnt haben, dass sein Telefon abgehört wird.
Der Ku-Klux-Klan reiht sich in eine lange Reihe rechtsextremer Organisationen ein, die mit staatlichen Geldern und durch Agenten der Geheimdienste aufgebaut wurden.
Schon von den NPD-Landesverbänden in Thüringen und Nordrhein-Westfalen ist bekannt, dass sie ohne die Finanzierung durch den Verfassungsschutz sich so nicht hätten entwickeln können. Mehrere Neonazis haben sich öffentlich damit gebrüstet, dass sie teils über Jahre Gelder des Verfassungsschutzes bezogen.
Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) wollte zwar nicht bestätigen, dass es sich beim Gründer der rechtsextremen Organisation um einen V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz handle. Allerdings bestritt er die Aussage auch nicht, sondern verwies auf die höchste Geheimhaltungsstufe, die es ihm unmöglich mache, entsprechende Medienberichte zu bestätigen.
Auch Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube lehnte es ab, die V-Mann-Tätigkeit des KKK-Gründers zu bestätigen. Die Identität von V-Leute müsse geschützt werden, sagte sie. „Wir reden hier vom Straftatbestand des Geheimnisverrats, da wollen wir uns nicht schuldig machen.“
Hatte Gall vor dem Innenausschuss noch bestätigt, dass ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes den KKK-Anführer vor Abhörmaßnahmen gewarnt hat, wollte er dies vor der Presse nicht wiederholen. Dass es solche Maßnahmen gegeben hat, gab er aber zu.
Wie inzwischen in solchen Fällen üblich, erklärten Gall und Bube, es handle sich um einen „Einzelfall“. Es gebe aus ihrer Sicht „keinen Anlass zu zweifeln, dass die Mitarbeiter im LfV korrekt und untadelig ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen und es gibt auch keinen Anlass für die Annahme, dass es ihnen an demokratischem Bewusstsein mangelt“, zitierte Die Welt Beate Bube.
Die enge Verflechtung von Staat und Ku-Klux-Klan wirft neue Fragen nach möglichen Verbindungen staatlicher Stellen zu den Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) auf. Zwischen KKK und NSU gibt es zahlreiche Berührungspunkte.
So wurden zwei der drei Mitglieder des NSU, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, bereits Mitte der 90er bei einer Kreuzverbrennung durch 20 Neonazis in der Nähe von Jena gesichtet. Tschäpe selbst besaß Fotos der Szene und gab der Staatsanwaltschaft persönlich Auskunft über die Anwesenden. Das war bevor Tschäpe, Böhnhardt und Uwe Mundlos in den Untergrund abtauchten und ihre Mordserie begannen.
Der Name eines anderen V-Manns, der in den Reihen des KKK unter dem Decknamen „Corelli“ agierte, fand die Polizei 1998 auf einer Adressliste, die Mundlos in einer Garage versteckt hatte.
Suspekt ist aber vor allem die Tatsache, dass zwei Mitglieder der relativ kleinen KKK-Gruppe in Baden-Württemberg unmittelbare Kollegen des letzten Mordopfers des NSU, der Polizistin Michèle Kiesewetter waren. Kiesewetter wurde im April 2007 erschossen, danach hörte die Tötungsserie des NSU abrupt auf.
Der Mord an einer deutschen Polizistin passt überhaupt nicht ins Täterschema des NSU. Alle anderen Morde hatten sich gegen Immigranten gerichtet und waren offensichtlich rassistisch motiviert. Bis heute gibt es keine plausible Erklärung, weshalb Kiesewetter ins Visier des NSU geriet. Hat die frühere KKK-Mitgliedschaft ihres Gruppenleiters und eines weiteren Kollegen dabei eine Rolle gespielt?
Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat sich inzwischen des Falles angenommen. Aufklärung ist von ihm aber nicht zu erwarten, da er von den Behörden systematisch blockiert wird und auch selbst wenig Interesse an einer Aufdeckung an den Tag legt. Schließlich sitzen alle im Ausschuss vertretenen Parteien irgendwo in der Regierung und sind selbst für Polizei und Verfassungsschutz verantwortlich.
Nur manchmal, wenn sie allzu öffentlich an der Nase herumgeführt werden, entfährt den Mitgliedern des Ausschusses ein wahres Wort. So stöhnte der FDP-Abgeordnete Hartfrid Wolff nach den neuen Enthüllungen über den KKK: „Gab es denn überhaupt Mitglieder, die nicht bei Polizei und Verfassungsschutz waren?“ Eine berechtigte Frage!
Die Behörden bemühen sich auch weiterhin, jede weitere Aufklärung zu unterbinden. Sie stellen nicht mehr zu leugnende Enthüllungen als „Fehltritte“, „Pannen“ und „Einzelfälle“ dar, erklären Akten, die weitere Aufklärung bringen könnten, für „geheim“ oder vernichten sie in Massen. Inzwischen weiß man, dass im Zusammenhang mit der NSU-Affäre weit mehr Akten vernichtet worden sind, als zunächst bekannt.
Im Juli war der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm zurückgetreten, nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass unmittelbar nach dem Auffliegen des NSU im November letzten Jahres zahlreiche Akten aus dem betreffenden Bereich unwiederbringlich vernichtet worden waren.
Aus einem der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorliegenden geheimen Bericht des Bundesinnenministeriums geht nun hervor, dass zwischen der Aufdeckung des NSU und dem Rücktritt Fromms nicht nur Ordner zu 26 Abhörmaßnahmen gegen Rechtsextremisten vernichtet worden sind, sondern auch 94 Personalakten, acht Sachakten aus dem Bereich Auswertung, 137 Akten der Forschung und Werbung sowie 45 Akten zu sogenannten „Gewährspersonen“ des Verfassungsschutzes.
Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsausschusses Klaus-Dieter Fritsche legte bei seinem Auftritt vor dem Bundestagsausschuss eine Arroganz an den Tag, die selbst die duldsamen Abgeordneten in Rage brachte. Er sagte ihnen unumwunden, dass sie nur dem Amt genehme Unterlagen erhalten, und erklärte sie mehr oder weniger unumwunden zum Sicherheitsrisiko.
Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) versicherte zwar, der Untersuchungsausschuss werde sämtliche Akten aller Verfassungsschutzbehörden bekommen. Doch viele Stellen werden geschwärzt sein. Die Klarnamen von V-Leuten dürften die Abgeordneten nicht erfahren, sagte Friedrich. Einen Einblick in „das operative Innere“ werde es nicht geben können. „Da geht es um Leib und Leben von Menschen. Da geht es auch um Staatswohl.“