Am Montag demonstrierten tausende Neonazis durch die Dresdner Innenstadt. Die selbsternannten Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) wurden zuvor systematisch vom Staatsapparat und den Medien aufgebaut. Angesichts wachsender Hetze von Politik und Medien gegen Flüchtlinge fühlen sie sich gestärkt.
Mit 15.000 bis 20.000 Teilnehmern war die langfristig vorbereitete Demonstration zwar doppelt so groß wie in der Vorwoche, aber kleiner als frühere Kundgebungen der rechtsradikalen Gruppe. Neonazis wurden aus dem gesamten Bundesgebiet nach Dresden gebracht und vereinten sich dort mit dem braunen Bodensatz der sächsischen Landeshauptstadt.
Die Demonstration war davon geprägt, dass die Neonazis Rückenwind verspürten und offener auftraten. Als einer der Hauptredner war der deutsch-türkische Rechtsextremist Akif Pirinçci geladen. Er bezeichnete Deutschland unter Beifall der Demonstranten als „Moslemmüllhalde“, der eine „Umvolkung“ drohe. Dann erklärte er: „Es gäbe natürlich auch andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Der rechte Pegida-Pöbel applaudierte.
Neben Pirinçci sprachen Pegida-Gründer Lutz Bachmann sowie Vertreter rechtsextremer Parteien aus Tschechien, Italien, Polen und England.
Am Rande der Demonstration kam es zu zahlreichen Angriffen auf Migranten und linke Gegendemonstranten. Berichten der Sächsischen Zeitung zufolge, bewaffnete sich eine große Gruppe Pegida-Anhänger mit Steinen und herumliegenden Materialien. Auf dem Weg zum Bahnhof hätten sie Jagd auf zwei Männer gemacht. Einer der beiden, der aus Marokko nach Deutschland gekommen ist, ging zu Boden. Zudem wurde ein Team von Spiegel Online angegriffen.
Das Bündnis „Dresden Nazifrei“, das die Gegendemonstrationen organisierte, sprach nach den Zusammenstößen von einer Mitverantwortung der Polizei. „An mehreren Stellen konnten Pegida-Teilnehmer_innen ungehindert randalieren und Gegendemos angreifen. Mehrere Berichte deuten sogar darauf hin, dass mehrfach Polizist_innen kalkuliert Ketten für Hooligans von Pegida geöffnet haben“, hieß es in einer Stellungnahme. Zu den Gegendemonstrationen kamen ebenfalls mehr als 15.000 Menschen.
Die Neonazis, die seit einem Jahr fast jeden Montag durch Dresden marschieren, fühlen sich offensichtlich durch die Hetze bestärkt, die in Medien und Politik gegen Flüchtlinge und Migranten verbreitet wird.
In den letzten Wochen hatten führende Regierungsvertreter in üblen Tiraden gegen Flüchtlinge gehetzt. CSU-Chef Horst Seehofer drohte damit, außergesetzliche Notmaßnahmen zur Abwehr von Flüchtlingen zu ergreifen. Innenminister Thomas de Maiziére (CDU) stellte Flüchtlinge als undankbar und gewalttätig dar.
Der Humboldt-Professor Jörg Baberowski bezeichnete die wachsende Gewalt gegen Flüchtlinge „angesichts der Probleme, die wir in Deutschland haben mit der Einwanderung“, als „eher harmlos“ und empfahl den Aufbau einer rechtsextremen Partei, damit „die Menschen Probleme ansprechen können“.
Doch solche Äußerungen sind nur der Ausdruck eines Umgangs mit Flüchtlingen, der von allen Bundestagsparteien organisiert wird und die Rechtsextremisten der Pegida ermuntert. Flüchtlinge werden wie Tiere zusammengepfercht, in kalten und nassen Zelten untergebracht und medizinisch nicht versorgt.
An den Außengrenzen der EU werden Flüchtlinge unmenschlicher Behandlung ausgesetzt, angegriffen und wie Vieh zurückgedrängt. Im Mittelmeer geht die Bundeswehr mit Waffengewalt gegen Flüchtlingsboote vor.
Es ist dieses unmenschliche Vorgehen gegen schutzsuchende Menschen, das die Rechtsextremisten ermutigt. Dabei erhält Pegida nicht nur indirekte Schützenhilfe. Staat, Politik und viele Medien haben die Islamfeinde nach Kräften gefördert.
