Wie schon im letzten, kommt es auch in diesem Jahr an deutschen Kliniken immer wieder zu Protesten gegen unhaltbare Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne. Die Betroffenen sind dabei nicht nur mit privaten Klinikbetreibern und Politikern aller Parteien konfrontiert, die die Gesundheitsversorgung als Profitquelle und Einsparmöglichkeit betrachten, sondern auch mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die die Proteste isoliert und ausverkauft.
Im thüringischen Bad Langensalza wurde im März der Streik an der Celenus-Klinik in der dritten Woche fortgesetzt. Im Dezember 2017 hatten die Verdi-Mitglieder in der Klinik mit über 95 Prozent für einen unbefristeten Streik gestimmt. Dies wurde laut Gewerkschaft am 8. März erneut bestätigt. Die Beschäftigten kämpfen seit Jahren für höhere Löhne. Bereits 2015 war es zu Protesten für mehr Gehalt gekommen.
Bislang wehrt sich die Klinikleitung, die Gehälter auf Tarifniveau anzuheben. Stattdessen setzt das Management die Beschäftigten unter Druck. Der Ton gegenüber den Beschäftigten werde rauer, sagte Verdi-Verhandlungsführer Thomas Mühlenberg. „Anstatt sich an den Verhandlungstisch zu setzen, werden streikende Kolleginnen abgemahnt und mit Kündigung bedroht.“
In Baden-Württemberg hat Verdi die Beschäftigten des Zollernalb-Klinikums an den beiden Standorten Albstadt und Balingen am 19. März zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Auch hier stehen Bezahlung und Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung.
Im hessischen Bad Schwalbach protestierten rund 200 Beschäftigte und Bürger gegen den bundesweit agierenden Helios-Konzern, der die örtliche Klinik schließen will. Die Protestierenden trugen Schilder mit Aufschriften wie „Gesundheit statt Profit“ und „Krankenversorgung im ländlichen Raum sichern“. Bereits Anfang des Jahres war es zu Protesten gekommen.
Helios ist einer der größten privaten Klinikkonzerne in Europa und hat seit den 1990er Jahren zahlreiche ehemalige öffentliche Kliniken erworben. Das ehemalige Kreiskrankenhaus in Bad Schwalbach wurde 2000 privatisiert und gehört seit 2006 zum Konzern. Ungeachtet der ohnehin angespannten Versorgungssituation in der Region schließt der Konzern die Klinik, da diese nicht ausreichend Profite abwirft.
Gegen die schlechte Bezahlung und die miserablen Arbeitsbedingungen in Helios-Kliniken hat sich bereits mehrfach Widerstand formiert. Im letzten Jahr gingen in Bayern die Beschäftigten der Amper-Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf auf die Straße. Im November stimmten dann 97 Prozent der Beschäftigten für Streik. Daraufhin erwirkte die Geschäftsführung ein Streikverbot wegen angeblicher Verletzung der Friedenspflicht.
Hauptforderung der Beschäftigten war die Einstellung von zusätzlichem Personal. Dieses Ziel wurde auch in der Urabstimmung über die Streiks formuliert. Doch Verdi fiel ihnen in den Rücken. Die Gewerkschaft handelte mit dem Management, das ohnehin zu einer geringen Erhöhung der Gehälter bereit war, eine Gehaltserhöhung aus und verkaufte den Einstieg in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) als Erfolg.
Die Forderung nach mehr Personal war damit vom Tisch, obwohl vor den Tarifverhandlungen auch Verdi auf ihrer Homepage deutlich gemacht hatte, dass es um die Überlastung des Personals und die Schaffung zusätzlicher Stellen geht. Laut Süddeutscher Zeitung reagierten die Beschäftigten „frustriert und enttäuscht“. „Wir fühlen uns verraten“, kommentierte Matthias Gramlich von der Unabhängigen Betriebsgruppe.
