Berlin: MAN-Beschäftigte demonstrieren gegen Stellenstreichungen

Mehrere Hundert Beschäftigte des MAN Diesel & Turbo Werks in Berlin demonstrierten am Montag für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Sie zogen vom Bahnhof Friedrichstraße zum Brandenburger Tor. Gleichzeitig fanden Demonstrationen an den weiteren Standorten des Unternehmens in Augsburg, Oberhausen und Hamburg statt.

Die Arbeiter protestierten damit gegen die beabsichtigte Streichung von 1400 Stellen an allen Standorten im Rahmen des vom Vorstand angekündigten Rationalisierungsprogramms „Basecamp 3000+“.

Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes kam für die Berliner Belegschaft völlig unerwartet, da der Betrieb in Berlin ausgelastet ist und mit hoch qualifiziertem Engineerings- und Fertigungs-Know-how seit Jahrzehnten feste Kundenbeziehungen aufgebaut hat.

„Wir sind richtig sauer“, sagte Markus der WSWS. Es beunruhige ihn, dass es offensichtlich keine genauen Vorstellungen gebe, wie es weiter gehen solle. „Es ist für uns ein richtiger Schlag ins Gesicht, dass die uns alle rausschmeißen wollen. Aber wir werden kämpfen, bis zum letzten Mann, wie man so sagt. Wir wollen unsere Arbeitsplätze verteidigen und durchsetzen, dass keiner gehen muss.“

Kevin, ein Kollege von Markus, sprach über die Verunsicherung der Belegschaft: „Wir haben noch keine Einzelheiten vom Vorstand gehört, nur, dass bei uns 317 Stellen abgebaut werden sollen. Angeblich soll die Produktion ins Ausland verlagert werden. Wir kämpfen natürlich erst mal für unsere Arbeitsplätze hier in Berlin, für unsere Familien. Bei uns bedeutet der Abbau von 61 Prozent der Stellen mittelfristig das Aus für den Berliner Betrieb.“

Sein Kollege fügte hinzu: „Das schlimme ist ja, dass es immer die kleinen Leute trifft. Man vergisst immer, dass doch diejenigen, die an den Maschinen arbeiten, das Geld bringen, und trotzdem sind wir immer die Leidtragenden, die solche Krisen ausbaden müssen.“

Er betonte besonders die Situation der Leiharbeiter oder von manchen Rohrlegern oder Schlossern im Betrieb, die mit kurzfristigen Verträgen beschäftigt sind: „Die trifft das zuerst. Leiharbeit, das ist doch eine moderne Sklavenhaltung. Die Firmen können damit natürlich sehr flexibel wirtschaften, bei Bedarf werden die eingestellt und bei sinkender Nachfrage werden die wieder entlassen. Damit hat man doch keine Zukunft, darauf kann man doch kein Leben aufbauen.“

Claudia, die auch im Berliner Werk arbeitet, hatte schon einen Bericht zu MAN auf der World Socialist Web Site gelesen: „Wir kennen eure Webseite und haben auch den Artikel zu MAN Turbo&Diesel gelesen. Ich fand ihn super, das war mal eine ganz andere Sicht. Es ist schon was dran, dass jetzt Standort gegen Standort ausgespielt wird, aber man hat nicht die komplette Einsicht, wie es wirklich läuft.“

Die Verhandlungen sollen am 29. November in Augsburg beginnen. Die IG Metall und die Betriebsräte schweigen sich gegenüber der Belegschaft darüber aus, welchen Vorschlag sie dem Vorstand vorlegen wollen. Den Verlautbarungen des Betriebsratsvorsitzenden René Marx auf der Kundgebung am Montag nach zu urteilen, will die Gewerkschaft ein betriebswirtschaftlich besseres Konzept vorlegen, nach dem der Abbau von Stellen nur das „letzte Mittel“ sein soll.

Was das im Klartext heißt, zeigt der „Zukunftspakt“, der bei der Muttergesellschaft von MAN, bei VW in Wolfsburg vor kurzem zwischen IG Metall, Betriebsrat, VW-Vorstand und dem Land Niedersachsen ausgehandelt wurde. Dort sollen 30.000 Stellen gestrichen werden, darunter 7.000 Leiharbeiter, deren Verträge ab sofort nicht mehr verlängert werden. Leiharbeiter, die von der IG Metall oft massiv bedrängt wurden, in die Gewerkschaft einzutreten, mussten erfahren, wie hohl die Versprechungen der Gewerkschaftsführung sind.

