Die verfassungswidrige Entsendung paramilitärischer Spezialeinheiten in Städte überall in den USA ist eine Kriegserklärung der Trump-Regierung an die Bevölkerung. Unter eklatanter Verletzung der Bill of Rights, in der die demokratischen Grundrechte niedergelegt sind, bereiten die Verschwörer im Weißen Haus einen Staatsstreich vor und drohen die Verfassung außer Kraft zu setzen. Trump verstößt gegen seinen Amtseid und bereitet hinter den Kulissen die Inhaftierung und Hinrichtung politischer Gegner vor.
Seit zwei Wochen sind Polizisten des Heimatschutzministeriums auf den Straßen von Portland im Einsatz. Das Weiße Haus hat diese Truppen gegen den ausdrücklichen Willen der Regierung des Bundesstaats Oregon und der Stadt Portland entsandt. Dort gehen sie brutal gegen die anhaltenden Proteste gegen Polizeigewalt vor.
Nicht identifizierbare Sicherheitskräfte in Militärbekleidung haben unbewaffnete Demonstranten ohne ersichtlichen Grund in nicht gekennzeichnete Fahrzeuge gezerrt und an unbekannte Orte verbracht. Mit Sturmgewehren ausgerüstete Spezialeinheiten haben friedliche Demonstranten angegriffen, mit Schlagstöcken verprügelt und mit Tränengas und Blendgranaten beschossen. Ein Demonstrant erlitt einen Schädelbruch, nachdem mit einem Gummigeschoss auf seinen Kopf gezielt worden war.
Der Repressionsapparat, aus dem Trumps Stoßtrupps stammen, wurde ursprünglich aufgebaut, um Einwanderer ins Visier zu nehmen und Krieg zu führen. Dazu gehören Verbände der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) und der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP). Beide Behörden werden von einem „geschäftsführenden“ Direktor geleitet, der nicht vom Parlament bestätigt wird und nur dem Präsidenten gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Besonders bedrohlich ist die zentrale Rolle der CBP-internen Spezialeinheit BORTAC. Dabei handelt es sich um eine brutale, kampferprobte Organisation, die an großen Operationen des US-Militärs im Ausland, einschließlich der Kriege im Irak und in Afghanistan, beteiligt war.
Letzte Woche kündigte Trump die Entsendung von Bundestruppen in weitere Städte an, darunter New York, Chicago, Cleveland, Milwaukee, Philadelphia, Detroit, Baltimore, Oakland und Albuquerque.
Auf einer Pressekonferenz am 22. Juli wütete Trump gegen eine, wie er es nannte, „linksextreme“ und „radikale“ Bewegung, „die unsere Polizeidienststellen finanziell austrocknet, auflöst und demontiert“ und „unsere Helden der Strafverfolgung“ verunglimpfe.
Als Vorwand für Trumps Mobilmachung dienen die Proteste, die nach dem Polizeimord an George Floyd am 25. Mai das ganze Land überfluteten. Doch dahinter stehen viel weiter reichende Motive.
Die Vereinigten Staaten sind ein soziales und politisches Pulverfass. Die Pandemie hat den dysfunktionalen Zustand der amerikanischen Gesellschaft und ihrer politischen Institutionen offengelegt. Die Voraussetzungen, unter denen sich die jetzige Katastrophe abspielt, sind ein Ergebnis der restlosen Unterordnung aller gesellschaftlichen Bedürfnisse unter das Profitstreben der kapitalistischen Oligarchie.
Mehr als 150.000 US-Amerikaner sind an Covid-19 gestorben, und täglich kommen mehr als 1.100 hinzu. Am Donnerstag vergangener Woche wurde in den USA der viermillionste Infektionsfall gemeldet, und das nur 14 Tage, nachdem die Drei-Millionen-Marke überschritten worden war. In Texas, Florida, Kalifornien, Arizona und anderen Bundesstaaten sind die Krankenhäuser überfüllt.
