Die Autokrise wirft ihre Schatten voraus, viele Zulieferer bauen jetzt schon Arbeitsplätze ab. Ein wahres Stellenmassaker findet in den Stahlwerken statt, die Motorblöcke und andere Komponenten für die Autoindustrie herstellen.
Nicht nur ThyssenKrupp ist von Werkschließungen und Arbeitsplatzabbau betroffen. Auch bei Buderus Edelstahl in Wetzlar werden zum Jahresende 325 Stellen oder ein Viertel der Belegschaft gestrichen. Vor der Schließung steht die Gelenkwellenproduktion GKN Automotive in Kaiserslautern, die ehemals zu Opel gehörte.
Im Saarland haben die Gusswerke Saarbrücken (ehemals Neue Halberg Guss) vor den Feiertagen den letzten 450 Stahlarbeitern zum 31. März 2020 gekündigt. Auch die 600 Arbeiter des Werks, die im Herbst „bis auf weiteres“ freigestellt worden waren, sind nun offiziell entlassen worden. Ende März 2020 soll das Werk geschlossen werden. Geprellt sind damit auch all diejenigen, die im Juli oder September zugestimmt haben, das Werk mit einer Abfindung freiwillig zu verlassen. Für ihre Abfindungen sei kein Geld mehr vorhanden. Andere Arbeiter haben monatelang ihre Löhne nicht erhalten. „Da gibt es nichts mehr“, so der Insolvenzverwalter Franz Abel dazu.
Die Gießerei in Saarbrücken-Brebach stellt Motorblöcke, Zylinderköpfe und Kurbelwellen für die Autoindustrie her und hat vor allem VW und dessen Lkw-Tochter Scania beliefert, daneben General Motors (früher Opel), Deutz, Daimler und Perkins, das zu Caterpillar gehört. All diese Werke rüsten sich für den Umbau und die Krise in der Autoindustrie. Für die Zulieferer bedeutet das mehr Druck und weniger Aufträge, für ihre Beschäftigten brutale Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne.
Was diese Angriffe betrifft, sind die Stahlarbeiter nicht nur mit den alten und neuen Besitzern und ihren Abnehmern konfrontiert, sondern ebensosehr mit den Manövern der IG Metall. Die Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte sind Experten für einen angeblich „sozialverträglichen“ Arbeitsplatzabbau. Sie verstehen es, die Arbeiter immer wieder durch hohle Phrasen und falsche Versprechungen von jedem wirksamen Widerstand abzuhalten.
Sogar jetzt noch versuchen die IGM-Funktionäre, Illusionen in einen weiteren Käufer zu schüren: Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Saarbrücken, Patrick Selzer, und der Betriebsratschef Bernd Geier konzentrieren sich zusammen mit dem saarländischen Wirtschaftsstaatssekretär Jürgen Barke (SPD) auf den letztmöglichen „weißen Ritter“. Potentieller Käufer der Gießerei könnte die Ferraro Group in Neunkirchen sein, die Schrott zu Metallprodukten verarbeitet. Eine wirkliche Schrott-Perspektive: Der Abbruch-Spezialist Ferraro hat sich auf das Abwracken und Ausschlachten von brachliegenden Industrieanlagen spezialisiert; sein Slogan lautet: „Wir schaffen Platz für Neues.“
Sollte Ferraro die Gießerei übernehmen, dann wäre dies bereits der sechste Eigentümer im Verlauf von acht Jahren.
Ende 2011 wurde die in französischem Besitz stehende Halberg-Gruppe von einer holländischen Private-Equity-Gesellschaft aufgekauft und später unter dem Namen „Neue Halberg Guss“ (NHG) an die Süddeutsche Beteiligungs GmbH weitergereicht. Im Januar 2018 erwarb die Prevent-Gruppe der bosnischen Hastor-Familie die Gießerei mit noch über 2200 Beschäftigten.
Ende Mai 2018 kündigte die NHG die Schließung des Leipziger Werks mit noch 700 Mitarbeitern und die Entlassung von 300 Arbeitern in Saarbrücken an. Darauf stimmten beide Belegschaften einstimmig für gemeinsame Kampfmaßnahmen. Ab Juni 2018 legten die Arbeiter sieben Wochen lang parallel in beiden Werken die Arbeit nieder. Den Abtransport von Maschinen verhinderten sie durch Torbesetzungen, und gemeinsam mit Arbeitern aus andern Betrieben organisierten sie Proteste in Saarbrücken, Leipzig, Frankfurt und Berlin.
Doch die IG Metall weigerte sich, den Streik auszuweiten und andere Betriebe, die mit sehr ähnlichen Problemen konfrontiert waren, in den Arbeitskampf einzubeziehen. Ihre Forderung war von Anfang an nur die nach einem „sozialverträglichen“ Arbeitsplatzabbau, nicht nach Verteidigung aller Arbeitsplätze. Als der Streik Wirkung zeigte und bei Opel und Deutz für Stillstände sorgte, brach die IG Metall ihn Ende Juli 2018 ab. Stattdessen unterstützte sie den Verkauf der Gießereien.
