Spanische Offiziere a.D. fordern Unterstützung des Königs für Militärputsch

Mehr als 100 hochrangige Offiziere haben König Felipe VI., der auch Oberbefehlshaber der spanischen Streitkräfte ist, in Briefen aufgefordert, gegen die gewählte Regierungskoalition aus Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und Podemos vorzugehen. Sie werfen der Regierung Verrat an der spanischen Nation und Gefährdung ihres Überlebens vor.

Der König hat keine juristischen Möglichkeiten, so zu reagieren, wie es diese Briefe vorschlagen. Laut Verfassung kann er die Regierung nicht ohne die Unterstützung des Ministerpräsidenten auflösen.

Vor kurzem haben mehrere katalanische und baskische regionalistische Parteien der Regierung ihre Unterstützung für den Sparhaushalt zugesagt. Die Offiziere dagegen verurteilen in ihren Schreiben einen regionalen Nationalismus in Spanien. Doch angesichts der Corona-Pandemie, dem größten globalen Wirtschaftszusammenbruch seit den 1930ern und der wachsenden Wut der Arbeiterklasse über die Politik der „Herdenimmunität“ ist klar, dass es um viel mehr geht als nur um die Haushaltsprioritäten für dieses Jahr.

Eine Sache ist wirklich alarmierend: Die PSOE/Podemos-Regierung bewahrt eisiges Schweigen angesichts der Tatsache, dass über einen Putsch diskutiert wird, mit dem eine Militärdiktatur gegen die Arbeiterklasse errichtet werden soll.

Der erste Brief wurde von 73 Generälen und Obristen im Ruhestand der 23. Abschlussklasse der Academia General Militar unterzeichnet, und er warnt vor einer ernsthaften Gefahr für „den nationalen Zusammenhalt (...) in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht“. Sie machen die „sozial-kommunistische Regierung“ für den „Verfall der nationalen Einheit“ verantwortlich. Sie behaupten, sie würde „von Gruppen aus dem Umfeld der [Terrororgananisation] ETA“ und der katalanischen „Separatisten“ unterstützt. Mit dem Umfeld der ETA meinen sie die Partei EH Bildu, die dem ehemaligen politischen Flügel der baskisch-nationalistischen Bewegung ETA nahesteht. Am Ende bekräftigen sie ihre Unterstützung und Loyalität gegenüber dem König unter „diesen für unser Heimatland schwierigen Bedingungen“.

Die Sprache des Briefs erinnert an die Rhetorik der faschistischen Partei Vox im Parlament. Im Oktober hatte Vox-Parteichef Santiago Abascal in seiner Rede während eines gescheiterten Misstrauensvotums 23-mal von „Sozial-Kommunisten“ gesprochen.

Bezeichnenderweise wurde dieser Brief der wichtigsten sozialdemokratische Zeitung El País zugespielt, die in einem kurzen Artikel mit nur 500 Worten selektiv daraus zitierte. Die Tageszeitung weigerte sich jedoch, den gesamten Brief zu veröffentlichen, obwohl andere Medien darüber berichteten und Dutzende von Lesern dies forderten.

Nur wenige Tage zuvor hatten 39 ehemalige Kommandanten der Luftwaffe aus der 29. Abschlussklasse der Academia General del Aire einen ähnlichen Brief verfasst. Eine Kopie davon erhielt der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, am 3. November, und eine weitere der spanische König am 10. November. Weder Sassoli noch das spanische Königshaus haben die Öffentlichkeit darüber informiert. Erst am 17. November, eine Woche nachdem das Königshaus den Brief erhalten hatte, berichtete die rechtsextreme Tageszeitung OkDiario darüber. Weder Sassoli noch das Königshaus nannten die Namen der Verfasser, lediglich der ehemalige General José Molina Zataraín wollte genannt werden.

Die Unterzeichner schreiben: „Eure Majestät, wir sind zutiefst besorgt, dass eine Regierung, die geschworen oder versprochen hat, sich an die Verfassung zu halten, zu dem Versuch in der Lage ist, ihren Eid zu brechen und Veränderungen vorzuschlagen, die sich von den dort festgelegten unterscheiden.“ Sie erklären, die Regierung würde die spanische Monarchie, die spanische Sprache und die Gewaltenteilung angreifen, was zur „Vernichtung unserer Demokratie“ führe.

Die Unterzeichner erklären außerdem, sie seien „zutiefst enttäuscht und empört über die Beziehungen zwischen der Exekutive“ und den baskischen Nationalisten, die sie als „Erben von Terroristen“ bezeichnen.

Aus all diesen Gründen schreiben die Offiziere: „Eure Majestät, die hier genannten Mitglieder der 29. Abschlussklasse der Academia General del Aire, die heute pensioniert und stolz darauf sind, in zahlreichen Bereichen unserer Luftwaffe gedient zu haben, wobei viele im Dienst ihr Leben gegeben haben, wollen Euch beistehen, damit Ihr unsere aufrichtige Unterstützung und tiefe Loyalität spürt.“

Die Briefe müssen als Warnung verstanden werden. Die herrschende Klasse fürchtet die zunehmende Wut, Proteste und Streiks gegen die Politik der „Herdenimmunität“ und gegen die milliardenschweren Rettungsaktionen für Konzerne und Banken. Dass weder der König von Spanien noch das Europäische Parlament sich öffentlich von den Briefen distanziert oder sie auch nur veröffentlicht hat, macht klar, dass die Erwägungen, ob man mit demokratischen Herrschaftsformen brechen solle, auf höchster Ebene von Europas herrschenden Klassen gang und gäbe sind.

