Wissenschaft statt Kriegspropaganda

In dieser Woche beginnt an den Universitäten das neue akademische Jahr. Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) begrüßen die Erstsemester mit folgendem Flugblatt.

Liebe Erstsemester,

ihr beginnt heute euer Studium in einer Zeit, die ebenso turbulent und krisenhaft sein wird, wie die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts. Ähnlich wie unsere Groß- und Urgroßeltern bewegen wir uns wieder in eine Periode hinein, die durch Kriege, heftige gesellschaftliche Erschütterungen und revolutionäre Aufstände geprägt sein wird.

Vor unser aller Augen droht sich der Krieg in Syrien zu einer nuklearen Konfrontation zwischen den USA und Russland auszuweiten, die große Teile Europas mit einbezieht. Die herrschenden Eliten Deutschlands reagieren darauf, indem sie das „Ende der militärischen Zurückhaltung“ verkünden, massiv aufrüsten, sich an den Kriegen im Nahen Osten und in Afrika beteiligen und eine führende Rolle beim militärischen Aufmarsch der Nato gegen Russland übernehmen.

Die Europäische Union, die lange als Garant gegen den Rückfall in Nationalismus und Krieg galt, entpuppt sich als Brutstätte von Ausländerfeindlichkeit und Militarismus. Sie stoppt Kriegsflüchtlinge an den Grenzen, pfercht sie in unmenschliche Lager oder treibt sie im Mittelmeer in den Tod. Wie Trump in den USA erheben auch in Europa wieder rechte und faschistische Parteien ihr Haupt – der Front National in Frankreich, die FPÖ in Österreich, Ukip in Großbritannien oder die AfD in Deutschland.

Die IYSSE (International Youth and Students for Social Equality) sind nicht bereit, die Rückkehr von Krieg und Militarismus, die Zunahme von Armut und den Aufstieg der Rechten tatenlos hinzunehmen. Wir vertreten den Standpunkt, dass der Kampf gegen Krieg, soziale Ungleichheit, Staatsaufrüstung und Fremdenfeindlichkeit die Abschaffung des Kapitalismus und eine internationale sozialistische Perspektive erfordert.

Als Jugend- und Studentenorganisation der Vierten Internationale kämpfen wir für die weltweite Einheit aller Arbeiter, unabhängig von Herkunft, Nationalität, Hautfarbe oder Religion und bauen eine internationale Antikriegsbewegung auf. Wir stützen uns dabei auf den klassischen Marxismus, wie er von Marx und Engels, Rosa Luxemburg, Lenin und Trotzki entwickelt wurde.

Die Universitäten spielen in dieser Auseinandersetzung eine wichtige Rolle. Wie vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg sollen sie wieder in staatlich gelenkte Kaderschmieden für rechte und militaristische Ideologien verwandelt werden. Wir lehnen das ab und treten dafür ein, dass sie Orte der Wissenschaft bleiben. Das erfordert auch einen ideologischen und politischen Kampf gegen die Konzeptionen der Postmoderne und der Frankfurter Schule, die ein wissenschaftliches Verständnis der Geschichte ablehnen.

In Berlin haben die IYSSE in den vergangenen zweieinhalb Jahren dagegen gekämpft, dass die Humboldt-Universität in einen Hort der Kriegspropaganda verwandelt wird. Vor allem zwei Professoren standen dabei im Mittelpunkt: Herfried Münkler (Theorie der Politik) und Jörg Baberowski (Geschichte Osteuropas).

Beide bemühen sich, die Verantwortung des deutschen Imperialismus im Ersten, bzw. im Zweiten Weltkrieg zu relativieren. Münkler tritt dafür ein, dass Deutschland in Europa die Rolle des „Hegemons“ und „Zuchtmeisters“ spielt, und will eine „echte geopolitische Strategie“ für den deutschen Imperialismus im 21. Jahrhundert entwerfen, „um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen“.

Baberowski verharmlost die Verbrechen des Nationalsozialismus. Im Spiegel bekannte er sich Anfang 2014 zum mittlerweile verstorbenen Nazi-Apologeten Ernst Nolte und bescheinigte Hitler, er sei „kein Psychopath“ und „nicht grausam“ gewesen. In seinen Büchern stellt er den Vernichtungskrieg im Osten als Reaktion auf die Gewalt der Bolschewiki dar und leugnet jede Verantwortung der nationalsozialistischen Ideologie.

Im Oktober 2014 plädierte Baberowski im Kampf gegen dschihadistische Gruppen für Methoden, die allen völkerrechtlichen Normen und Konventionen widersprechen. Wörtlich sagte er: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen.“

Seit dem vergangenen Sommer nutzt Baberowski seine Stellung an der HU, um in Zeitungsartikeln, Interviews und öffentlichen Auftritten ultrarechte Standpunkte zu vertreten. Er hetzt gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, fordert die Schließung der deutschen Grenzen und behauptet, „illegale Einwanderer“ aus fremden Kulturen zerstörten das Fundament der Gesellschaft. Seine kruden Thesen zur Frage des Ursprungs von Gewalt dienen ihm dazu, nach einem starken Staat und mehr Polizei zu rufen und diktatorische Formen der Herrschaft zu rechtfertigen.

