Wer würde Hitler heute zujubeln?

Zur deutschen Filmsatire „Er ist wieder da“

„Er ist wieder da“. Regie: David Wnendt; Buch: David Wnendt, Johannes Boss, Minna Fischgartl, Timur Vermes

Die Filmsatire „Er ist wieder da“ nach dem gleichnamigen Roman von Timur Vermes, den inzwischen über zwei Millionen Zuschauern gesehen haben, gehört zu den erfolgreichsten deutschen Kinofilmen dieses Jahres.

Hitler (Oliver Masucci) wacht überraschend nach 70 Jahren in Berlin auf, mitten in einer Neubausiedlung, dem einstigen Standort des Führerbunkers. Ihn entdeckt der gerade gefeuerte Fernsehjournalist Sawatzki (Fabian Busch), der Hitler selbstverständlich für einen Hitler-Imitator hält, einen Knüller wittert und die letzte Chance seinen Job wiederzubekommen. Hitler findet sich schnell zurecht und kommt zu dem Schluss, es sei höchste Zeit, in die nationale Krise einzugreifen. Die Vorsehung habe ihn ins Jahr 2014 katapultiert, weil nur er Deutschland retten könne.

Mit Genugtuung registriert er die allgemeine Unbeliebtheit der etablierten Parteien, was ihn an die letzten Jahre der Weimarer Republik erinnert. Sawatzki organisiert eine Tour des „Führers“ durch das moderne Deutschland. Die weitgehend positive Resonanz ermutigt Hitler. Ein Youtube-Video, das eine Million Klicks bekommt, öffnet ihm die Tür zum Privatfernsehen. Er tritt erfolgreich in einer Fernsehshow auf und beginnt eine Fortsetzung seines Buchs „Mein Kampf“. Sawatzki darf es für den Sender verfilmen.

Anders als der historische Hitler braucht der Film-Hitler keinen Terror anzuwenden, um sich durchzusetzen. Er braucht die Presse nicht von kritischen Journalisten zu säubern, die Medien nicht gleichzuschalten. Man kommt ihm bereitwillig entgegen. Gelungen ist die Szene, wo Autoren von ihrem Fernsehsender den Auftrag erhalten, für eine Politik-Show rassistische Gags zu entwickeln und das mit zynischer Professionalität tun.

Zudem zeigt sich nicht nur der labile Sawatzki fasziniert vom autoritären Charisma „Hitlers“, weil er nicht wie andere „spielt“ sondern „es einfach ist“, einer, der eine Vision hat und sie vollkommen rücksichtslos vertritt. Als die Senderchefin Katja Bellini (Katja Riemann) wegen Volksverhetzung angezeigt wird, beruhigt sie der Vertreter der Staatsanwaltschaft, das seien sicher linke Spinner, man werde „Dienst nach Vorschrift“ machen. Weiteren Fernsehauftritten „Hitlers“ stehe nichts im Wege, er schätze die Sendung.

Die gut getroffene allgegenwärtige Heuchelei und Verlogenheit erinnert an das Märchen von Hans Christian Andersen, in dem die gesamte Öffentlichkeit die neuen Kleider des Kaisers bewundert und lobt, obwohl der Kaiser nackt ist. Im Film-Hitler, der öffentlich Ausländer mit Ungeziefer vergleicht, will niemand einen Rechten sehen. Er gilt als charismatischer, subversiver Künstler, mit seiner speziellen Ironie und Doppelbödigkeit.

Auch SPD-Chef Siegmar Gabriel sendet ein Genesungstelegramm, nachdem der vermeintliche Hitlerimitator, von Rechtsradikalen zusammengeschlagen, im Krankenhaus landet. Die skrupellose Senderchefin bezeichnet ihn nun gar als einen Kämpfer für Demokratie. Im Roman wird Hitler zudem mit dem renommierten Grimme-Preis ausgezeichnet.

Das ist alles andere als weit hergeholt: Die deutsche Presse bejubelte den rechten Putsch in der Ukraine als Kampf für Demokratie. Politiker suchen den Schulterschluss mit der rechten Pegida-Bewegung. Rassistische, anti-islamische Karikaturen werden im Namen der Freiheit der Kunst bejubelt. Noch vor nicht langer Zeit geriet die intellektuelle Öffentlichkeit in Euphorie angesichts der Auszeichnung Barack Obamas mit dem Friedensnobelpreis.

Wie bei Andersen spricht im Film ein einzelner „Naiver“ die Wahrheit aus. Es ist Sawatzki, der entsetzt merkt, dass seine Umwelt dem echten Hitler zujubelt. Daraufhin steckt man ihn in die Psychiatrie.

Allerdings pauschaliert der Film stark. Man bekommt den Eindruck, Hitler hätte heute generell gute Chancen. Er suggeriert, ein rechter Demagoge, der aus irrationalen Gründen die Weltherrschaft anstrebt, müsse wie ein Pop-Star vor allem die Medien erobern. Leicht könne er dann auf den Massen, wie es im Film heißt, „Klavier spielen“. Es genüge, ein paar populäre, soziale Fragen aufzuwerfen. Dokumentarszenen von der Begegnung „Hitlers“ mit dem „Volk“, die der Regisseur in den Spielfilm einfügt, scheinen das teilweise zu bestätigen. Gegenüber der Bild-Zeitung zeigte sich Wnendt entsetzt, wie viele Menschen gegenüber „Hitler“ über Ausländer hergezogen seien.

