Am Dienstag hat der Student_innenRat der Universität Leipzig der Hochschulgruppe IYSSE den Status als AG verweigert und damit de facto eine Zensur linker und sozialistischer Standpunkte auf dem Campus verhängt. Während zahlreiche offen rechte Gruppen anerkannt werden und Räume für Veranstaltungen mit rechtsextremen Ideologen erhalten, soll die IYSSE, die gegen die rechte Gefahr auftritt, kein Recht haben, Räume zu nutzen und Infotische auf dem Campus zu machen.
Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) sind eine sozialistische Jugend- und Studentenorganisation und kämpfen auf der ganzen Welt gegen den Aufstieg der extremen Rechten, den wachsenden Militarismus und dessen Wurzel, den Kapitalismus.
In Deutschland sind die IYSSE für ihren Kampf gegen rechte und militaristische Ideologie an den Universitäten bekannt. Sie haben die rechtsradikalen Positionen von Jörg Baberowski an der Humboldt Universität Berlin, Thomas Rauscher an der Uni Leipzig und anderer Professoren scharf kritisiert. Dafür sind sie von Medien, Parteien und Hochschulen immer wieder angegriffen und verleumdet worden, während sich zahlreiche Asten und andere Studierendenvertretungen hinter ihre Kritik gestellt haben.
Der StuRa macht sich nun mit den rechten Kräften gemein und will Kritik an ihnen auf dem Campus unterdrücken. Denn ohne AG-Status des StuRa dürfen Hochschulgruppen keine Veranstaltungen abhalten, Infotische aufstellen oder andere politische Aktivitäten auf dem Campus entfalten.
Der StuRa hatte der IYSSE bereits vor zwei Jahren den AG-Status verweigert. Damals schrieb die IYSSE in einem offenen Brief an den StuRa: „Während der RCDS, der in Bremen den rechtsradikalen Professor Baberowski an die Universität eingeladen hat, in Leipzig kostenlos Räume erhält, zensiert Ihr Kritiker dieser Politik. Ihr schafft so einen Campus, auf dem sich die Rechten ausbreiten können und marxistische Politik verboten wird. Das erinnert an die Selbstgleichschaltung der Universitäten im Nationalsozialismus.“
Diese Einschätzung hat sich seither mehr als bestätigt. Während die IYSSE und andere linke Gruppen vom Campus verbannt wurden, haben rechte Hochschulgruppen wie der von Burschenschaften geprägte RCDS oder die FDP-nahe Gruppe „Freier Campus“ zahlreiche Veranstaltungen abgehalten, unter anderem mit dem Pegida-Verteidiger Werner Patzelt.
Der StuRa selbst hatte im Mai letzten Jahres eine Veranstaltung mit dem erklärten AfD-Anhänger Thomas Maul an der Universität Leipzig organisiert. Erst nachdem sich zahlreiche Studierende gegen diese Einladung ausgesprochen hatten, trat der StuRa von seiner Unterstützung offiziell zurück, hielt aber die Solidarität mit den Veranstaltern aufrecht. Maul hatte die AfD unter anderem als „einzige Stimme der Restvernunft im Deutschen Bundestag“ bezeichnet.
Die IYSSE dürfen ihre Veranstaltung „Stoppt den Rechtsruck an den Universitäten“ dagegen nicht in den Räumen der Universität abhalten. Mitglieder des StuRa begründeten diese Zensur mit eindeutig rechten Argumenten. So rechtfertigte ein Vertreter seine ablehnende Haltung damit, dass die IYSSE den Nationalstaat und damit die Bundesrepublik Deutschland ablehne und die Große Koalition als rechteste Bundesregierung der Nachkriegszeit bezeichne. Dies darf an der Universität Leipzig offenbar nicht gesagt werden. Ein anderes Mitglied rechtfertigte die Zensur der IYSSE damit, dass sie sozialistische Prinzipien vertrete und antikapitalistisch sei. Dies könne er moralisch nicht verantworten.
