Die 56. Münchner Sicherheitskonferenz war geprägt vom Zusammenbruch des NATO-Bündnisses bei gleichzeitigen Vorbereitungen auf einen „Großmachtkonflikt“. Die imperialistischen Mächte geraten einmal mehr bei der Aufteilung der Welt aneinander.
Recht unverblümt heißt es im Munich Security Report, der im Vorfeld der Konferenz erschienen ist, dass „ein großer zwischenstaatlicher Krieg nicht unbedingt der Vergangenheit angehört“. Vielmehr „könnte die Rückkehr eines intensiveren Großmachtwettbewerbs Krieg wieder wahrscheinlicher machen“.
In seiner Ansprache an die Delegierten warnte US-Verteidigungsminister Mark Esper: „Wir befinden uns jetzt in einer Ära des Großmachtwettbewerbs“. Dies bedeute, dass „wir uns von Konflikten geringer Intensität entfernen und uns erneut auf einen Krieg hoher Intensität vorbereiten müssen.“
Unter den Vertretern der imperialistischen Mächten herrschte allgemein Einigkeit, dass man sich auf Kriege vorbereiten muss. Uneins war man sich nur darüber, gegen wen diese gerichtet sein werden.
In dieser aufgeladenen Atmosphäre brachen lange schwelende Spannungen und Streitigkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und Europa an die Oberfläche. In der Nachkriegsgeschichte war der Graben zwischen Washington und den NATO-Verbündeten nie so groß wie heute.
Unmittelbar im Vorfeld der Konferenz hatten Frankreich, Deutschland und zuletzt Großbritannien entschieden, sich nicht der US-Forderung zu beugen, wonach das chinesische Telekommunikationsunternehmen Huawei vom Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur in diesen Ländern ausgeschlossen werden sollte.
Verschiedene US-Vertreter drängten die NATO-Verbündeten, sich der antichinesischen Achse anzuschließen. Die Drohungen von US-Verteidigungsminister Esper verbanden sich mit den moralischen Appellen von US-Repräsentantenhaussprecherin Nancy Pelosi und dem leeren Triumphalismus von US-Außenminister Mike Pompeo („Der Westen gewinnt“).
Die Spannung zwischen den USA und ihren NATO-Verbündeten war so deutlich, dass eine chinesische Diplomatin massiven Applaus erntete, als sie die Behauptung von Nancy Pelosi in Frage stellte, Huawei exportiere digitalen „Autoritarismus“.
Pelosi und Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im amerikanischen Parlament, der gerade Trump mit dem Vorwurf fehlender Härte gegen Russland aus dem Amt entfernen wollte, bildeten gemeinsam mit dem US-Verteidigungsminister eine geschlossene Front gegenüber der Volksrepublik China, die von Esper als „die Hauptsorge des Pentagon“ bezeichnet wurde.
Auf die Frage, ob sie mit der China-Politik von Präsident Trump einverstanden sei, antwortete Pelosi, dass „wir in dieser Hinsicht Übereinstimmung haben“.
Jenseits der explosiven Spannungen war die gesamte Veranstaltung von einem tiefen Unbehagen und einer Atmosphäre der Krise geprägt. Im Vorwort zum Munich Security Report stellt Konferenzleiter Wolfgang Ischinger fest, dass der Westen in Frage gestellt wird.
Der Titel der Konferenz lautete „Westlessness“. Der Munich Security Report benutzt Spenglers „Untergang des Abendlandes“ als Klammer, um eine ganze Reihe von Krisen zu erfassen: den Niedergang der amerikanischen Hegemonie, die Zunahme von Konflikten zwischen den Vereinigten Staaten und Europa, den Aufstieg der faschistischen Rechten und den Zusammenbruch internationaler Normen.
Der Bericht spricht von „Gräben“ und „Spaltungen innerhalb des Westens“ und greift eine ganze Reihe von Themen auf, „von der Zukunft des Iran-Abkommens oder des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 bis hin zu den Verteidigungsausgaben der NATO und den transatlantischen Handelsungleichgewichten“.
Tatsächlich kündigten die Vereinigten Staaten noch während der Veranstaltung neue Zölle auf europäische Flugzeuge an. US-Energieminister Dan Brouillette unterstrich seine Erwartung, dass US-Sanktionen Deutschland dazu zwingen werden, die Pläne zum Bau der Gaspipeline mit Russland aufzugeben.
