Am Mittwoch teilte der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität Bremen mit, dass Jörg Baberowski gerichtlich gegen die Studierendenschaft der Hochschule vorgeht. Der rechte Professor für osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin will auf diese Weise Kritiker seiner reaktionären Positionen mundtot machen.
„Das Landgericht Köln hat eine einstweilige Verfügung gegen die Studierendenschaft der Uni Bremen erlassen“, heißt es auf den Seiten der Studierendenvertretung. „Demnach dürften wir einige kritische Aussagen in Bezug auf den Antragsteller Jörg Baberowski vorerst nicht mehr äußern. Gegen diese Entscheidung ist der Asta mit einem Widerspruch vorgegangen; das Verfahren läuft noch in erster Instanz.“
Die Studierendenvertreter hatten im Oktober letzten Jahres ein Flugblatt verfasst, auf dem sie Aussagen Baberowskis zur Flüchtlingspolitik und zum Kampf gegen den Terrorismus zitierten und diese politisch werteten. Beides versucht Baberowski nun gerichtlich zu verbieten. Er will verhindern, dass die Studierenden ihn weiterhin zitieren und ihre Meinung zu den Zitaten äußern, indem er behauptet, verfälschend zitiert und verleumdet worden zu sein.
Der Asta hatte das Flugblatt anlässlich einer Veranstaltung geschrieben, die die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Zusammenarbeit mit dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) an der Universität Bremen mit Baberowski abhalten wollte. Die Studierenden hatten zu friedlichem Protest aufgerufen. Die Universitätsleitung erklärte daraufhin, dass sie von den Veranstaltern erwarte, „dass sie sich der argumentativen Auseinandersetzung stellen und dass der Asta den Referenten mit seiner doch erheblichen Kritik konfrontieren kann“.
Diese Bedingung wollte Baberowski offenbar nicht akzeptieren. Die Veranstaltung wurde in die Räumlichkeiten der KAS verlegt und unter Einsatz von zwei Dutzend Polizisten von kritischen Studierenden abgeschirmt. Außerdem schaltete Baberowski die Berliner Rechtsanwaltskanzlei Schertz Bergmann ein, um die Studierenden zu zwingen, ihr Flugblatt und eine spätere Presseerklärung von ihrer Website zu entfernen.
Zeitgleich griffen diverse rechte bis rechtsextreme Blogs und Webseiten das Thema auf und warfen den Bremer Studierenden „Gesinnungsterror“ und „geistige Bevormundung“ vor. „Wir erhielten in der Folge dutzende Briefe von Rechtsextremisten, die uns beleidigten und teilweise auch bedrohten“, berichtet Irina vom Asta. Schließlich sei der Brief der Anwaltskanzlei gekommen.
Baberowski nimmt die Klage gegen die Bremer Studierendenschaft zum Ausgangspunkt, um auch gegen andere Kritiker vorzugehen. Christoph Vandreier, Sprecher der IYSSE Deutschland und prominenter Kritiker Baberowskis, erhielt bereits eine Unterlassungsaufforderung, weil er den Bremer Asta in einem Artikel zitiert hatte.
Obwohl das Flugblatt an der Bremer Uni verteilt worden ist und Baberowski in Berlin lebt und arbeitet, beantragte Baberowski eine einstweilige Verfügung gegen den Asta beim Landgericht Köln, das laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel „unter Journalisten inzwischen als das schärfste im Land gilt“.
Eine einstweilige Verfügung wäre an einem anderen Gericht wohl auch kaum erlassen worden, denn die Begründung für den Antrag Baberowskis, die der WSWS vorliegt, kann nur als haarsträubend bezeichnet werden. Baberowski will den Studierenden darin de facto verbieten, ihn zu zitieren und ihre Meinung zu diesen Zitaten zu äußern. Beispielsweise fordert Baberowski, dass das folgende Zitat aus einer Diskussion im Deutschen Historischen Museum unter dem Titel „Interventionsmacht Deutschland“ nur in voller Länge wiedergegeben werden darf:
„Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen. Dann soll man die Finger davon lassen. Also auf der einen Seite ja, natürlich, Deutschland soll eine Funktion übernehmen und es ist wichtig, dass Deutschland Verantwortung übernimmt, vor allem in solchen Konflikten, die es selbst betreffen. Aber man sollte sich schon gut überlegen, für welchen Krieg man a) gerüstet ist, und ob man ihn gewinnen kann. Und wenn man ihn nicht gewinnen kann, dann soll man es lassen. Das wäre meine Auffassung zu diesem Thema.“
Den Bremer Studierenden soll unter anderem auch verboten werden, die Meinung zu äußern, dass dies „Thesen von erschreckender Brutalität“ seien. Baberowski hatte schon im Mai letzten Jahres dem Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir in der Talkshow „Maybrit Illner“ indirekt Verleumdung vorgeworfen, weil dieser ihn mit seiner eigenen Aussage konfrontiert hatte. In der Begründung des Antrags für die einstweilige Verfügung behauptet sein Anwalt nun, dass Baberowski in dem Zitat geraten habe, „sich in eine Auseinandersetzung mit derartig menschenverachtenden Terroristen nicht militärisch hineinziehen zu lassen, gerade weil man eben Gleiches nicht mit Gleichem vergelten kann und darf“.
