Diese Woche trafen sich die Außenminister der G7-Staaten (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Kanada) in London im Vorfeld des eigentlichen G7-Gipfels im Juni. Der Ablauf des Treffens machte deutlich, dass der kommende Gipfel der Stärkung einer anti-russischen und anti-chinesischen Achse unter Führung der USA dienen wird.
Großbritannien nutzt seine Position als diesjähriger Gastgeber, um seine bedingungslose Unterstützung für US-Präsident Joe Bidens aggressive Außenpolitik zu bekräftigen und andere Länder, vor allem die europäischen Mächte, dazu zu bringen, dies ebenfalls zu tun.
Am Montag traten US-Außenminister Antony Blinken und sein britischer Amtskollege Dominic Raab bei einer gemeinsamen Pressekonferenz auf. Raab erklärte, die beiden Staaten stünden „Seite an Seite“, Blinken lobte ihre „besondere Beziehung“ und erklärte, die USA hätten „keinen engeren Verbündeten und keinen engeren Partner“ als Großbritannien. Blinken traf sich am Dienstag mit Premierminister Boris Johnson und besprach mit ihm laut einem Sprecher der Downing Street die „enge Abstimmung der britischen und der amerikanischen Außenpolitik“.
Im Vorfeld der Gespräche erklärte Raab: „Die G7-Präsidentschaft Großbritanniens bietet die Gelegenheit, offene, demokratische Gesellschaften zusammenzubringen und Einigkeit in einer Zeit zu zeigen, in der viel Einigkeit notwendig ist, um gemeinsame Herausforderungen und zunehmende Bedrohungen zu bekämpfen.“ Bei der Pressekonferenz mit Blinken forderte er „agile Cluster von gleichgesinnten Staaten, die die gleichen Werte haben und das multilaterale System und die internationale regelbasierte Ordnung schützen wollen“. Damit ist eine Ordnung gemeint, die auf der Hegemonie der USA beruht.
Beide betonten, dass sich ein solches Bündnis gegen Russland und China richten würde. Raab forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, sein „gefährliches Säbelrasseln an der Grenze zur Ukraine, die Cyberangriffe und Fehlinformationen sowie die Giftanschläge auf Alexei Nawalny einzustellen. Letzteres war nicht nur eine Menschenrechtsverletzung, sondern ein Einsatz von Chemiewaffen auf russischem Boden.“ Blinken warnte: „Wenn Russland rücksichtslos oder aggressiv agiert, werden wir reagieren“. Er behauptete, die USA wollten „keine Eskalation.“
Tatsächlich sind es die USA, die über die Nato und die rechte nationalistische Regierung in der Ukraine Provokationen gegen Russland organisieren. Nachdem die ukrainische Regierung eine Strategie zur „Rückeroberung“ der momentan von Russland kontrollierten Krim vorgestellt hat, reiste Blinken am Mittwoch von Großbritannien in die Ukraine, um Amerikas „unerschütterliche Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu bekräftigen“.
In der Erklärung der G7-Außenminister wird Russland „verantwortungsloses und destabilisierendes Verhalten“ vorgeworfen, darunter „das große Aufgebot von russischen Truppen an der ukrainischen Grenze und auf der rechtswidrig annektierten Krim, seine böswilligen Aktivitäten mit dem Ziel, die demokratischen Systeme anderer Länder zu untergraben, seine böswillige Cyberaktivität und sein Einsatz von Desinformation.“ Im Hinblick auf den angeblich vergifteten Putin-Kritiker und imperialistischen Handlanger Alexei Nawalny heißt es drohend: „Wer Chemiewaffen einsetzt, muss zur Rechenschaft gezogen werden.“
Um gegen den Widerstand der Bevölkerung gegen die Kriegstreiberei der imperialistischen Mächte vorzugehen, forderte Raab die G7-Staatenn auf, „gemeinsam Mittel für eine schnelle Widerlegung von Lügen, Propaganda oder Fake News“ zu entwickeln – d.h. um mediale Berichterstattung und Diskussionen zu unterbinden, die den Zielen der G7 schaden. Die Minister verpflichten sich in der Erklärung, diejenigen abzuschrecken, die „unsere demokratischen Institutionen und Prozesse angreifen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität unserer Demokratien zu schwächen und versuchen, in ihren Informationsraum einzudringen.“
Das Hauptaugenmerk bei dem Treffen der Außenminister war auf China gerichtet. Diesem Thema wurde laut der South China Morning Post eine Diskussionszeit von zwei Stunden eingeräumt, Russland nur 90 Minuten, Myanmar und Syrien nur 30 Minuten. Die Lage in der Indo-Pazifik-Region wurde bei einem Arbeitsessen diskutiert.
Blinken erklärte: „Es ist nicht unsere Aufgabe, China einzudämmen oder unten zu halten. Wir versuchen, die internationale regelbasierte Ordnung aufrechtzuerhalten... Und wenn irgendein Land – China oder sonst eines – etwas tut, was diese regelbasierte Ordnung herausfordert, untergräbt oder zerstören will und sich nicht an die abgegebene Verpflichtung zu dieser Ordnung hält, werden wir aufstehen und die Ordnung verteidigen.“
In der „Ordnung“, von der Blinken spricht, versuchen die USA und ihre Verbündeten, China international zu isolieren und inszenieren immer wieder Provokationen im Südchinesischen Meer und um Taiwan, während sie gleichzeitig immer größere Streitkräfte in die Region verlegen. Die USA forcieren ihre Pläne zur Stationierung von Raketen, die bisher durch den INF-Vertrag verboten waren, in Japan, Taiwan und den Philippinen. Großbritannien baut sein Atomarsenal aus und schickt eine Flugzeugträgerkampfgruppe ins Südchinesische Meer, zu dem auch ein Atom-U-Boot gehört.