Eine Schlüsselszene des Films bemüht sich, dem einen Touch historischer Begründung zu verleihen. Hitler behauptet, das ganze Volk hätte ihn 1933 gewählt, ganz normale Leute, weil sie im Kern so gewesen seien wie er. Dann sagt er, an das heutige Volk gewandt: „Ich bin ein Teil (...) von euch allen.“ Zwar erweist sich die Szene als Bestandteil der Verfilmung des Hitler-Buches, stellt also dessen subjektive Sicht dar. Aber sie wird nicht widerlegt, im Gegenteil.

Die Stimmung der Bevölkerung kippt im Spielfilm erst, als ein Video auftaucht, in dem Hitler einen kleinen Hund erschießt: Die ganze Nation zeigt sich plötzlich entsetzt. Auch diese Stelle steht für eine auch unter sich eher als links verstehenden Intellektuellen verbreitete Auffassung, die Bevölkerung bestehe in der Mehrheit aus einer leicht zu manipulierenden unmündigen Masse, die in Krisen eher nach rechts tendiere.

Dies gehörte zum festen ideologischen Bestandteil der Nachkriegsordnung und wurde, trotz aller Kritik, die die 68er an den alten Nazieliten im jungen westdeutschen Staat übten, auch von ihnen wenig in Frage gestellt. Der wichtige, von früheren Linken anerkannte historische Zusammenhang zwischen Faschismus und Kapitalismus wurde durch oberflächliche Kritik an Massengesellschaft, Massenkonsum und die gleichzeitige Verherrlichung ungezügelter individueller Freiheit verwässert.

In den 80er Jahren, als sich Widerstand gegen den Sozialabbau Thatchers und die militärische Aufrüstung Reagans entwickelte, wurde parallel ein Jugendroman wie „Die Welle“ (Morton Rhue) populär, der warnte, die faschistische Gefahr beginne bereits, wenn Jugendliche kollektiv im gleichen Rhythmus trampeln und marschieren. Die deutsche Verfilmung aus dem Jahr 2008 (Regie: Dennis Gansel), eine einzige Warnung vor jeglicher Massenbewegung, wurde erst vor kurzem wieder im Fernsehen ausgestrahlt.

Obwohl aus „Er ist wieder da“ ehrliche Sorge und Beunruhigung über die aktuellen Zustände spricht, lässt sich der Film von gängigen Vorurteilen und Vorstellungen leiten, die mit dem historischen Aufstieg Hitlers nichts zu tun haben. Er kann so kaum die Schärfe entwickeln, die möglich gewesen wäre.

An einigen Stellen wird er albern und verharmlosend, wo ätzende Kritik angebracht wäre. Seine „Kritik“ an den herrschenden Parteien, die seit Jahren soziale und demokratische Rechte beschneiden und einen neuen Militarismus beschwören, ist völlig inhaltsleer. (Sigmar Gabriel ist ein Wackelpudding). Auf ähnlichem Niveau werden andere Parteien und Politiker abgetan. Allein die Charakterisierung der Grünen als bornierte, rechte staatstragende Partei („Umweltschutz ist Heimatschutz“) trifft den richtigen Ton.

Natürlich gibt es die rückständigen Reaktionen, die Wnendt in seinen Dokumentarbildern eingefangen hat. Doch was repräsentieren sie eigentlich? Warum lässt Wnendt die etablierte Politik, die bewusst Existenzängste in nationalistische und rassistische Kanäle lenkt, so ungeschoren davonkommen? Und dass Leute auf eine Provokation wie einen Mann in Hitleroutfit ihrerseits provokativ reagieren können, ohne dass sich daraus irgendwelche ernsthaften Schlüsse ziehen lassen, liegt auch auf der Hand.

Das große Interesse an „Er ist wieder da“ zeigt jedoch, dass der Film einen Nerv getroffen hat. Ohne Zweifel entspricht das Klima gewissenloser Heuchelei und Verlogenheit, das der Film in eng gezogenen Grenzen zeigt, den umfassenden Erfahrungen vieler Menschen in der gegenwärtigen Gesellschaft. In den wohlhabenderen Schichten existiert zudem eine besorgniserregende Faszination gegenüber einem starken Mann, der sich rücksichtslos über demokratische Rechte hinwegsetzt, die bis zur Verharmlosung Hitlers geht. Hitler zeigt sich am Ende des Film sehr optimistisch.

Die Sehnsucht breiter Schichten der arbeitenden Bevölkerung nach radikalen Änderungen hat allerdings nichts mit der Forderung nach einem Diktator zu tun. Im Gegenteil. Die durchgehenden Befürchtungen und dunklen Ahnungen des Films gegenüber einer unkontrollierten Massebewegung gehen einem irgendwann ziemlich auf die Nerven. Trotz guter Ansätze kann sich der Film nicht trennen von Vorurteilen gegenüber der sogenannten „Masse“. Diese Ambivalenz und Unentschiedenheit wirkt mitunter regelrecht lähmend.

Das wirkliche Verhalten breiter Bevölkerungsschichten in der gegenwärtigen Krise ist sehr eindeutig. Sehr viele einfache Menschen helfen spontan den Flüchtlingen, um deren Leid zu lindern. Es sind gerade die politischen Eliten, die Hilfe verweigern und Flüchtlinge, darunter Frauen und kleine Kinder, in Massenlager einsperren, was dunkelste Assoziationen weckt. Umfragen haben auch gezeigt, dass es in der Bevölkerung ein tiefes Misstrauen gegenüber der Berichterstattung der Medien gibt, das bis zur Empörung reicht. Am krassesten zeigt derzeit die Reaktion auf die Terroranschläge in Paris, woher die wirkliche Gefahr von Diktatur und Krieg droht. Hemmungslos wird in der Presse der Abbau demokratischer Rechte gefordert bis hin zu einem „Weltkrieg“ gegen Terror.

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