Grünenparteitag nimmt Kurs auf Regierung, Militarismus und Krieg

Der Parteitag der Grünen am vergangenen Wochenende stand ganz im Zeichen der Vorbereitung auf eine mögliche Regierungsbeteiligung nach den nächsten Bundestagswahlen im Herbst 2021. Dazu verpassten sich die ehemaligen Pazifisten ein neues Grundsatzprogramm, das nur eine Schlussfolgerung zulässt: eine mögliche grüne Bundesregierung oder gar Kanzlerschaft würde die rechte militaristische Politik der großen Koalition fortsetzen und weiter ausbauen.

Die World Socialist Web Site hat das Grundsatzprogramm mit dem Titel „‘... zu achten und zu schützen …‘ Veränderung schafft Halt“, bereits in einem früheren Artikel ausführlich analysiert. Hinter den üblichen Phrasen über „Ökologie“, „Gerechtigkeit“ und „Gemeinwohlökonomie“ verbirgt sich ein rechtes bürgerliches Programm für Polizeistaatsaufrüstung, neue Angriffe auf die Arbeiterklasse und eine deutsch-europäische Großmachtpolitik. Auf dem Parteitag wurde es mit ein paar kosmetischen Änderungen und ohne nennenswerte Opposition durchgewunken.

Der gesamte Parteitag war darauf ausgerichtet, die Grünen als willige und effektive Kraft für die Durchsetzung der Interessen der herrschenden Klasse zu promoten. In ihren Reden präsentierten sich die wiedergewählten Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock als aggressive Verteidiger der kapitalistischen Ordnung, des bürgerlichen Staats und seiner bewaffneten Formationen in Armee und Polizei.

Baerbock stellte bereits in ihrer Eröffnungsrede am Freitag klar, dass die Grünen auch in der Klimafrage nichts tun werden, was der Wirtschaft und dem Finanzkapital schaden könnte: „Fürchtet euch nicht, diese Klima-Revolution ist in etwa so verrückt wie ein Bausparvertrag. Das Wirtschaftssystem neu aufzustellen, bedeutet keinen Umsturz, sondern ist purer Selbstschutz.“

Habeck unterstrich, dass die Grünen zu allem bereit sind, um die Interessen des deutschen Kapitalismus und Imperialismus nach innen und außen durchzusetzen. „Macht“ sei im Kosmos der Grünen kein „Igitt-Begriff“ mehr, betonte er. „Wir gehen so weit wie wir können und so weit wie es nötig ist.“

Vor Beginn des Parteitags hatte bereits Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, offen verkündet, dass die Grünen keine pazifistische, sondern eine militaristische Partei sind.

„Die Grünen haben auch pazifistische Wurzeln, waren aber noch nie eine pazifistische Partei“, stellte sie gegenüber der Rheinischen Post klar. Man habe „die Erfahrung gemacht, dass ein Mandat der Vereinten Nationen blockiert werden kann und dann wichtige Hilfe in Kriegsregionen mitunter nicht möglich wäre“. Um die „Weltgemeinschaft“ vor solch „einem Dilemma“ zu schützen, brauche man „eine funktionierende Antwort für den Fall einer Blockade“.

Die Botschaft ist unmissverständlich: Deutschland und seine europäischen Verbündeten müssen zur Not andere Länder auch ohne ein UN-Mandat überfallen, um unter dem Deckmantel humanitärer Phrasen ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen durchzusetzen.

Das neue Grundsatzprogramm der Grünen macht daraus keinen Hehl: „Die Anwendung militärischer Kriegsgewalt bringt immer massives Leid mit sich. Wir wissen aber auch, dass die Unterlassung in einzelnen Fällen zu größerem Leid führen kann“, heißt es dort. „Handlungsleitend in der internationalen Sicherheitspolitik“ sei „das erweiterte VN-Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Prevent, Protect, Rebuild), das uns als internationale Gemeinschaft verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.“

Tatsächlich dienen internationale Kriegseinsätze, die mit dem Konzept der „Schutzverantwortung“ gerechtfertigt werden, nicht der Durchsetzung von Menschenrechten, sondern imperialistischen Interessen. In Libyen organisierte die Nato unter dem Deckmantel von „Responsibility to Protect“ im Jahr 2011 ein Flächenbombardement, schürte einen Bürgerkrieg und ermordete das Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi, um sich die Rohstoffe des Landes und geostrategischen Einfluss auf Kosten zehntausender Menschenleben zu sichern.

Um die Interessen des deutschen Imperialismus im Wettstreit mit den anderen Großmächten durchsetzen zu können, plädieren die Grünen für eine massive Aufrüstung des europäischen Imperialismus unter deutscher Führung.

„Die EU muss weltpolitikfähig werden“, heißt es im Grundsatzprogramm. Dazu sollten „die verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausgebaut und militärische Fähigkeiten [...] gebündelt werden. Sie brauchen dafür eine geeignete Ausstattung, den Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung des gemeinsamen europäischen Hauptquartiers.“ Europäische Außen- und Sicherheitspolitik müsse „strategisch, vorausschauend, umfassend und schnell handlungsfähig sein“.

