Grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg mobilisiert Armee gegen Flüchtlinge

Vor wenigen Tagen berichtete die World Socialist Web Site über den weitreichenden Einsatz der Bundeswehr in Baden-Württemberg und warnte, dass es dabei auch um die Kontrolle von Flüchtlingsheimen und die Unterstützung der Polizei gehe.

Nun wurde bekannt, dass Soldaten seit Anfang dieser Woche in der Landesaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (LEA) in Ellwangen im Einsatz sind. Laut einem Bericht der Schwäbischen Zeitung sind 35 Soldatinnen und Soldaten am Montagnachmittag in der früheren Reinhardt-Kaserne "angekommen – überwiegend Infanteristen, aber auch drei Sanitätssoldaten“. Auch in der temporären Isolierunterkunft für Flüchtlinge in Althütte-Sechselberg und der kurzfristig in Betrieb genommenen Außenstelle der Ellwangener LEA in Giengen an der Brenz sind bereits Soldaten im Einsatz.

Der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister der grün-schwarzen Landesregierung, Thomas Strobl (CDU), pries die Mobilisierung mit den Worten: „Die Bundeswehr unterstützt uns in immer mehr Einrichtungen für Geflüchtete: zuerst in Althütte-Sechselberg, seit heute auch in Ellwangen und Giengen an der Brenz. Wir sind für diese Unterstützung in solch einer Situation ausgesprochen dankbar. Auf die Bundeswehr ist Verlass, wir können auf die Bundeswehr zählen.“ Die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) halte Wort und löse „die Zusage ein, die sie mir vor einem Monat gegeben hat“.

Wie die Bundesregierung, versucht auch die baden-württembergische Landesregierung die Mobilisierung der Bundeswehr als „Hilfseinsatz“ gegen die Corona-Pandemie zu präsentieren, die sich nun auch in den Flüchtlingsunterkünften rapide ausbreitet. Berichten zufolge sind allein in Ellwangen mittlerweile fast die Hälfte der über 600 Flüchtlinge mit Covid-19 infiziert. „Das stellt uns alle vor organisatorische Herausforderungen“, erklärte der grüne Regierungspräsident Wolfgang Reimer. „Die zusätzliche Unterstützung durch die Bundeswehr“ sei deshalb „sehr wertvoll“.

In Wirklichkeit dient der Einsatz nicht der notwendigen medizinischen Versorgung der Flüchtlinge, sondern ist vor allem auf die polizeilich-militärische Kontrolle der Lager ausgerichtet. Auf Grundlage der drei Amtshilfeanträge, die derzeit im Regierungsbezirk Stuttgart „in der Durchführung“ seien, würden „Personal, Material, Infrastruktur und sanitätsdienstliche Unterstützung bis hin zu Managementleistungen und administrative Unterstützung bereitgestellt“, erklärte Oberst Christian Walkling, Kommandeur des Landeskommandos Baden-Württemberg. Die Armee stehe „unverändert 24/7 beratend und unterstützend zur Verfügung.“

Die grün-schwarze Landesregierung, die jetzt die Soldaten unter dem Deckmantel der Pandemie-Bekämpfung in die Flüchtlingslager schickt, ist selbst für die explosionsartige Ausbreitung des Virus verantwortlich. Obwohl sie beteuert, nach Ausbruch der ersten Infektionen vor zwei Wochen umgehend Quarantänemaßnahmen durchgeführt zu haben, wurde nichts unternommen, die beengten Wohnverhältnisse, mit denen die Flüchtlinge dort konfrontiert sind, zu lösen. Auch an den katastrophalen hygienischen und medizinischen Bedingungen im Lager – viele Flüchtlinge müssen sich Toiletten, Küchen und Schlafräume teilen und oft ist nicht mal Seife verfügbar – änderte sich trotz der Warnung von Experten und Flüchtlingshelfern nichts.

„Wenn Menschen auf engem Raum in Lagern leben müssen, ist die Gefahr groß, dass viele krank werden. Ohnehin ist die Belastung in Großunterkünften groß, weil es kaum Privatsphäre und Rückzugsorte gibt und weil die Betroffenen isoliert und ohne sozialen Anschluss am Rande von Ortschaften leben“, warnte Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von Pro Asyl, bereits Ende März. Es sei „höchste Zeit, die Großunterkünfte zu schließen und die Menschen zügig auf die Kommunen zu verteilen“, fügte er mahnend hinzu. Nur so könne „eine Ausbreitung des Virus verhindert werden“. Als mögliche Lösungen führte Burkhardt auch Hotels und Hostels an, die aufgrund der Stornierungen die nötige Kapazität hätten.

