Am 6. April gab das Verteidigungsministerium den Startschuss für den sogenannten „Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz“.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Tauber, und der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Markus Laubenthal stellten das Projekt auf der Bundespressekonferenz vor. Es sieht zunächst „für insgesamt rund 1000 Soldatinnen und Soldaten eine dreimonatige militärische Grund- und eine sich anschließende viermonatige Spezialausbildung vor“. Darauf folge dann eine „sechsjährige Grundbeorderung als Reservedienstleistende bei der Bundeswehr, in der mindestens fünf Monate Dienst geleistet werden sollen“.
Der neue Wehrdienst, der schrittweise weiter ausgebaut werden soll, ist Bestandteil einer umfassenden Militarisierungsoffensive, die Deutschland nach zwei verlorenen Weltkriegen wieder in eine schlagkräftige Militärmacht verwandeln soll. Er dient zwei vorrangigen Zielen: dem massiven Einsatz der Bundeswehr im Inneren und der Mobilisierung zusätzlicher Truppen für neue Kriegseinsätze.
„Es gibt einen militärischen Bedarf für diesen Dienst“, erklärte Tauber vor den versammelten Pressevertretern. Die Bundeswehr habe „einen militärischen Bedarf an einer neuen ergänzenden Struktur der Reserve, so wie die Bundeswehr die Reserve generell braucht. Wir erleben das ja gegenwärtig nicht nur in der Amtshilfe, sondern auch in den Auslandseinsätzen.“ In den „Kontingenten“ seien „bis zu zehn Prozent der Soldatinnen und Soldaten Reservisten“. Das zeige „schon, welchen Stellenwert die Reserve bereits hat und künftig haben wird. Die Heimatschutzverbände, die nun wieder aufwachsen, haben einen klaren militärischen Auftrag als Sicherungskräfte.“
Tauber sprach offen aus, dass mit dem neuen Dienst die umfassenden Aufrüstungs- und Kriegspläne der Großen Koalition in die Tat umgesetzt werden. „Der Freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz ‚Dein Jahr für Deutschland‘ ist, wenn Sie so wollen, ein logische Ableitung aus der Strategie der Reserve, die ja eines der Grundlagendokumente ist neben der Konzeption der Bundeswehr und dem Fähigkeitsprofil“, erklärte er.
Das ist unmissverständlich. Die Ende Juli 2018 erlassene „Konzeption der Bundeswehr“ ist eine Blaupause für die Vorbereitung Deutschlands auf „sehr große“ Militäroperationen und einen möglichen dritten Weltkrieg. Im Zentrum der „Konzeption“ steht die „Einsatzorientierung“ und die Vorbereitung der Bundeswehr „auf neue Herausforderungen, Risiken und Bedrohungen im gesamten Aufgaben- und Intensitätsspektrum“, wie es an einer Stelle des Dokuments heißt. Zur „Landesverteidigung und Bündnisverteidigung“ müsse die Bundeswehr in der Lage sein, „in allen Dimensionen mit kurzem Vorlauf, mit umfassenden Fähigkeiten bis hin zu kampfkräftigen Großverbänden innerhalb und auch am Rande des Bündnisgebietes eingesetzt zu werden“.
Das „Fähigkeitsprofil“ ist ein internes Dokument mit einem konkreten Plan für die massive Aufrüstung aller Teilstreitkräfte der Bundeswehr in den kommenden Jahren. Bis zum Jahr 2031 sollen Armee, Luftwaffe und Marine systematisch kriegsbereit gemacht werden.
Seit die Bundesregierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 offiziell die Rückkehr des deutschen Militarismus verkündet hat, arbeitet das Verteidigungsministerium unter dem Schlagwort „Rückkehr zur Landes- und Bündnisverteidigung“ intensiv daran, den Rückbau der deutschen Streitkräfte seit der Wiedervereinigung und der Auflösung der Sowjetunion vor 30 Jahren umzukehren. Gleichzeitig soll die seitdem erfolgte offensive Ausrichtung der Bundeswehr auf weltweite Kriegseinsätze aufrechterhalten und weiter ausgebaut werden.
Die im Oktober 2019 veröffentlichte „Strategie der Reserve“, die mit dem neuen Wehrdienst umgesetzt wird, ist darauf ausgerichtet, die notwendigen Soldaten für die geplante Kriegsoffensive heranzubilden. Sie spricht von einer „Renaissance klassischer Machtpolitik, die auch den Einsatz konventioneller militärischer Mittel zur Verfolgung nationaler Ziele vorsieht“, und leitet daraus die Notwendigkeit für eine umfassende Militarisierung der gesamten Gesellschaft ab.