Dass das nicht stimmt, geht schon aus dem zitierten Satz selbst hervor. Baberowski hatte gerade nicht gesagt, man solle die Finger von solchen Intervention lassen, weil sie nur mit den Methoden des Vernichtungskriegs zu gewinnen seien. Stattdessen hatte er gesagt, man solle die Finger davon lassen, wenn man nicht bereit sei, solche menschenverachtende Methoden anzuwenden. Das ist ein offenkundiger Unterschied.
Schon aus dem genannten Zitat geht hervor, dass sich Baberowski sehr wohl für Kriege gegen Terroristen ausspricht, nämlich dann, wenn diese gewonnen werden können. Daran ließ er im DHM keinen Zweifel. Unter anderem sagte er: „Mit so einer Institution wie ISIS kann das Militär mit Enthauptungsschlägen schnell fertig werden. Das ist kein Problem. Das können die Amerikaner lösen. Man kann die Anführer dieser Bande durch Killerkommandos umlegen lassen. Das ist alles gar kein Problem. Das ist machbar.“
Wenn dagegen „durch einen langen Bürgerkrieg staatliche Strukturen völlig zerstört worden“ seien, müsse man sich „darüber im Klaren sein, dass das viel Geld kosten wird und dass man Soldaten und Waffen in ein Machtvakuum hinein schicken muss“, fuhr Baberowski fort. Dabei sei das Allerwichtigste: „Man braucht dafür den politischen Willen und die politische Strategie und vor allem muss man dann auch sagen, damit das klappt, müssen wir da auch reingehen. Und das muss es uns wert sein. Das kostet Geld. Wir müssen da Truppen rein schicken. Diese Länder wie der Irak, Syrien und Libyen sind nicht mehr im Stande, dieses Problem selbst zu lösen.“
Ähnlich äußerte sich Baberowski auch bei späteren Gelegenheiten. So forderte er am 25. November 2015 in der Esslinger Zeitung, gegen Terroristen die gleichen Methoden anzuwenden, die sie selbst anwenden: „Auge um Auge und Zahn um Zahn.“ Zu den Terroranschlägen in Frankreich sagte er: „Ich fand es fatal, dass Frau Merkel zu den Franzosen gesagt hat: ‚Wir weinen mit ihnen.‘ Wer so reagiert, wird von den Terroristen als Schwächling verachtet.“
Im Januar letzten Jahres wurde er dann in einem Interview mit dem Magazin Cicero explizit gefragt, was er von dem Satz halte: „Terror lässt sich nicht mit Krieg bekämpfen.“ Baberowski antwortete: „Der Satz ist falsch. Wenn Terroristen, wie gegenwärtig die Dschihadisten vom ‚Islamischen Staat‘, einen Krieg erklärt haben, dann ist der Krieg in der Welt. Ich kann ihn nicht aus der Welt schaffen, indem ich seine Existenz leugne. Terror begegnet man nur mit Gewaltmitteln.“
Solche Äußerungen Baberowskis sind ebenso eindeutig wie das Zitat aus dem DHM. Der Versuch, Studierenden zu verbieten, ihn zu zitieren und zu kritisieren, ist daher ein fundamentaler Angriff auf die Meinungsfreiheit. Während Baberowski für Krieg trommelt, will er Kritiker juristisch zum Schweigen bringen.
Ein ausgewiesener rechter Ideologe
Auch wenn sich Baberowski gern als honoriger Professor inszeniert, ist er in Wirklichkeit ein rechter Ideologe. Es gibt wenige Akademiker, die derart häufig und regelmäßig öffentlich zu politischen Fragen Stellung nehmen. Er tritt regelmäßig in Talkshows auf, gibt Interviews und schreibt Artikel, in denen er Standpunkte vertritt, die man aus dem rechten und rechtsextremen politischen Spektrum kennt. Mittlerweile ist er regelmäßiger Kolumnist in der Basler Zeitung, die unter dem Einfluss des Schweizer Rechtsextremisten Christoph Blocher steht.
