Nachdem Air Berlin vorige Woche Insolvenz angemeldet hatte, begann sofort ein Wettstreit darüber, wie die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft am profitabelsten zerlegt und ausgeschlachtet werden kann.
Zahlreiche Akteure sind dabei am Werk, mit teils konkurrierenden Interessen. Die Hauptstrippenzieher sind aber zweifellos: die schwarz-rote Bundesregierung, die 150 Millionen Euro an Hilfskredit geleistet hat, die Lufthansa AG, die wohl den größten und lukrativsten Teil sich einverleiben wird, und Air Berlin mit ihrem Vorsitzenden Thomas Winkelmann, der bis zum Februar 2017 Top-Manager bei Lufthansa war.
Sie alle verhandelten bereits seit Monaten hinter den Kulissen darüber, wie Air Berlin ungehindert zerschlagen und dann günstig in den deutschen Flugmarktführer Lufthansa integriert werden kann.
Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi stand von Beginn an hinter der Bundesregierung und Lufthansa. Ihr Vorsitzender Frank Bsirske hält das Vorgehen für „gut und richtig“.
Am Mittwoch traf sich nun erstmalig der Gläubigerausschuss, um über die Zerschlagung der Airline zu beraten. Dieser Ausschuss wurde vom Insolvenzgericht benannt. Ihm gehören Vertreter der Bundesagentur für Arbeit und der Commerzbank, Air-Berlin-Manager sowie der Insolvenzexperte Niklas Lütcke an. Auch die Lufthansa Billigtochter Eurowings ist mit eingeschränkten Rechten darin vertreten. Und natürlich sitzen auch einige Gewerkschaftsvertreter von Verdi im Ausschuss.
Während der Auftaktsitzung konkretisierte Lufthansa ihr Angebot, die lukrativsten Teile Air Berlins zu übernehmen. Demzufolge ist sie an 90 der 140 Flugzeugen von Air Berlin interessiert, inklusive der Niki-Flotte. Der österreichische Touristikflieger Niki gehört zu den besonders attraktiven Teilen des Air Berlin-Konzerns, er arbeitet mit geringen Kosten und besitzt eine moderne Airbus-Flotte.
Auch Condor, die Thomas-Cook-Tochter ist besonders an der Niki-Flotte interessiert und war offenbar in die Gespräche der Gläubiger mit einbezogen. Die weiteren potenzieller Erwerber von Air Berlin sind der britische Billigflieger EasyJet und der irische Low-cost-Flieger Ryanair.
Ryanair kündigte ebenso wie der Luftfahrt-Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl an, Air Berlin vollständig übernehmen zu wollen. Beide beklagen, Lufthansa werde im Verkaufsprozess bevorzugt behandelt und habe schon vorab Zugang zu Wirtschaftsdaten bekommen. Sie sprechen offen von einem abgekarteten Spiel. Daran besteht kein Zweifel, auch sämtliche an dem Deal beteiligten Politiker machen daraus keinen Hehl.
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte dazu: „Ich würde es begrüßen, wenn die Lufthansa größere Anteile von Air Berlin übernimmt.“ Sie fügte hinzu: „Die Lufthansa ist ein Champion im Luftverkehr – ihre Position kann jetzt aber noch gestärkt werden.“ Aus „wettbewerblichen und kartellrechtlichen Gründen“ könne jedoch nicht eine einzige Airline Air Berlin kaufen.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte bereits letzte Woche vom „deutschen Champion im internationalen Luftverkehr“ gesprochen. Es sei daher „dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann“.
Wie lässt sich die völlig einseitige Unterstützung der Bundesregierung zugunsten des mächtigen Lufthansa-Konzerns erklären? Die Süddeutsche Zeitung rätselt darüber, warum sich die Regierung sogar in das laufende Insolvenzverfahren einmischt, und nennt ihr Verhalten schlicht „blamabel“.
Lufthansa war bis in die 1960er Jahre zu 100 Prozent im Staatsbesitz. Erst 1997 wurde das Unternehmen vollständig privatisiert, seitdem wirft es jährlich Milliarden-Gewinne ab. Gemessen am Passagieraufkommen ist Lufthansa mittlerweile Europas zweitgrößter Luftfahrtkonzern. Sie hat reihenweise Fluggesellschaften aufgekauft, wie. z.B. Swiss, die österreichische Austrian, German Wings/Eurowings, die insolvente Alitalia könnte folgen. Insgesamt ist Lufthansa an 400 nationalen und internationalen Gesellschaften beteiligt und beschäftig ca.120.000 Mitarbeiter.