Beide Länder hatten die Chuzpe, eine Erklärung zu unterzeichnen, in der es heißt: „Wir verpflichten uns dem Endziel einer Welt ohne Atomwaffen“. Zudem loben beide den Atomwaffensperrvertrag.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Laut einer Erklärung der Europäischen Union traf sich der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell diese Woche privat mit Blinken, um über die Beziehungen zu China zu diskutieren. Wichtige europäische Mächte, vor allem Deutschland und Frankreich, haben sich nicht vollständig hinter Bidens Hardliner-Position gegenüber China gestellt, da sie damit beträchtliche wirtschaftliche Interessen opfern würden. Am Dienstag kündigte die EU an, sie habe die Verhandlungen über einen Investitionsvertrag mit China eingestellt. Das war eindeutig ein Zugeständnis an die USA und zugleich ein Hinweis auf den andauernden Disput über die Frage in Europa. Deutschland hatte den Vertrag vorangetrieben, denn es hat beträchtliche wirtschaftliche Interessen in China, ist aber mit dem Widerstand der europäischen Staaten konfrontiert, die sich am stärksten an den USA ausrichten.
Bundesaußenminister Heiko Maas wies in einer Stellungnahme vor dem Treffen auf diese Streitigkeiten hin und erklärte, es sei „höchste Zeit“, dass die G7 „den Versuchen autoritärer Staaten entgegentritt, uns gegeneinander auszuspielen und das Brechen von Regeln zur Norm zu machen.“
China wurde in der Erklärung der G7-Staaten weniger aggressiv angegangen als Russland, allerdings wurde dennoch „Sorge“ geäußert wegen „Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Tibet“, Chinas „Entscheidung für eine grundlegende Erosion der demokratischen Elemente des Wahlsystems in Hongkong“ und „Praktiken, freie und gerechte Wirtschaftssysteme zu untergraben, u.a. in Handels-, Investitions- und Entwicklungsfinanzierungsfragen“. China wurde aufgefordert, „sich an seine Verpflichtungen zu halten, sich im Cyberspace verantwortungsbewusst zu verhalten, wozu u.a. der Verzicht auf den Diebstahl von geistigem Eigentum durch Cyberaktivitäten gehört.“
Um das Bündnis gegen China auszuweiten, hat Großbritannien die Außenminister von Australien, Indien, Südafrika und Südkorea sowie den Vorsitzenden des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) zu den Gesprächen eingeladen. Raab erklärte, in der Einladung äußere sich die „wachsende Bedeutung des Indopazifiks für die G7.“ Die vergrößerte Liste von Außenministern umfasst alle vier Mitglieder der „Quad“, eines anti-chinesischen Bündnisses zwischen den USA, Japan, Australien und Indien.
Dass der indische Außenminister eingeladen wurde, verdeutlicht die völlige Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen der Pandemie vonseiten der G7-Staaten. Sie repräsentieren mit einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von etwa 40 Billionen Dollar die Hälfte der gesamten Weltwirtschaft, doch ihre Vertreter erwähnten das Coronavirus kaum und nur mit leeren Worten, obwohl ihm derzeit täglich mindestens 13.000 Menschen zum Opfer fallen. Die privaten Impfstoffpatente aufzuheben, wurde nicht einen Moment lang in Erwägung gezogen. Indien, das Epizentrum dieser globalen humanitären Katastrophe, wurde nicht zu Diskussionen über Notfallmaßnahmen eingeladen, die Millionen Menschenleben retten könnten, sondern über Kriegspläne, die weitere Millionen Menschenleben gefährden.
Wie vehement die G7-Staaten an der mörderischen Politik der „Herdenimmunität“ festhalten, sowie an der Forderung, dass Arbeiter „mit dem Virus leben müssen“, zeigte die Intervention des britischen Verkehrsministers Grant Schapps. In einem Treffen mit seinen Amtskollegen der G7 und der Europäischen Kommission forderte er die Anwesenden auf, die Wiederöffnung des internationalen Reiseverkehrs zu organisieren. Nur wenige Stunden zuvor musste sich die ganze indische Delegation in Selbstisolation begeben, nachdem mehrere positiv auf Covid-19 getestet wurden.
Was die wirtschaftliche Katastrophe angeht, mit der Milliarden Menschen weltweit konfrontiert sind, so haben sich die G7 verpflichtet, für eine „nachhaltige Erholung“ einen Fond von insgesamt nur fünfzehn Milliarden Dollar einzurichten, der „Frauen in Entwicklungsländern ... bessere wirtschaftliche Gelegenheiten bieten soll“, sowie die Zielvorgabe, bis 2026 weiteren 40 Millionen Mädchen den Schulbesuch zu ermöglichen. In einem Jahr, in dem Billionen von der Arbeiterklasse geraubt und den Konzernen und Superreichen übergeben wurden, ist das kaum ein Tropfen auf den heißen Stein.
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