Es vergeht gegenwärtig kein Tag, an dem der Chef-Kommentator der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, nicht gegen Russland hetzt und ein „schärferes Vorgehen“ gegen das Putin-Regime fordert. Am meisten versetzt ihn in Rage, dass seine Kriegshetze so wenig Resonanz in der Bevölkerung findet.
Am Donnerstagabend veröffentlichte der ARD-„Deutschlandtrend“ das Ergebnis einer Blitzumfrage über den Ukrainekonflikt. Danach lehnen 82 Prozent der Befragten den Einsatz militärischer Gewalt ab. Die Entsendung von US-Kriegsschiffen und F-16-Kampfflugzeugen in die Krisenregion hat die Anti-Kriegsstimmung weiter verstärkt.
Die Kommentare von Kornelius und einigen anderen sind darauf ausgerichtet, diesen Widerstand gegen Krieg zu brechen. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit der außenpolitischen Wende der Bundesregierung, die im vergangenen Monat erklärt hat, die Zeit der militärischen Zurückhaltung sei endgültig vorbei. Deutschland sei zu groß und wirtschaftlich zu mächtig, um sich in der Weltpolitik auf Zurückhaltung, militärisches Duckmäusertum und Trittbrettfahrerei zu beschränken. Ungeachtet von Millionen Kriegstoten und der Verbrechen der Nazi-Diktatur müsse Deutschland seine Interessen auch wieder militärisch weltweit verteidigen.
Die Zuspitzung der Krise in der Ukraine wird nun genutzt, um ein mediales Trommelfeuer gegen die weit verbreitete Antikriegshaltung abzufeuern.
Gestern überschrieb Kornelius einen Kommentar gegen die seiner Meinung nach viel zu schwachen und zögerlichen Sanktionsankündigungen der EU mit den Worten: „Wie Gift in den Blutkreislauf“. Die Wortwahl ist aufschlussreich. Denn seine unaufhörliche Propaganda für ein militärisches Eingreifen zielt darauf ab, das Gift des Militarismus in den Blutkreislauf der Gesellschaft zu pumpen.
Kornelius bezeichnet die europäischen Reaktionen als völlig ungenügend. Das Streben nach einer politischen Lösung des Konflikts werde von Putin als Schwäche aufgefasst. Die politischen Angebote an Moskau hätten die gegenteilige Wirkung, als beabsichtigt. Es sei doch längst „klar geworden, dass Putin auf politische Angebote pfeift“, schreibt Kornelius.
Dann betont er, der „Regelverstoß Russlands“ sei „derart eklatant, dass es schwerfällt, sich eine politische Lösung vorzustellen“. Er spricht es nicht aus, aber sein Ruf nach einer militärischen Lösung durchdringt jeden Satz.
Das russische Vorgehen ersticke „jede Hoffnung auf Vermittlung durch die Kraft der Argumente“, schreibt er. Dann warnt er vor der „Furcht vor einer weiteren Eskalation“ – wohlgemerkt: er warnt nicht vor einer weiteren Eskalation, sondern vor der Furcht davor – und endet mit der Aussage: „Wer die territoriale Integrität des Landes abschreibt, der kapituliert vor der Rohheit des Unrechts.“
Wo war die Verteidigung der „territorialen Integrität“ der Ukraine, als die Bundesregierung in den vergangenen Monaten rechtsradikale und offen faschistische Parteien finanzierte, aufbaute und ermutigte, gegen die gewählte Regierung in Kiew vorzugehen?
Kornelius gehört zu einer Gruppe von Journalisten, die in enger Verbindung zur US-Regierung stehen und seit vielen Jahren die amerikanische Kriegspolitik verteidigen. Als die USA auf der Grundlage von Lügen und Fälschungen über angebliche Massenvernichtungswaffen den Irak überfielen, hörte man nichts über die „Rohheit des Unrechts“. Auch die anschließenden neo-kolonialen Kriege in Libyen, Mali und der Einsatz von Söldnern in Syrien wurde immer als Freiheitskampf für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gepriesen.