Während sich das Virus ausbreitet und die Zahl der Todesopfer steigt, hält die Trump-Regierung daran fest, dass die Arbeiter in ihre Betriebe zurückkehren und die Schulen ungeachtet der Folgen für Lehrer und Schüler wieder geöffnet werden.
Um den wirtschaftlichen Druck auf die Beschäftigten zu maximieren, wird die begrenzte soziale Unterstützung, die im März letzten Jahres im Rahmen des CARES-Gesetzes beschlossen wurde, in Kürze stark reduziert oder ganz eingestellt. Letzte Woche ließ der Kongress die Frist für eine Verlängerung des zentralstaatlichen Zuschusses zur Arbeitslosenunterstützung verstreichen. In der gleichen Woche stieg die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung um 1,4 Millionen. Zugleich lief ein bundesweites Moratorium für Zwangsräumungen aus. Millionen Menschen droht die Vertreibung aus ihren Häusern oder Wohnungen.
Innerhalb weniger Wochen werden Millionen Arbeiterfamilien von Armut, Obdachlosigkeit und Hunger bedroht sein. Die Trump-Regierung rechnet mit massiven sozialen Protesten und bereitet sich auf deren Niederschlagung vor.
Gleichzeitig bringen die USA eine Reihe provokativer Drohungen gegen China vor, mit denen die Gefahr eines Weltkriegs heraufbeschworen wird. Am Donnerstag ließ Außenminister Mike Pompeo eine entsprechende antichinesische Tirade vom Stapel. Gleichzeitig drangen US-Beamte in die chinesische Botschaft in Houston ein, nachdem die Trump-Administration deren Schließung angeordnet hatte. Vor Pompeos Rede wurden zwei US-Flugzeugträger und Kampfverbände angewiesen, im Südchinesischen Meer mit australischen und japanischen Schiffen „High-End“-Militärübungen durchzuführen.
Mit dem Einsatz der Bundespolizei treibt Trump die Versuche zur Errichtung einer Präsidialdiktatur voran, die er in seiner Ansprache an die Nation vom 1. Juni angekündigt hatte. Als die Militärpolizei vor acht Wochen friedliche Demonstranten vor dem Weißen Haus angriff, erklärte sich Trump zum Präsidenten von „Recht und Ordnung“ und drohte damit, unter einem Aufstandsbekämpfungsgesetz von 1807 diejenigen, die gegen Polizeigewalt protestierten, als „inländische Terroristen“ zu brandmarken.
Dieser erste Putschversuch Trumps stieß auf Widerstand innerhalb des Militärs. Auch sein ehemaliger Verteidigungsminister General James Mattis wandte sich dagegen, weil eine solch drastische Maßnahme seiner Meinung nach noch nicht ausreichend vorbereitet war. Aber es wäre naiv zu glauben, dass das Militär die Demokratie verteidigen wird. Das Weiße Haus hat seine jüngsten Maßnahmen zweifellos mit Generälen abgesprochen. Diese dürften Trump dazu geraten haben, andere Einheiten einzusetzen, bevor er auf das eigentliche Militär zurückgreift. Die paramilitärischen Spezialeinheiten der BORTAC und des ICE werden künftig durch andere Verbände verstärkt werden.
Von wegen: „It can‘t happen here“. Die Vorstellung, dass eine Diktatur in den Vereinigten Staaten unmöglich sei, wird widerlegt. Es kann nicht nur so kommen, es ist bereits im Gange.
In einer am Freitag veröffentlichten Kolumne verglich Roger Cohen von der New York Times die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten mit der Lage in Deutschland vor der Machteroberung der Nazis. In seiner Kolumne „Amerikanische Katastrophe aus deutscher Sicht“ vom 24. Juli zitierte Cohen Michael Steinberg, Professor für Geschichte an der Brown University und ehemaliger Präsident der American Academy in Berlin:
Die amerikanische Katastrophe verschlimmert sich anscheinend von Tag zu Tag, aber die Ereignisse in Portland haben mich als eine Art strategisches Experiment für Faschismus besonders alarmiert. Es erinnert stark an das Drehbuch vom deutschen Sturz der Demokratie 1933, mit abtrünnigen Militärverbänden, der Destabilisierung von Städten usw.