Münkler und Baberowski sind Teil einer ganzen Riege von Professoren, die die deutsche Kriegspolitik mit ausarbeiten und ideologisch rechtfertigen. An der Ausarbeitung des offiziellen „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr”, das unter anderem den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die Ausweitung von Auslandseinsätzen, eine von Deutschland dominierte europäische Kriegspolitik und eine massive Aufrüstung der Bundeswehr vorsieht, waren mehr als ein Dutzend Professoren beteiligt, darunter Gunther Hellmann (Frankfurt), Joachim Krause (Kiel), Klaus Naumann (Hamburg) und Sönke Neitzel (Potsdam).

Als die IYSSE öffentlich gegen die Standpunkte Münklers und Baberowskis auftraten, reagierten rechte Medien mit einer Hetzkampagne. Sie denunzierten politische Kritik als „Gesinnungsterror“ und „Inquisition“; die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte „Mobbing trotzkistisch“. Die Auseinandersetzung ist im Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda?“ dokumentiert, das letztes Jahr im Mehring Verlag erschienen ist.

Doch die IYSSE ließen sich nicht einschüchtern. Bei der letzten Wahl zum StudentInnenparlament (StuPa) an der HU konnten wir mit sechs Prozent der Stimmen und vier Sitzen im Parlament unsere Unterstützung mehr als verdreifachen.

Unter Studierenden wächst der Widerstand gegen die Rechtsentwicklung. In Leipzig protestierten Anfang des Jahres Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter gegen den rechten Jura-Professor Thomas Rauscher. An der Uni Bremen fordert gegenwärtig der Asta vom Rektorat, eine Einladung an Baberowski zurückzunehmen und „empört [sich] darüber, dass dem Verharmlosen rechter Gewalt überhaupt Raum geboten werden soll“.

Die IYSSE begrüßen alle Maßnahmen und Initiativen, die sich ernsthaft darum bemühen, dem Rechtsruck der offiziellen Politik und an den Universitäten entgegenzutreten. Das erfordert auch eine politische Abrechnung mit der SPD, den Grünen, der Linkspartei, den Gewerkschaften und den pseudolinken Organisationen in ihrem Umfeld.

Ähnlich wie die Grünen vor 18 Jahren ist Die Linke dabei, sich in eine offene Kriegspartei zu verwandeln. Daran kann spätestens seit den Semesterferien kein Zweifel mehr bestehen. So erklärte der erste „linke“ Ministerpräsident in Thüringen, Bodo Ramelow, im Spiegel, die Linken seien „keine Pazifisten“. Sahra Wagenknecht, die regelmäßig in bester AfD-Manier gegen Flüchtlinge hetzt, versicherte im ZDF-Sommerinterview: „Natürlich wird Deutschland nicht an dem Tag, an dem wir in eine Regierung einsteigen, aus der Nato aussteigen.“

Sollte es nach Berlin auch im Bund zu einer rot-rot-grünen Regierungskoalition kommen, würde die Linke die gleiche arbeiterfeindliche Politik vertreten wie die Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne oder ihre Schwesterpartei Syriza in Griechenland. Sie vertritt nicht die Interessen der Arbeiterklasse, sondern wohlhabender Mittelschichten, die sich unter dem Druck wachsender Klassengegensätze scharf nach rechts bewegen und Austerität und Militarismus unterstützen.

Die historische Krise des Kapitalismus wird große Klassenkämpfe auslösen. Unsere Arbeit im neuen Semester ist darauf ausgerichtet, junge Arbeiter und Studierende mit der Geschichte und den politischen Erfahrungen des unvollendeten 20. Jahrhunderts vertraut zu machen, sie für ein internationales sozialistisches Programm zu gewinnen und auf eine Revolution vorzubereiten. Denn nur das Eingreifen von Hunderttausenden in die Politik kann die Entwicklung hin zu Diktatur und Krieg stoppen.

Wir laden Euch alle herzlich ein, mit der IYSSE Kontakt aufzunehmen, zu unseren Veranstaltungen zu kommen, unsere Website (iysse.de) zu verfolgen und täglich die World Socialist Web Site (wsws.org) zu lesen. Als Jugend- und Studierendenorganisation der Partei für Soziale Gleichheit und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale arbeiten wir eng mit unseren Schwesterorganisationen auf der ganzen Welt zusammen.

International Youth and Students for Social Equality

Veranstaltungen der IYSSE:

Goethe-Universität Frankfurt
Philosophie und Politik in Zeiten von Krieg und Revolution
Samstag, 22. Oktober 2016, 18:00 Uhr
Campus Westend, Hörsaalzentrum (Hörsaal HZ 3)
Theodor-W.-Adorno-Platz 5, 60323 Frankfurt

Humboldt-Universität Berlin
Wer sind die IYSSE?
Mittwoch, 26. Oktober, 18:30 Uhr
Seminargebäude (Raum 1.103)
Dorotheenstraße 24, 10117 Berlin

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