Auch bei MAN in Berlin gibt es kurzfristige Arbeitsverträge. Steffen, ein Jungfacharbeiter, berichtete uns: „Ich habe bei MAN Diesel & Turbo gelernt und danach einen Jahresvertrag bekommen. Jetzt werde ich entlassen, was soll das für eine Weihnacht werden?“ Er hat keine Aussicht, eine vergleichbare Arbeit in Berlin zu finden. „Die Leiharbeitsstellen werden meist auf der Basis des Mindestlohns von 8,50 Euro angeboten. Da ist es schwer, in den nächsten Jahren eine Familie zu gründen und eine Zukunft aufzubauen.“

Eine Gruppe von Arbeitern berichtete mit Stolz über die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Standorten: „Unsere Gruppe arbeitet zusammen mit dem Betrieb in Hamburg, mit dem wir eine Maschine entwickelt haben. Hamburg ist ja noch schlimmer betroffen, weil dort die ganze Produktion wegfallen soll. Wir finden das sehr schlecht, dass die Produktion einfach ins Ausland verlagert werden soll. Wir haben das Produkt in den letzten zwanzig Jahren so intensiv entwickelt, dass es richtig gut läuft. Es ist doch unmöglich, dass, nachdem wir das alles entwickelt haben, einem das fertige Produkt einfach weggenommen wird.“

Die Reduzierung des Berliner Betriebs auf reine Komponentenfertigung komme schon fast einer Schließung gleich, sagt einer der Arbeiter. „Dann bekommen wir nur noch Arbeit, wenn Oberhausen und Augsburg voll ausgelastet sind“ meinte er.

Sein Kollege ergänzte: „Unsere Produktion ist ja Einzelfertigung, keine Serienfertigung von Massenprodukten. Bei einer Verlagerung würde viel Know-how verlorengehen. Da kommt es auf hohe Qualitätsarbeit an, die kann man nicht so einfach verlagern. Wir würden solch eine Verlagerung nicht unterstützen, nur damit die Arbeit von jemandem gemacht wird, der vielleicht nur ein Drittel von unserem Lohn verdient.“

Die Möglichkeit für Unternehmen, Produktionsabläufe ins Ausland zu verlagern, gibt vielen Arbeitern zu denken.

Claudia meinte: „Wir erleben jetzt gerade eine ziemlich starke Umbruch-Phase, alles verändert sich und ich frage mich wirklich, wo das hinführt. Die Zukunft sieht so dunkelgrau aus, es wird schwierig, eine neue Stelle zu finden, gerade im Maschinenbau. Wir haben nicht mehr viel Industrie in Berlin. Vielleicht muss man sich auch ganz anders orientieren.“

Markus sprach über die Verlagerungsabsichten des Vorstandes und betonte, dass er und viele seiner Kollegen mit ihrer Arbeit und dem Produkt verbunden sind. „Die Idee, ein Produkt, wie die Dampfturbine-Fertigung nach Indien zu verlagern, macht doch keinen Sinn. Was wir hier herstellen, unser ganzer Betrieb, das wurde in über hundert Jahren von den Arbeitern aufgebaut, da steckt soviel Know-how drin, das lassen wir uns doch nicht so einfach wegnehmen. Das ist Diebstahl, das geht doch nicht.“

Das Gefühl, bestohlen zu werden, um das Recht auf Arbeit gebracht zu werden, teilten viele der Demonstranten.

Markus fuhr fort: „Wir leben natürlich im Kapitalismus, wo es das Recht auf Privateigentum an diesen Fabriken gibt. Aber rein moralisch gesehen, ist das doch nicht richtig. Die Produkte sind doch das geistige Eigentum der Menschen, die in den Betrieben arbeiten. Karl Marx hat ja schon gesagt, dass man das Eigentum auf die Menschen übertragen sollte, die die Arbeit machen, aber das hilft uns jetzt in dieser Situation wenig. Wir können ja nicht in den nächsten drei Monaten die nächste Internationale ausrufen.“

Auf die Frage nach der Handelspolitik vom neu gewählten amerikanischen Präsidenten angesprochen, gab es unterschiedliche Reaktionen. Ein Arbeiter sagte: „Ich finde so was gut für uns Arbeiter.“ Ein anderer kritisierte die Politik von Trump: „Die Idee, dass Firmen im eigenen Land bleiben sollen, ist an sich nicht verkehrt, aber wenn man bedenkt, dass die wirtschaftliche Abschottung auch nach hinten losgehen kann, gerade beim Maschinenbau, der hier so sehr auf Export ausgelegt ist, dann kann das sehr gefährlich werden.“

Es entwickelte sich eine Diskussion darüber, wie der Handelskrieg in den 1930er Jahren zum Zweiten Weltkrieg geführt hatte. Markus sagte dazu: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man in diesem marktwirtschaftlichen System solche Handelsbarrieren aufbauen kann, ohne dass viele Menschen darunter leiden. Eigentlich bräuchte man eine Weltregierung mit einem Supercomputer, der sich den ganzen Handel ausrechnet.“

Der Handel und die Warenverteilung müssten optimal berechnet und international organisiert werden. „Ein Handelskrieg bringt uns alle dahin, wo ich auf keinen Fall hin will. Da habe ich ganz große Angst vor, dass so was passiert. Ich brauche keinen absoluten Freihandel, aber ich glaube, einseitige Zollerhebungen führen uns an den Abgrund.“

Kevin sagte zum gleichen Thema: „Man hat sowenig Einfluss, das wird alles in der Wirtschaft entschieden, jede Firma möchte überleben. Ich bin gespannt, was das jetzt, nachdem Trump Präsident wird, was das für VW bedeutet.“

Auf die Frage, ob sie eine Möglichkeit sehen, dass Arbeiter sich international zusammenschließen, antwortete Kevin: „Davor haben die Unternehmer ja Angst, denn die breite Masse, die Mehrheit sind doch die Leute wie wir, die arbeiten. Wenn die sich zusammenschließen würden, dann würden die da oben die Füße hochklappen.“

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