Die Unterzeichner dieser Briefe sind unter der faschistischen Diktatur von General Francisco Franco aufgewachsen. Sie appellieren an die faschistischen Traditionen des spanischen Militärs. Das letzte Mal, dass das Militär einen Putsch gegen eine „sozial-kommunistische“ Regierung organisiert, war im Jahr 1936 und richtete sich gegen die Volksfront-Regierung. Damals führte das Militär unter Franco einen drei Jahre andauernden Bürgerkrieg, und alle revolutionären Kämpfe der Arbeiterklasse wurden auch lange nach dem Zweiten Weltkrieg noch durch Massenhinrichtungen unterdrückt. Erst 1978 stürzte das Franco-Regime aufgrund von einer Welle von Streiks und Arbeiterprotesten.

Der einzige hochrangige spanische Politiker, der sich dazu äußerte, war der ehemalige PSOE-Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Er erklärte, die Briefe der Offiziere „verdienen meine Missbilligung“. Zapatero erklärte: „Wer militärische Verantwortung getragen hat, der muss in seinen Äußerungen umsichtig sein“. Bezeichnenderweise verglich Zapatero die Situation mit der Militärkrise während seiner Amtszeit im Jahr 2006. Damals hatten hochrangige aktive Offiziere, u.a. Generalleutnant José Mena Aguado, die Einführung des katalanischen Regionalstatuts verurteilt.

Er erklärte: „Das hat zu einigen Aktionen geführt. Einige sind bekannt, andere werden im Lauf der Zeit bekannt werden. Ich weiß, dass damals Einstellungen gegenüber dem Statut herrschten, die für militärische Befehlshaber nicht angemessen waren.“ Er fügte hinzu, dass Verteidigungsminister José Bono – der ein Jahrzehnt später, im Jahr 2015, erklärte, Spanien sei in einer „Vor-Putsch-Situation“ gewesen – damals „schnell eingeschritten“ sei.

Zapatero spielte die Briefe der Offiziere jedoch herunter und machte „übertriebene, unbegründete und emotional aufputschende Reden“ im Parlament dafür verantwortlich. Damit meinte er offenbar die Angriffe von Vox auf den angeblich „sozial-kommunistischen“ Charakter der Regierung. Zapatero signalisierte, dass sich die Generäle keine Sorgen machen müssten, da die Politik von PSOE und Podemos nichts mit Kommunismus zu tun haben: „Es gibt in der politischen Debatte zu viele falsche Anzeichen. Man muss die Politik nach realen Ereignissen bewerten, nicht nach falschen Anzeichen.“

Diese Erklärung, die für die Krise ausschließlich die Psychologie des spanischen Offizierskorps verantwortlich macht, ist eine absurde Ausflucht. Angesichts der zunehmenden Radikalisierung der Arbeiterklasse und der wachsenden Wut über die offizielle Reaktion auf die Pandemie bricht die Finanzaristokratie mit demokratischen Herrschaftsformen. In Amerika weigert sich Trump noch immer, seine Wahlniederlage einzugestehen und appelliert an faschistische Netzwerke, die bereits versucht haben, seine politischen Gegner wie die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, zu liquidieren. Der Wahlsieger Joe Biden von den Demokraten hat derweil erklärt, er setze auf die Unterstützung des Militärs, um Trump abzusetzen.

In Frankreich hat der ehemalige Generalstabschef Pierre de Villiers vor Kurzem zur verstärkten Unterdrückung der „Gelbwesten“ aufgerufen; später erklärte er in einem Interview mit der neofaschistischen Presse, angesichts der Massenproteste gegen Polizeibrutalität müsse man den Rechtsstaat einem „strategischeren Denken“ unterordnen.

In Spanien ist sich der Generalstab natürlich durchaus bewusst, dass die PSOE/Podemos-Regierung nichts mit der Oktoberrevolution von 1917 oder dem internationalen Kampf für Arbeitermacht und Sozialismus zu tun hat. Beide Parteien haben seit zwei Jahren einen Sparkurs umgesetzt und gleichzeitig das Militär mit Milliarden Euro und mit neuestem Kriegsgerät überschüttet. Derzeit bietet sie dem berüchtigten venezolanischen Putschisten Leopoldo López Unterschlupf.

Die voraussehbare feige Reaktion der PSOE/Podemos-Regierung ermutigt die Generäle in ihren Putschplänen. Das Verteidigungsministerium erklärte gegenüber Diario16, es plane keine Untersuchung, weil „der Brief an den König adressiert war“. Der wichtigste Fernsehsender Televisión Española versuchte, das Publikum zu beruhigen, und erklärte: „Laut Quellen aus dem Verteidigungsministerium hat der Brief keine Auswirkungen auf die aktiven Streitkräfte gezeigt.“

Das Militär ist nicht wegen der Regierung beunruhigt, sondern weil der Widerstand in der Arbeiterklasse, links von PSOE und Podemos, explosiv anwächst. Während der Pandemie hat die Regierung zusammen mit den Gewerkschaften Millionen von Arbeitern und Kindern zur Rückkehr an die Arbeit und in die Schulen gezwungen, was die Ausbreitung des Virus begünstigt hat. Alleine in Spanien haben sich mehr als 1,5 Millionen Menschen infiziert, 65.000 sind gestoben. Dies musste zwangsläufig den Widerstand der Bevölkerung hervorrufen. Darauf hat die Regierung mit dem Verbot von Demonstrationen reagiert, sie hat die Bereitschaftspolizei mobilisiert, den Einsatz des Militärs im Innern angedroht und die Überwachung von linken sozialen Medien und Websites verschärft.

Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer Mobilisierung der Arbeiterklasse, unabhängig von allen Fraktionen der kapitalistischen herrschenden Elite, gegen die Pandemie und die wachsende Gefahr einer Diktatur von Polizei und Militär.

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