Am 29. November 2018 wurden beide Werke an das Konsortium One Square Advisors verkauft. Die Werke wurden als Gusswerke Saarbrücken, bzw. Gusswerke Leipzig getrennt unter dem Dach von AVIR Guss Holding weitergeführt. Die Leiharbeiter wurden entlassen und rund 300 Stellen gestrichen.
Das Konsortium kündigte dann im Juli 2019 den Abbau von 200 der 1200 Arbeitsplätze im Saarbrücker Werk an. Kurze Zeit später, am 20. September 2019, meldeten die Gusswerke Saarbrücken Insolvenz an. Weitere 600 Stahlarbeiter wurden „freigestellt“, ehe jetzt zum Jahresende allen gekündigt wurde.
Im September 2019 prämierte die IG Metall auf ihrer Betriebsrätekonferenz in Berlin die Betriebsräte von Halberg Guss und stellte sie ausdrücklich als Vorbild hin, weil sie im letzten Jahr einen so erfolgreichen Arbeitskampf geführt hätten. Aber was ist das Ergebnis dieses Arbeitskampfs?
Tatsächlich hat es die IG Metall bei Halberg Guss in wenigen Monaten nicht nur geschafft, einen in zwei Werken gemeinsam geführten Arbeitskampf von 2200 Stahlarbeitern abzuwürgen, sondern sie hat das Unternehmen in zwei gegeneinander konkurrierende Schrumpfbetriebe verwandelt, die beide nicht überlebensfähig sind. Schon jetzt sind weit mehr als die ursprünglich drohenden Entlassungen durchgesetzt worden. Auch das Leipziger Werk mit noch rund 500 Arbeitern hat im Oktober Insolvenz angemeldet.
Die World Socialist Web Site hat immer wieder über den Kampf bei der Neuen Halberg Guss berichtet. Sie warnte schon im Juni 2018 vor der „reaktionären und zynischen Rolle der IG Metall“. Die Gewerkschaft ist in erster Linie der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft – und nicht den Interessen der Stahlarbeiter – verpflichtet.
Dies zeigte sich deutlich, als es zum Show-down zwischen dem größten deutschen Autokonzern, Volkswagen, und seinem Zulieferer, der Neuen Halberg Guss, bzw. ihrem Besitzer Prevent/Hastor kam. Im Profitschacher zwischen VW und Prevent bezogen die IGM-Gewerkschafter entschieden Stellung aufseiten von VW. Mit Volkswagen ist die IG Metall aufs Engste verbunden. Zusammen mit den SPD-Stimmen des Landes Niedersachsen verfügt sie sogar über eine Stimmenmehrheit im VW-Aufsichtsrat. Als Prevent die Preise für VW erhöhte, nutzte die IG Metall den Arbeitskampf der Stahlarbeiter, um Druck auf Prevent auszuüben. Dazu missbrauchte sie die Sorgen der Arbeiter und ihre Bereitschaft, für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen.
Der Kampf, den die IG Metall an der Seite von VW führte, war erfolgreich: Prevent musste am Ende die Gießereien verkaufen. Aber den Arbeitern nützte das nichts, sie hatten das Nachsehen und waren am Ende die Betrogenen. Trotz ihres Siegs bestellen VW (und auch GM) ihre Motorenblöcke inzwischen woanders. Ein Teil der Produktion wird mittlerweile von der Fritz Winter Eisengießerei im hessischen Stadtallendorf ausgeführt. Diese Gießerei, die schon zuvor für Scania produziert hat, setzt ebenfalls ihre Arbeiter unter Druck. Natürlich ist es ebenfalls ein IG Metall-organisierter Betrieb, was bedeutet, dass die Gewerkschaft leicht alle Stahlarbeiter gemeinsam gegen die Manöver der Konzerne hätte mobilisieren können.
Vor genau einem Jahr, als die IG Metall den Verkauf an One Square Advisors bejubelte, schrieb die WSWS: „Das ganze Manöver läuft auf einen weiteren Verkauf an den x-ten neuen Finanzhai hinaus, der aus den Gießereiarbeitern Profite für seine Aktionäre herausschlagen und die Werke dann weiterverkaufen will.“ Der Erhalt der Arbeitsplätze sei damit „keineswegs gesichert“, heißt es weiter. „Voraussichtlich ist er im neuen Unternehmen noch unmittelbarer vom nackten Gewinn abhängig.“ Genauso ist es gekommen.
Es ist höchste Zeit, dass die Arbeiter aus diesen bitteren Erfahrungen Konsequenzen ziehen und mit der IG Metall brechen. Die bankrotte nationalistische Strategie der Gewerkschaft kann nur zu immer neuen Angriffen auf die Arbeiter führen, und politisch führt sie zu Handelskrieg und Krieg.
Solange die IG Metall über alle Schritte entscheidet und jeden Arbeitskampf sabotiert, sind den Arbeitern die Hände gebunden. Deshalb schlagen die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei vor, in allen Betrieben Aktionskomitees zu gründen, die völlig unabhängig von der IG Metall agieren. Diese Komitees müssen Kontakt zu Kollegen in den andern Werken aufnehmen und alle Fragen des Kampfs gemeinsam selbst entscheiden.
Siehe auch:
Der Streik bei Neue Halberg Guss und die Rolle der IG Metall, von Ulrich Rippert, 26. Juli 2018