Die Bundesregierung zählte zu den ersten Regierungen, die sofort nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 die staatliche Souveränität Jugoslawiens zurückwies, die nationale Unabhängigkeit von Slowenien und Kroatien anerkannte und damit einen blutigen Krieg auslöste. Der erste internationale Bundeswehreinsatz der Nachkriegszeit richtete sich gegen Serbien und hatte zum Ziel, die Abspaltung des Kosovo zu erzwingen. Von der Verteidigung territorialer Integrität war damals nichts zu hören. Im Gegenteil, die Bundesregierung schürte rechte nationalistische Stimmungen und heizte nationale Konflikte an, um ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf dem Balkan zu stärken.
Das Vorgehen in der Ukraine steht in dieser Tradition. Die Fakten sind bekannt.
In Kiew arbeitet die Bundesregierung mit faschistischen Parteien zusammen, gegen deren deutschen Verbündete sie ein Verbotsverfahren eingeleitet hat. Auf der Internet-Präsentation der faschistischen NPD wird Swoboda als „eine der bedeutendsten europäischen Rechtsparteien“ gefeiert, die mit der British National Party (BNP), der ungarischen „Jobbik“, der italienischen „Fiamma Tricolore“ und dem französischen Front National (FN) politisch und organisatorisch eng verbunden sei. Noch im Mai letzten Jahres hatte die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag eine Delegation von Swoboda empfangen und bewirtet.
Als Oleg Tjagnibok vor zehn Jahren den Vorsitz von Swoboda übernahm, hielt er vor Anhängern eine Rede, in der er sagte: „Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und anderes Ungeziefer. Kämpft für unsere ukrainische Heimat!“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Das sind die Bündnispartner der Bundesregierung. Während der vergangenen Monate war Swoboda die wichtigste politische Kraft bei den Maidan-Protesten. Ihre faschistischen Schläger spielten eine Schlüsselrolle beim Sturz der Regierung und dem Rechtsputsch in Kiew. Als Gegenleistung erhielten drei Führungskader einflussreiche Regierungsposten.
Der Mitgründer von Swoboda, Andri Parubi, war bei den Protesten als „Sicherheitskommandant“ tätig und kommandierte die Angriffe des Rechten Sektors. Jetzt ist er Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates und Verteidigungsminister. Sein Stellvertreter ist Dmitro Jarosch, Führer des Rechten Sektors. Der stellvertretende Premierminister Alexander Sitsch ist ebenfalls führendes Swoboda-Mitglied, ebenso Oleg Machnitzki (Generalstaatsanwalt), Sergei Kwit (Bildungsminister), Andri Machnik (Umweltminister) und Igor Schwaiko (Landwirtschaftsminister).
Der langjährige Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, Elmar Brok (CDU), verteidigt die Zusammenarbeit mit einer faschistischen Partei, deren Vorbild Stepan Bandera im Zweiten Weltkrieg die deutsche Invasion unterstützte und an der Ermordung Tausender Juden beteiligt war. Er bezeichnet Swoboda als Garant für Rechtstaatlichkeit und Demokratie!
Auf die faschistischen Hetztiraden angesprochen, antwortet Brok vor einigen Tagen: „Die Swoboda Partei ist nicht die Partei, die ich liebe, aber sie hat es möglich gemacht, dass derjenige, der seine eigene Bevölkerung verfolgt und erschossen hat, nicht mehr im Amt ist. Solange gewährleistet ist, dass sich diese Partei für Rechtsstaatlichkeit einsetzt und die Demokratie in der Ukraine möglich macht“, sei eine Unterstützung gerechtfertigt. „Das ist, glaube ich, das Entscheidende, nicht Sprüche der Vergangenheit.“
Das ist auch der Standpunkt von Stefan Kornelius. Er verlangt die Anerkennung dieser Regierung, weil sie den Interessen des deutschen Imperialismus dient. Jeder Widerstand dagegen soll eingeschüchtert und unterdrückt werden – wenn nötig auch militärisch.
Wie Brok spricht auch Kornelius für eine reiche privilegierte Oberschicht, die entschlossen ist, ihre Interessen mit aller Macht durchzusetzen und jeden Widerstand dagegen mit äußerster Brutalität zu unterdrücken.