Reservistinnen und Reservisten müssten „die Fähigkeiten der aktiven Truppe im gesamten Einsatz- und Missionsspektrum der Bundeswehr im In- und Ausland verstärken“, heißt es darin, und „unabhängig von Beorderung und Reservistendienst als Mittler und Multiplikatoren für die Bundeswehr in der Gesellschaft wirken“.
Mit dem neuen Wehrdienst werden die Pläne nun beschleunigt umgesetzt. „Mit der Aufstellung von fünf Heimatschutzregimentern werden wir den Heimatschutz bis 2025 auch strukturell weiter stärken. Die Heimatschutzregimenter werden als Verbund den Kern der Territorialen Reserve darstellen und die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien führen“, heißt es im Tagesbefehl des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Eberhard Zorn. „Gerade mit Blick auf die hybriden Szenarien der Landes- und Bündnisverteidigung brauchen wir zum Schutz verteidigungswichtiger Infrastruktur starke Heimatschutzkräfte.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Außerdem sollen die Verbände „im Rahmen der Amtshilfe, bei Naturkatastrophen, bei besonders schweren Unglücksfällen oder wie derzeit im Rahmen der Pandemie“ künftig auch verstärkt im Inneren eingesetzt werden.
Die Aufstellung der Verbände ist in doppelter Hinsicht eine Warnung. Nach außen eskalieren die imperialistischen Mächte die Konfrontation mit Russland und China, was die Gefahr eines für die Menschheit tödlichen Atomkriegs heraufbeschwört. Der deutsche Imperialismus spielt dabei eine zunehmend aggressive Rolle. Erst vor wenigen Tagen verkündete Kramp-Karrenbauer in einem Interview, das mittlerweile prominent auf der Website des Verteidigungsministeriums prangt, eine weitere Erhöhung der Verteidigungsausgaben und drohte Moskau und Peking.
Im Inneren hat die herrschende Klasse das Militär bereits im Kaiserreich, der Weimarer Republik und unter den Nazis als Unterdrückungsinstrument eingesetzt. Nun bereitet sie sich erneut auf die Niederschlagung sozialer Proteste und revolutionärer Entwicklungen vor. Sie reagiert damit auf die tiefste Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren, die sich durch die dramatischen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie weiter verschärft hat.
Unter dem Deckmantel der „Amtshilfe in der Corona-Pandemie“ läuft gegenwärtig der größte Einsatz der Bundeswehr in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Bereits im vergangenen April wurde das Einsatzkontingent Corona in Stärke von etwa 15.000 Soldaten aufgestellt. Seit der letzten Aufstockung am 3. März stehen den Regierungen in Bund und Ländern sogar 25.000 Soldaten zur Verfügung. Nur ein Bruchteil leistet dabei direkte medizinische Hilfe. Viele Tausende sind offiziell unter der Kategorie „Absicherung/Schutz“ und damit letztlich für die polizeilich-militärische Kontrolle der Bevölkerung und die Verteidigung des kapitalistischen Staats und seiner Institutionen abgestellt.
Wie in der Vergangenheit stützt sich die herrschende Klasse bei der Militarisierungsoffensive auf extrem rechte Kräfte. Die WSWS hat den „freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz“ bereits in einem früheren Artikel als „eine Einladung an Neonazis und andere Rechtsextreme“ bezeichnet, „sich vom Staat gegen Bezahlung militärisch ausbilden zu lassen“. Schon der Begriff „Heimatschutz“ ist ein Codewort unter Rechtsterroristen und Neonazis. So rekrutierte sich etwa der NSU, der zwischen 2000 und 2007 mindestens neun Migranten ermordet hat, aus dem sogenannten „Thüringer Heimatschutz“.
Auf der Pressekonferenz gab Kramp-Karrenbauer zu Protokoll, dass die Bezeichnung „Heimatschutz“ eine „sehr bewusste politische Entscheidung gewesen“ sei. Es sei ein Fehler gewesen, „den Begriff Heimat einfach den Rechten in diesem Land zu überlassen, die damit auch einen Missbrauch treiben“. Es werde „Zeit, dass wir diesen Begriff wieder in die demokratische Mitte holen und zurückerobern“, fügte sie zynisch hinzu. Tatsächlich hat die Bundeswehr nicht das geringste mit Demokratie zu tun. Mit den Terrorstrukturen im Kommando Spezialkräfte und anderen Einheiten ist sie ein Zentrum der faschistischen Verschwörung im Staatsapparat.