Pegida wurde von Anfang an systematisch vom Staatsapparat und von Politikern unterstützt. Die Landeszentrale für Politische Bildung stellte den Rechtsextremisten Räumlichkeiten zur Verfügung, um ihre rassistische Hetze auf Pressekonferenzen unters Volk zu bringen. Politiker, die jetzt Sorge über Pegida heucheln, wie der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel oder Innenminister Thomas de Maizière, haben noch vor wenigen Monaten zu einem „Dialog“ mit den „besorgten Bürgern“ aufgerufen.
Die staatlichen Initiativen zum Aufbau einer rechtsextremen Bewegung sind nicht neu. 2003 sah sich das Bundesverfassungsgericht gezwungen, ein Verbotsverfahren gegen die NPD einzustellen, weil die Nazipartei auf Funktionärsebene von V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Viele Äußerungen, mit denen der Verbotsantrag damals begründet wurde, stammten von Leuten, die auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes standen. Einige Richter begründeten damals die Entscheidung, das Verbotsverfahren einzustellen, mit einer entlarvenden Aussage. Sie erklärten, dass es sich bei der NPD „der Sache nach um eine Veranstaltung des Staates“ handle.
So ist es auch jetzt. Die Verbindung des Geheimdiensts zur rechten Szene werden immer weiter ausgebaut. In mehreren Untersuchungsausschüssen wurde aufgedeckt, dass mindestens 25 V-Leute der Sicherheitsbehörden im Umfeld der rechten Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) aktiv waren. Im letzten Sommer verdichteten sich Hinweise auf eine direkte Beteiligung des Verfassungsschutzes an Mordanschlägen, die dem NSU zur Last gelegt werden.
Die enge Verbindung zwischen Verfassungsschutz und neonazistischer Szene ist gerade in Sachsen sehr ausgeprägt. Ob der Initiator der rechten Aufmärsche, Lutz Bachmann, mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitet, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass der wegen Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Drogenhandel vorbestrafte Bachmann noch immer unter Bewährungsauflagen steht.
Im Januar wurden seine Postings im Internet bekannt, in denen er Ausländer als „Viehzeug“, „Gelumpe“ und „Dreckspack“ bezeichnet hatte. Außerdem hatte er ein Foto von sich mit Hitler-Bart und Hitler-Scheitel auf Facebook veröffentlicht. Bachmann trat daraufhin kurzzeitig zurück.
Im März drohte ihm ein weiterer Prozess. Die Staatsanwaltschaft in Dresdner hatte ein früheres Urteil wegen unterlassener Unterhaltszahlung angefochten und forderte eine hohe Geldstrafe oder erneute Haft. Doch kurz vor Prozessbeginn zog die Staatsanwaltschaft ihr Berufungsverfahren zurück und Bachmann konnte seine rechtsradikale Propagandaarbeit verstärkt fortsetzen.
In der letzten Woche wurde aufgedeckt, dass einer der Gründer der Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“, die zahlreiche Verbindungen mit Pegida hat, ein Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes war. Mindestens seit 2009 soll Roland Sokol als Spitzel tätig gewesen sein.
Vertreter der rechtsextremen Pegida-Gruppe werden zudem zu Talkshows und Interviews eingeladen. Nur einen Tag vor der letzten Demonstration am Montag durfte der Fraktionsvorsitzende der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) im thüringischen Landtag, Björn Höcke, im öffentlichen rechtlichen ARD zur besten Sendezeit seine braune Propaganda von sich lassen. Die AfD gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Pegida-Demonstrationen.
Dass die Pegida-Bewegung, die von Staat und Medien gefördert wurde, nun derart offen faschistisch auftritt, ist eine deutliche Warnung. Gerade weil es den herrschenden Eliten bisher nicht möglich war, die Solidarität der Bevölkerung mit den Flüchtlingen zu brechen und eine massenhafte rechtsextreme Bewegung aufzubauen, setzen sie zunehmend auf Aggressivität. Sie mobilisieren den Bodensatz der Gesellschaft, um jeden einzuschüchtern, der den Flüchtlingen hilft und gegen die Kriegspolitik der Regierung vorgeht.