Die Offensive gegen die IYSSE wurde von Vertretern der Jusos angeführt, die auf der Sitzung am längsten sprachen und am aggressivsten auftraten. Sie erklärten unter anderem, dass man die IYSSE nicht unterstützen dürfe, weil sie vor der Selbstgleichschaltung der Universitäten gewarnt habe. Dies sei „geschichtsrevisionistisch“, so der Vertreter der SPD-Jugendorganisation.
Nach dieser Logik ist ein Geschichtsfälscher, wer vor der rechten Gefahr warnt, und nicht wer die Verbrechen der Nazis verharmlost und ihre Taten rechtfertigt. Ein Argument, dass sonst von der AfD und anderen Rechtsextremisten gegen ihre Kritiker vorgebracht wird.
Der Juso-Vertreter fügte noch hinzu, dass der StuRa in Konflikt mit der Leitung der Universität Leipzig geraten würde, wenn er der IYSSE AG-Status gäbe. Man würde sich „mit den Leuten anlegen, von denen wir leider abhängig sind“, so der SPD-Nachwuchs. Offensichtlich finden zwischen Vertretern des StuRa und der Universitätsleitung Gespräche darüber statt, wie sozialistische und linke Studierendengruppen vom Campus ferngehalten werden können.
Zu Beginn der StuRa-Diskussion hatte der Juso-Vertreter auch behauptet, dass die IYSSE „stramm anstisemitisch“ sei. Dies war vor zwei Jahren der Hauptvorwurf gegen die IYSSE gewesen. IYSSE-Sprecher Christopher Khamis bezeichnete dies als unverschämte Lüge, die dazu diene, die Zensur einer linken und antifaschistischen Gruppe zu rechtfertigen.
Als Teil der trotzkistischen Weltbewegung habe die IYSSE den Antisemitismus zu jeder Zeit in all seinen Formen aufs Schärfste bekämpft. Mitglieder des StuRa hätten hingegen die antikapitalistischen Standpunkte der IYSSE, ihre Kritik an der rechten Politik Netanjahus und ihre Ablehnung nationaler Perspektiven als Antisemitismus umgedeutet, so Khamis. Das ist nicht nur absurd, sondern stellt tatsächlich eine Verharmlosung des Antisemitismus dar, der in Halle fast zu einem Massaker geführt hat. Nach Khamis Erwiderung ließen die StuRa-Vertreter das Thema fallen.
Die Zensur der IYSSE und andere linker Gruppen an der Universität Leipzig ist völlig inakzeptabel. Sie dient dazu, rechtsextremen Kräften den Weg zu bahnen, indem Kritik an ihnen unterdrückt wird. Das ist in Sachsen, wo die AfD zweitstärkste Partei und Verfassungsschutz und Polizei eng mit rechtsextremistischen Kreisen verwoben sind, besonders bedeutsam. Der Anschlag von Halle war eine unmissverständliche Warnung.
Auf Bundesebene haben die Parteien der Großen Koalition die AfD zur offiziellen Oppositionsführerin gemacht und setzen ihr rechtes Programm in die Tat um. Die Bundesregierung schafft ein umfassendes Netzwerk von Abschiebelagern, rüstet die Geheimdienste und die Polizei auf und bereitet brutale Kriege vor, wie jetzt im Nahen Osten.
Wer diese Politik kritisiert oder gegen die AfD auftritt, wird vom Geheimdienst und anderen Teilen des Staatsapparats angegangen. So bezeichnete der Verfassungsschutz Sachsen Teilnehmer eines Konzerts gegen den rechten Terror in Chemnitz als linksextremistisch. Die Mutterpartei der IYSSE, die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), wird im Verfassungsschutzbericht erstmals als linksextremistisch diffamiert, weil sie sich gegen Nationalismus und Kapitalismus wendet.
Die Jugendorganisationen der Regierungsparteien, die unter Studierenden nicht ansatzweise über eine Mehrheit verfügen, nutzen ihre Stellung, um an den Universitäten Zensur zu verhängen. Sie wollen jeden mundtot machen, der die Politik der Regierung kritisiert und den Rechten entgegentritt.
Wir rufen deshalb alle Studierenden auf, diesem Angriff auf demokratische Rechte entgegenzutreten. Nehmt Kontakt mit uns auf, schickt uns Protestschreiben und kommt zu unseren Veranstaltungen.