In mehreren Artikeln hat er die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin angegriffen und ihr Rechtsbruch vorgeworfen. Er behauptete, die Flüchtlinge seien in ihrer Mehrheit „eine Belastung, keine Bereicherung“ (BAZ 7.1.2016) und erklärte: „Die Integration von mehreren Millionen Menschen in nur kurzer Zeit unterbricht den Überlieferungszusammenhang, in dem wir stehen und der einer Gesellschaft Halt gibt und Konsistenz verleiht.“ (FAZ 14.9.2015)
Wie andere Vertreter der äußersten Rechten echauffiert sich Baberowski über die „Diktatur des politisch Korrekten“ und greift „die Tugendwächter“ an. Den Wahlsieg Donald Trumps verteidigte er am 25.11.2016 in der Basler Zeitung unter der Überschrift „Wider die Kultur des politisch Korrekten“ mit den Worten: „Ich wollte, dass meine Stimme zählt, so begründete ein amerikanischer Bürger seine Entscheidung, Trump zu wählen. Wollen wir das nicht alle? Dann gestehen wir es auch allen zu.“
In seinem akademischen Wirken vertritt Baberowski seit langem rechte Standpunkte. Schon als Student unterstützte er im Historikerstreit den Nazi-Apologeten Ernst Nolte, der den Holocaust als verständliche Reaktion auf die Gewalt des Stalinismus dargestellt hatte. Der Spiegel führte Baberowski im Februar 2014 dann als Kronzeugen für die Rehabilitierung Noltes an und zitierte ihn mit den Worten: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“ (Spiegel 7/2014)
In seinen eigenen Schriften geht Baberowski über den Nolte des Historikerstreits hinaus. Man findet darin Formulierungen, die bestreiten, dass die Nazis im Osten einen geplanten Vernichtungskrieg führten, und den Mord an Millionen Menschen als erzwungene Reaktion auf den Widerstand der Roten Armee darstellen. „Hitlers Soldaten führten keinen Weltanschauungskrieg, sie führten vielmehr einen Krieg, dessen Dynamik sie nicht mehr entkamen“, erklärte er etwa in seinem Buch „Verbrannte Erde“ und verneint damit sowohl die Planung der Massenmorde als auch ihre antisemitische Dimension. Fünf Jahre früher hatte er sogar geschrieben: „Stalin und seine Generäle zwangen der Wehrmacht einen Krieg neuen Typs auf, der die Zivilbevölkerung nicht mehr verschonte.“
Während Baberowski Deutschland als „Land der Tugendwächter und Untertanen“ bezeichnet, das Andersdenkende„ins dunkle Deutschland verbannt“ (BAZ 7.1.2016), geht er aggressiv gegen Kritiker seiner rechten Standpunkte vor. Schon Anfang 2014 schloss er kritische Professoren und Studierende aus einer Veranstaltung mit dem diskreditierten Trotzki-Biografen Robert Service aus. Als Studierende der IYSSE an der Humboldt-Universität Flugblätter zu seinen rechten Positionen verteilten, wurde er bei der Universitätsleitung vorstellig, um ihnen Räume zu verbieten. Als sie dann trotzdem große Veranstaltungen durchführten, forderte er in der Presse, sie von der Uni zu schmeißen. Nun geht er so weit, gegen unliebsame Kritik zu klagen.
Ein solches Vorgehen ist von rechten Ideologen zur Genüge bekannt. Werden sie kritisiert, stellen sie sich als Opfer von Verleumdungen und Meinungsdiktatur dar, um dann ihre Kritiker umso rücksichtsloser zu verfolgen, um sie zum Schweigen zu bringen.
Auch im Historikerstreit der 1980er Jahre bestand Noltes Hauptverteidigungslinie darin, den Kritikern Verleumdung zu unterstellen. Die Vorwürfe reichten von „schludriger Recherche und geklitterten Zitaten“ (Michael Stürmer) bis hin zu „verfälschender Zitation“ (Klaus Hildebrand). Nolte selbst beharrte darauf, er sei nicht richtig wiedergegeben worden.
Als Deborah Lipstadt den Holocaustleugner David Irving in ihrem Buch „Denying the Holocaust“ zitierte und auf seine Verteidigung Hitlers hinwies, versuchte dieser zunächst, beim Verlag den Verkauf des Buches zu stoppen und strengte dann eine Verleumdungsklage an, die er verlor. Baberowski benutzt nun ganz ähnliche Methoden, um kritische Studierende einzuschüchtern.
Verteidigt die Bremer Studierendenschaft
Dass Baberowski es wagt, derart aggressiv aufzutreten und die Studierendenschaft der Universität Bremen zu verklagen, hängt mit grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen zusammen. Die Präsidentschaft Trumps hat die Koordinaten des politischen Establishment nach rechts verschoben. Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Militarismus werden auch in Deutschland wieder Teil der offiziellen Politik.
Die Verteidigung der Bremer Studierendenschaft ist deshalb von größter Bedeutung. Es geht um nichts Geringeres als die Verteidigung des Rechts, reaktionäre, nationalistische und militaristische Positionen entlarven und kritisieren zu dürfen. Wenn ein ausgewiesener rechter Ideologe wie Baberowski mit seinen Zensurversuchen durchkommt, bedeutet das die Kriminalisierung von Widerstand gegen den Rechtsruck.
Wir rufen deshalb Schüler, Studierende, Asten, Lehrende und vor allem auch Arbeiter auf, die Bremer Studierendenschaft zu unterstützen. Sendet dem Asta der Universität Bremen Solidaritätsbriefe und schickt eine Kopie an iysse@gleichheit.de
Am kommenden Donnerstag organisiert der Bremer Asta eine Veranstaltung zum Thema, auf die wir alle Interessierten aufmerksam machen möchten.