Am Klinikum im bayerischen Augsburg legten Anfang März Beschäftigte in der Zentralsterilisation, der Anästhesie und der OP-Teams die Arbeit für vier Stunden nieder.
In allen Kliniken der Region sei die Zahl der Überlastungsanzeigen in den vergangenen Wochen gestiegen, begründete dies Stefan Jagel, der zuständige Gewerkschaftssekretär, gegenüber der StadtZeitung online. Viele Stationen seien nur noch mit der Hälfte des notwendigen Personals besetzt. „Im Klinikum betreuten Auszubildende auf einer Station alleine 25 Patienten“, so Jagel.
Eine Streikende sagte der Augsburger Allgemeinen: „Ich streike, weil ein massiver Pflegenotstand in den Kliniken besteht.“ Die Stationen liefen über, es gebe viel zu wenig Personal, sie und ihre Kollegen müssten immer wieder einspringen, ohne Rücksicht auf die eigene Familie.
Insbesondere in den letzten Wochen war die Situation in nahezu allen Kliniken und Pflegeeinrichtungen dramatisch. Die Grippewelle sorgte nicht nur für gestiegene Patientenzahlen, sondern auch für massive Ausfälle beim Pflegepersonal. „Früher spürten wir auch Grippewellen auf der Station. So dramatisch wie diesmal habe ich es jedoch noch nie erlebt“, sagte eine Pflegekraft in Augsburg.
An anderen Kliniken der Region ist die Lage ähnlich. An der Kreisklinik Günzburg hatten zuvor Beschäftigte sechs Stunden gestreikt. Verdi hatte sich aber bemüht, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. So legte die Gewerkschaft fest, dass an einem Tag ausschließlich die Auszubildenden, die Reinigungskräfte und pro Station der jeweilige Gewerkschaftsdelegierte die Arbeit niederlegen.
Es verwundert daher kaum, dass die Klinikleitung nur Lob für Verdi übrig hat. „In der jetzigen Situation, die durch die Grippewelle besonders angespannt ist, trifft uns zwar auch ein abgeschwächter Warnstreik, dennoch erkennt der Vorstand des Klinikums an, dass die Gewerkschaft die Streikaktivitäten in dieser Woche mit Augenmaß dosiert“, erklärte Ines Lehmann, Sprecherin des Klinikums.
Die Gewerkschaft Verdi, die eng mit den zuständigen Landes- und Kommunalpolitikern verflochten ist und teilweise in den Aufsichtsräten der Klinikkonzerne sitzt, setzt alles daran, Streiks und Proteste zu unterdrücken oder klein zu halten. Auf keinen Fall soll es zu einer breiten Streikbewegung kommen, die sich über den gesamten Gesundheitssektor erstreckt.
Einen zweitägigen Warnstreik am Universitätsklinikum Heidelberg sagte die Gewerkschaft kurzfristig ab, als abzusehen war, dass die Warnstreiks im öffentlichen Dienst auf große Resonanz stoßen.
An der Berliner Charité einigte sich Verdi Anfang März nach einer mehrjährigen Auseinandersetzung auf eine geringe Lohnsteigerungen für die 1600 Beschäftigten der ausgelagerten Tochter Charité Facility Management (CFM). Sie erhalten nun einen Grundlohn von 11 Euro die Stunde. Exakt dies hatte die Leitung der Charité bereits im letzten Jahr angeboten.
Verdi-Verhandlungsführer Kalle Kunkel erklärte sich mit dem Ergebnis „sehr zufrieden“. Tatsächlich ist es ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten. Nachdem die Löhne jahrelang auf Mindestlohnniveau stagnierten, gleicht dies nicht einmal die Inflationsrate aus. Darüber hinaus konnte Europas größtes Universitätsklinikum zum siebten Mal in Folge ein positives Jahresergebnis erzielen. Der Überschuss betrug 1,8 Millionen Euro. Der Umsatz stieg im vergangenen Jahr um 22,7 Millionen Euro auf 1,44 Milliarden.