Zweifellos geht es dabei darum, einen lästigen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, immerhin hatte Air Berlin einen 30-prozentigen Anteil des Berliner Flugverkehrs, verfügt über 140 Flugzeuge und besitzt wertvolle Start- und Landerechte (Slots) an den beiden Air Berlin-Standorten Düsseldorf und Berlin. Außerdem möchte Lufthansa auch den ausländischen Billigfliegern Ryanair und Easyjet stärker entgegentreten.
Unterstützt wird Lufthansa auch vom SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der wie immer nationalistische Hetze betreibt, um die deutschen Interessen im Stil von Trump zu vertreten. Im Deutschlandfunk wetterte er gegen Ryanair-Chef Michael O’Leary: „Es gibt keinen hemmungsloseren Manchester-Kapitalisten in Europa als diesen.“ Dabei weiß der SPD-Führer natürlich, dass Lufthansa genau diese hemmungslosen Manchesterbedingungen – sprich Niedriglöhne, prekäre Jobs usw. – einführen möchte. Nur ist er der Auffassung: „Das können wir selbst besser.“ Die von der SPD erlassenen Hartz-Gesetze geben ihm Recht.
Die 8500 Beschäftigten von Air Berlin die jetzt um ihre Arbeitsplätze fürchten, sollen als Brechstange herhalten, um das Lohnniveau bei Lufthansa weiter drastisch zu senken.
Die Verwaltung von Air Berlin in Berlin und Düsseldorf wird vermutlich ganz geschlossen (1200 Beschäftigte), auch viele weitere Arbeitsplätze, wie z.B. im Technikbereich (700), werden ganz wegfallen. Die übrige Crew soll gezwungen werden, neue Verträge zu unterschreiben, die bis zu 50-prozentige Lohnkürzungen beinhalten.
Das Bundesvorstandsmitglied der Gewerkschaft Verdi, Christine Behle, nannte diese Zahlen selbst. Nach einem Gespräch mit dem Personalvorstand von Air Berlin sagte sie: „Dann wären Lohnverluste von bis zu 50 Prozent zu befürchten.“
In bewährter Manier übernimmt jetzt Verdi die Aufgabe, die Entlassungen und die Lohnkürzungen gegen die Belegschaften durchzusetzen. Verdi und Christine Behle, die auch stellvertretende Vorsitzende des Lufthansa-Aufsichtsrats ist, hält es dafür allerdings für unabdingbar, noch stärker beim Insolvenzverfahren eingebunden zu werden.
Wenn Behle jetzt sagt, „Wir wollen mitgestalten“, und einen „Sozialtarifvertrag“ fordert, sollten die Beschäftigten von Air Berlin hellwach werden. Verdi hat in den letzten Jahren jeden Tarifkonflikt, jede Auseinandersetzung, ob bei Lufthansa, bei Air Berlin oder beim Bodenpersonal, systematisch ausverkauft. Lohnsenkungen, prekäre Arbeitsplätze und miserablere Arbeitsbedingungen waren die Folge.
Verdi und Christine Behle werden alles tun, um einen umfassenden Arbeitskampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze zu verhindern. Stattdessen werden sie versuchen, die Piloten und die Bordcrews von Air Berlin, an denen Lufthansa noch interessiert ist, in die Niedriglohntarife zu zwängen. Bei der Lufthansa-Tochter Eurowings hat Verdi trotz heftigem Widerstand des Flugpersonals drastische Lohnsenkungen vereinbart. So verdienen z.B. dort Piloten um die 12.000 Euro weniger.
Es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt für das Verhalten der Bundesregierung. Lufthansa bildet bis zum heutigen Tag traditionell die Piloten der Bundeswehr aus. Alle Piloten, die in Kampfflugzeugen oder Transportmaschinen an den zahlreichen deutschen Kriegseinsätzen zum Einsatz kommen, erhielten ihre fliegerische Grundausbildung in den Schulungszentren der Lufthansa.
Und was vielleicht noch weniger bekannt sein dürfte: Lufthansa bildet seit einigen Jahren auch die Drohnen-Führer der Bundeswehr aus. Ein Sprecher der Fluglinie bestätigte einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. Dem Bericht zufolge findet die Ausbildung bei Lufthansa Flight Training in Bremen statt. Militärische Inhalte würden dabei nicht vermittelt, sagte der Sprecher. Dies decke die Bundeswehr selbst ab.
Bild zitierte einen Lufthansa-Ausbilder, der Sorgen darüber äußerte, die Fluglinie könnte ins Visier von Terroristen geraten. Die Lufthansa verwies darauf, sie führe bereits seit 50 Jahren die nicht-militärische fliegerische Grundausbildung von Bundeswehr-Transportpiloten durch.