Der Konflikt um Huawei ist an sich schon bedeutend, aber in vielerlei Hinsicht auch ein Stellvertreterkonflikt. Wie in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg drängen die Großmächte auf eine Neuaufteilung der Welt, wobei sie sich der kolonialen Sprache von „Einflusssphären“ bedienen.
In einem Artikel in der Zeitschrift Foreign Affairs hieß es kürzlich: „Die Unipolarität ist vorbei und mit ihr die Illusion, dass andere Nationen einfach den ihnen zugewiesenen Platz in einer von den USA geführten internationalen Ordnung einnehmen. Für die Vereinigten Staaten bedeutet dies, die Realität zu akzeptieren, dass es in der Welt von heute Einflusssphären gibt - und dass nicht alle davon amerikanische Sphären sind.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In ihren Beiträgen machten alle europäischen Staats- und Regierungschefs deutlich, dass sie erreichen möchten, was Kaiser Wilhelm einen „Platz an der Sonne“ nannte.
„Europa wird seine Stärken künftig ausspielen müssen“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Und weiter: „Um es klar zu sagen: Deutschland ist bereit, sich stärker zu engagieren, auch militärisch. … Und man muss heute hinzufügen: auch im Irak, in Libyen und im Sahel “.
Nach der Auflösung der UdSSR im Jahr 1991 machten sich die Vereinigten Staaten daran, die Welt durch nackte Militärmacht neu zu organisieren, beginnend mit dem ersten Golfkrieg. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) betrachtete den Golfkrieg als
Beginn einer abermaligen imperialistischen Neuaufteilung der Welt. Das Ende der Nachkriegsära bedeutet auch das Ende der nachkolonialen Ära. Während sie das ‚Scheitern des Sozialismus‘ verkündet, gibt die imperialistische Bourgeoisie – in Taten, wenn auch noch nicht in Worten – auch das ‚Scheitern der Unabhängigkeit‘ bekannt. Die zunehmende Krise, in der sich alle wichtigen imperialistischen Mächte befinden, zwingt sie dazu, die Kontrolle über strategische Rohstoffquellen und Märkte zu sichern. Ehemalige Kolonien, die eine gewisse politische Unabhängigkeit erreicht hatten, müssen erneut unterworfen werden. Durch seinen brutalen Anschlag auf den Irak zeigt der Imperialismus seine Absicht an, wieder die ungezügelte Vormachtstellung über die zurückgebliebenen Länder zu errichten, wie er sie vor dem Zweiten Weltkrieg hatte.
Der Versuch des US-Imperialismus, sich die Welt zurückzuerobern, verursacht nicht nur immenses menschliches Leid, sondern endet auch in einer Katastrophe für die Vereinigten Staaten. Wie die jüngste Ausgabe von Foreign Affairs deutlich macht:
Die amerikanischen Politiker haben sich fast drei Jahrzehnte lang an der Prämisse orientiert, dass die Planer im Pentagon 1992 festgelegt haben: Die Vereinigten Staaten sollten eine militärische Überlegenheit aufrechterhalten, die so überwältigend ist, dass sie Verbündete und Rivalen gleichermaßen davon abhalten würde, die Autorität Washingtons in Frage zu stellen. Diese Überlegenheit wurde schnell zum Selbstzweck. Durch das Streben nach Dominanz statt bloßer Verteidigung stürzte die Strategie des Primats die Vereinigten Staaten in eine Abwärtsspirale: Amerikanische Aktionen erzeugten Gegenspieler und Feinde, die wiederum die Verfolgung des Primats gefährlicher machten.
Auch wenn die Serie blutiger Kriege der Vereinigten Staaten eine Katastrophe nach der anderen hervorgerufen hat, sieht der US-Imperialismus, mit der charakteristischen Hybris, neue Kriege und neue Bedrohungen als Mittel, um sich aus dieser Krise zu befreien. Aber dies verursacht nur neue Katastrophen.
So stumpf wie die Vertreter der imperialistischen Mächte von ihren Vorbereitungen auf den Weltkrieg sprechen, so akut ist die immense Gefahr, der die Menschheit ausgesetzt ist. Es ist dringend an der Zeit, eine neue massenhafte Antikriegsbewegung auf Basis der internationalen Arbeiterklasse aufzubauen.