Auch wenn die Grünen auf dem Parteitag bemüht waren, ihr aggressives Programm immer wieder hinter leeren Floskeln und Identitätspolitik zu verschleiern, kam die Botschaft an. „Keine strikte Ablehnung der Gentechnik mehr, ein klares Bekenntnis zur Marktwirtschaft oder auch, dass ein Bundeswehreinsatz ohne UN-Mandat nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen wird... Dazu kommt ein klares Bekenntnis zu Staat und Polizei“, hieß es einem Kommentar des ARD-Hauptstadtstudios unter dem Titel „Konsequent im Streben nach Macht“.

Professor Dr. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München pries gegenüber tagesschau.de die militaristische Ausrichtung einer möglichen schwarz-grünen Bundesregierung: „Ich glaube, dass wenn Grüne und CDU eine Koalition eingehen sollten, dass die Bundeswehr und die Aufgaben der Bundeswehr und die Finanzierung der Bundeswehr kein Punkt sind, an dem diese Koalitionsverhandlungen scheitern werden.“

Das Ambiente des Online-Parteitags – ein Wohnzimmer, das die Parteiführung im Berliner Tempodrom eingerichtet hatte – versinnbildlichte die scharfe Rechtsentwicklung der Grünen seit ihrer Gründung 1980 und der wohlhabenden Mittelschichten für die sie sprechen.

„Das Wohnzimmer ist, wie die Partei wirkt“, brachte es der Spiegel auf den Punkt. „Ein bisschen spießig, die Bürgerlichkeit zelebrierend, Erinnerungen an die rebellische Jugend haben sie an die Wand genagelt, daneben die Andenken an die Ankunft in der Bourgeoisie, das sind die Bilder der Wahlerfolge in Bayern 2018 und bei der Europawahl 2019, als die Grünen das erste Mal bei einer bundesweiten Wahl über 20 Prozent der Stimmen erreichten.“

Tatsächlich sind die Grünen spätestens im Zuge ihrer ersten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene von 1998 bis 2005 vollständig in der Bourgeoisie angekommen. Damals haben sie mit den Hartz IV-Reformen heftige soziale Angriffe und mit der Beteiligung am Kosovo-Krieg Deutschlands ersten Kampfeinsatz seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegen massiven Widerstand durchgesetzt.

Auch vor diesem Hintergrund muss die im Grundsatzprogramm geforderte massive Aufrüstung des Staats und der Polizei als Warnung verstanden werden. Sie zielt darauf ab, die wachsende Opposition gegen soziale Ungleichheit, Militarismus und Krieg und die tödliche Durchseuchungspolitik der herrschenden Klasse zu unterdrücken. Die Reaktion der grün-geführten Landesregierung Baden-Württembergs auf die sogenannte „Gewaltnacht von Stuttgart“ und die drakonischen Strafen, die Anfang dieses Monats deshalb verhängt wurden, sind nur ein Vorgeschmack auf das, was die Grünen planen.

Im Kapitel „Demokratie stärken – Rechtsstaat und Sicherheit“ heißt es im aggressiven „Law and Order“-Ton: „Polizei und Sicherheitsorgane garantieren die Sicherheit im Innern. Als sichtbarer Arm des staatlichen Gewaltmonopols ist die Polizei in besonderer Weise Hüterin und Verteidigerin von Rechtsstaat und wehrhafter Demokratie. Dafür braucht sie eine gute Ausstattung und ausreichend Personal – in der Stadt wie auf dem Land.“

Die Grünen spüren instinktiv, dass die Corona-Pandemie die wirtschaftliche, soziale und politische Krise des kapitalistischen Systems beschleunigt hat und fürchten den Ausbruch sozialer Kämpfe. Die Pandemie wirke wie ein Katalysator, warnte Habeck. „Sie verstärkt Fliehkräfte, vergrößert soziale Kluften, sie steigert die Gereiztheit. Der öffentliche Raum schrumpft.“ Dann erklärte er: „Covid-19 traf uns scheinbar überraschend. In Wahrheit jedoch war es eine Pandemie mit Ansage.“ Es habe genug Studien und Warnungen gegeben.

Das stimmt. Aber es ist eine Tatsache, dass die Grünen diese Studien und Warnungen genauso ignoriert haben wie alle anderen Bundestagsparteien. Stattdessen haben sie überall dort, wo sie (mit)regieren, heftige Kürzungen in den kritischen Bereichen Pflege, Bildung und Soziales durchgesetzt. Nun sprechen sie sich wie alle anderen Bundestagsparteien vehement gegen die notwendige Schließung der Schulen und der nicht lebensnotwendigen Produktion aus.

Der Klassencharakter dieser Politik ist offensichtlich. Nachdem der Bundestag Ende März die milliardenschweren „Corona-Notpakete“ mit den Stimmen von Linkspartei und Grünen verabschiedet hat, sollen die riesigen Summen, die vor allem den Großunternehmen, Banken und Superreichen zu Gute kamen, wieder aus der Arbeiterklasse herausgepresst werden. Dafür sind auch Habeck, Baerbock und Co. bereit, die Gesundheit und das Leben von Hunderttausenden zu opfern.

Arbeiter und Jugendliche, die die tödliche Durchseuchungspolitik stoppen wollen, Militarismus, Kapitalismus und Krieg ablehnen und den Klimawandel bekämpfen wollen, müssen verstehen, dass die Grünen kein kleineres Übel, sondern ihre schärfsten Gegner sind. Sie müssen sich einer internationalen sozialistischen Perspektive zuwenden und die Sozialistische Gleichheitspartei als progressive Alternative zu den etablierten kapitalistischen Parteien aufbauen.

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