Anders als Hitler verfügt Trump nicht über eine faschistische Massenbewegung. Bei dem Versuch, rechtsextreme Kräfte zu mobilisieren, stützt er sich in erster Linie auf den Staatsapparat, ähnlich wie die Diktatur von General Abdel Fateh al-Sisi in Ägypten oder die lateinamerikanischen Militärdiktaturen. Cohen zieht direkte Parallelen zu den Erfahrungen in Argentinien, das in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren von einer Militärdiktatur regiert wurde:
Vielleicht reagiere ich aufgrund der 1980er Jahre, in denen ich nach dem Militärputsch über Argentinien berichtete, besonders empfindlich auf den Einsatz nicht gekennzeichneter Autos – in Argentinien waren es Ford Falcons –, in denen linke politische Gegner von der Straße weg verschleppt wurden. Sie sind „verschwunden“, ein Wort mit verheerenden psychologischen Nachwirkungen, das unzählige Menschen in Tränen ausbrechen ließ.
Die Reaktion der Demokratischen Partei ist eine Kombination aus Feigheit und Versagen. Die von den Demokraten gestellten Bürgermeister schwanken zwischen zaghaften Anfechtungen vor Gericht und der Forderung, die paramilitärischen Kräfte zur „Verbrechensbekämpfung“ und nicht gegen Demonstranten einzusetzen. Im einzigen größeren Fall, in dem die Befugnis der Bundespolizei zur Ergreifung von Demonstranten angefochten wurde, entschied ein Richter in Portland 24. Juli, dass die Festnahmen fortgesetzt werden können.
Im Anschluss an Trumps Rede vom 1. Juni traten die Demokraten jede Opposition gegen Trump an die Generäle ab und machten diese zu Schiedsrichtern der politischen Macht. Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, erklärte es zu seinem „größten Alptraum“, dass Trump sich weigert, nach den Wahlen im November aus dem Amt zu scheiden. Aber Bidens setzt einem solchen Szenario nichts als die Hoffnung entgegen, dass das Militär eingreifen werde, um Trump abzusetzen.
Anfang des Jahres endete das Amtsenthebungsverfahren der Demokraten, das auf einer reaktionären Anti-Russland-Kampagne beruhte, in einem Fiasko. Und nun, da Trump eklatant gegen die Verfassung verstößt und eine Präsidialdiktatur vorbereitet, kommt kein Vorschlag für ein neues Amtsenthebungsverfahren, geschweige denn Aufrufe zu Massendemonstrationen für die Absetzung Trumps.
Das Weiße Haus ist zur Schaltzentrale einer politischen Verschwörung geworden, die eine Präsidialdiktatur errichten will.
Diese Situation ist über einen langen Zeitraum vorbereitet worden. Bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2000, vor mittlerweile zwanzig Jahren, stoppte der Oberste Gerichtshof eine Neuauszählung der Stimmen in Florida, um George W. Bush zur Präsidentschaft zu verhelfen. Die Demokraten leisteten keinen Widerstand gegen diese Wahlfälschung.
Weniger als ein Jahr später wurden die Terroranschläge vom 11. September 2001 von der herrschenden Klasse benutzt, um unter dem Vorwand des „Kriegs gegen den Terror“ einen Krieg nach dem anderen zu führen und die Polizei extrem aufzurüsten. Im November 2002 wurde mit Unterstützung beider Parteien das Heimatschutzministerium gegründet, dem die Zoll- und Einwanderungsbehörde sowie die Grenzschutzbehörde (ICE und CBP) unterstehen. Dies war Teil eines ganzen Bündels von Maßnahmen. Weitere Bestandteile waren der PATRIOT Act, das US Northern Command (eine für Nordamerika, also für das Inland zuständige Militärkommandantur), die Errichtung des Gefangenenlagers Guantanamo Bay, Folterungen durch die CIA und Spionage durch die NSA.