All diese Forderungen und Warnungen wurden von der Landesregierung ignoriert. Stattdessen wurden die Lager, in denen Covid-19-Fälle auftraten, abgeriegelt, und die Flüchtlinge ihrem Schicksal überlassen. In Ellwangen sichert die Polizei im Drei-Schicht-Betrieb die Ausgangssperre und sorgt damit de facto dafür, dass die Bewohner den Virus auf engstem Raum weiter verteilen. Nun werden die Polizeieinheiten durch die Armee verstärkt.

Der unmenschliche Umgang mit der Corona-Pandemie in den Flüchtlingsunterkünften ist kein Zufall. Er zeigt in aller Schärfe den reaktionären Charakter der grün-schwarzen Landesregierung, die sich in der Flüchtlingspolitik seit langem an der rechtsextremen AfD orientiert, rassistische Hetze verbreitet und brutal abschiebt.

2019 wurden aus Baden-Württemberg 2648 Asylsuchende abgeschoben. Nach Auffassung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg führte das Festhalten des Landes an den monatlichen Sammelabschiebungen in die Westbalkanländer zu einer Häufung besonders unmenschlicher Abschiebungen. Die Schülerin Fatima A. wurde am 27. Juni 2019 rechtswidrig deportiert. Es werden Menschen abgeschoben wie Gylten (23) und Gylilje Tahiri (21), zwei junge Roma-Frauen, die 20 Jahre lang in Deutschland aufgewachsen sind, ihren Lebensunterhalt selbst bestritten und von ihren Mitmenschen als „offen, freundlich und ehrlich“ charakterisiert werden.

Eine hochschwangere, psychisch kranke Frau wurde von ihrem Partner getrennt und mit ihrer 15-jährigen Tochter am 23. April 2019 nach Albanien abgeschoben. Melanie Skiba vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg äußerte sich zu der Abschiebung folgendermaßen: „Der vorliegende Fall zeigt ganz deutlich, dass die Abschiebepolitik des Landes derzeit meilenweit davon entfernt ist, einen Rest an Humanität zu bewahren.“

Am 30. April 2018 verhinderten etwa fünfzig Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen die Deportation eines jungen Mannes durch eine gewaltfreie Protestaktion. Drei Tage später stürmten mehrere Hundertschaften vermummter und bewaffneter Polizisten die Einrichtung. Sie drangen in die Zimmer ein und überraschten die Bewohner im Schlaf. Die Vorkommnisse der Nacht wurden für eine beispiellose Hetzkampagne gegen Flüchtlinge benutzt. Reporter der WSWS interviewten Betroffene nur wenige Tage nach dem Vorfall.

Interview mit Flüchtlingen in Ellwangen: "Wir wissen nicht, ob wir hier in Sicherheit sind"

Führende baden-württembergische Grüne wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hetzen seit langem in extrem rechter Weise. Er wolle „junge Männerhorden“ unter den Flüchtlingen trennen und aus den Städten nehmen, erklärte Kretschmann in einem Interview mit der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen Ende 2018. „Der Gedanke, dass man da welche in die Pampa schickt“, sei „nicht falsch“. Salopp gesagt sei „das Gefährlichste, was die menschliche Evolution hervorgebracht hat, junge Männerhorden. Solche testosterongesteuerten Gruppen können immer Böses anrichten.“

Palmer ist berüchtigt für seine ständigen Avancen an die AfD. „Wir als Partei mit staatspolitischer Verantwortung müssten uns überwinden und einen integrativen Ansatz versuchen, der auch im AfD-Wähler erst mal den Demokraten sieht und nicht den Nazi“, forderte er im Januar 2019 in der Bild am Sonntag. In einem Facebook-Post im gleichen Monat hetzte er mit folgenden Worten gegen angebliche Gewalttäter, die ihm am Tübinger Bahnhof begegnet seien: „Deutsch sprach niemand. Einschließlich der Männer in der Bahnhofshalle waren es 18 junge Männer, davon sechs Schwarzafrikaner und augenscheinlich alle Migranten.“

Das ist die Sprache der AfD. Hinter den gefängnisähnlichen Zuständen der Flüchtlingsunterkünfte, die nun mit Hilfe des Militärs aufrechterhalten werden und das Leben hunderter Menschen gefährden, steckt letztlich eine bewusste Politik. Ganz nach dem Motto: Wer tot ist muss nicht abgeschoben werden.

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