Diese Befugnisse wurden unter der Obama-Administration ausgeweitet. Obama proklamierte das Recht des Präsidenten, amerikanische Staatsbürger außergerichtlich ermorden zu lassen. Er stand an der Spitze der Verfolgung von Julian Assange und WikiLeaks. Außerdem schuf er den rechtlichen Rahmen für das Netzwerk der Konzentrationslager, in denen Flüchtlinge festgehalten werden.
Trump verkörpert die Kriminalität der kapitalistischen Elite. Doch die Ursache für den Zusammenbruch der Demokratie und die Gefahr einer Diktatur liegt nicht in seiner soziopathischen Persönlichkeit.
Die Pandemie hat die tiefer liegende Tendenz zur Diktatur beschleunigt und verstärkt. Während die Milliardäre die Krise genutzt haben, um sich massiv zu bereichern, befindet sich die breite Masse der Bevölkerung in einer verzweifelten Lage. Die Entschlossenheit der Oligarchie, ihre Interessen auf Kosten von Zehntausenden Menschenleben durchzusetzen, ist nicht mit Demokratie vereinbar. Nun werden die politischen Herrschaftsformen an die gesellschaftliche Realität angepasst.
Bei aller Brutalität, die Trump an den Tag legt, ist sein Handeln das eines verzweifelten und verängstigten Mannes. Er weiß, dass er und seine Regierung verhasst sind. Seine wiederholte Drohung, unabhängig vom Ausgang der Wahl im Amt zu bleiben, ist ein Eingeständnis, dass seine Regierung keine Unterstützung in der Bevölkerung hat und sich nur mit Gewalt an der Macht halten kann.
Die Arbeiter müssen vor Angriffen und Provokationen auf der Hut sein. In allen Betrieben und Wohnvierteln muss das Verhalten der paramilitärischen Kräfte genau beobachtet werden.
Vor allem aber müssen Arbeiter und junge Menschen verstehen, dass die Verteidigung der demokratischen Rechte im Wesentlichen ein Kampf gegen das kapitalistische System und seinen Staat ist. Die Methoden, die in diesem Kampf angewandt werden müssen, sind die Methoden des Klassenkampfs. Den Verschwörungen der Trump-Regierung und der herrschenden Eliten muss durch eine Strategie begegnet werden, die auf die Übertragung der politischen Macht an die Arbeiterklasse und die Errichtung des Sozialismus abzielt.
Die Arbeiter müssen sich allen Bemühungen widersetzen, die soziale Empörung auf die Mühlen einer der kapitalistischen Parteien zu leiten. Sie müssen alle Spaltungsversuche rigoros zurückweisen, die durch Kriegstreiberei nach außen oder durch Identitätspolitik im Inneren betrieben werden. Die von der Demokratischen Partei propagierte Behauptung, der Grundkonflikt bestehe zwischen dem „weißen“ und dem „schwarzen“ Amerika, ist falsch und reaktionär. Der wirkliche Konflikt besteht zwischen der Arbeiterklasse und der Konzern- und Finanzoligarchie.
Die Ereignisse sprechen für sich, und es gilt Schlussfolgerungen zu ziehen. Anstatt abzuwarten, was Trump als Nächstes tun wird, muss die Arbeiterklasse handeln. Ob die Arbeiterklasse sich rechtzeitig gegen den Kapitalismus zur Wehr setzt, um die Errichtung einer Militär- und Polizeidiktatur zu verhindern, wird nicht abstrakt entschieden, sondern im Kampf.
Die Socialist Equality Party richtet einen dringenden Appell an alle Leser der World Socialist Web Site: Steht nicht länger abseits! Es ist an der Zeit Stellung zu beziehen. Werdet Mitglied der Sozialistischen Gleichheitspartei bzw. ihrer Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale.