Die Macron-Regierung reagiert auf die Serie von rechtsextremen Putschdrohungen aktiver und ehemaliger französischer Offiziere mit Schweigen und Beschwichtigung.
Der erste der beiden Briefe, in denen diese Drohungen geäußert wurden, erschien am 21. April, der zweite am 9. Mai. Der erste wurde ursprünglich von 23 ehemaligen Generälen, 200 ehemaligen Offizieren und 1.500 ehemaligen Soldaten unterzeichnet. Seither wurden mindestens 18 Unterzeichner identifiziert, die noch im Militär aktiv sind. Der Brief war an Macrons Regierung gerichtet und bestand aus faschistischen Ausfällen in Bezug auf eine Gefahr des „Islamismus“ in Frankreich sowie die „Horden aus den Banlieues“ (den Arbeitervorstädten).
Falls die Regierung nicht aktiv werde, drohten die Verfasser, werde es eine „Explosion und das Eingreifen unserer aktiven Kameraden geben. Sie werden die gefährliche Aufgabe haben, die Werte unserer Zivilisation und unsere Landsleute auf dem nationalen Territorium zu schützen.“ In einem derartigen Bürgerkrieg werde es „Tausende Tote geben, für die [Macron] verantwortlich [sein wird].“
Der Brief vom 9. Mai wurde angeblich von bis zu 2.000 aktiven Soldaten unterzeichnet. Das neofaschistische Magazin Valeurs actuelles hatte beide Briefe veröffentlicht und die Unterzeichner anonymisiert. Laut der Website haben mittlerweile bereits mehr als 100.000 Menschen die „Petition“ unterschrieben. Sie stellt sich hinter alle früheren Drohungen der Generäle und kündigt einen „Bürgerkrieg“ als Reaktion auf den „zunehmenden Kommunalismus im öffentlichen Raum“ und den „zur Norm werdenden Hass auf Frankreich und seine Geschichte“ an.
Präsident Emmanuel Macron reagierte auf die Putschdrohungen rechtsextremer Netzwerke im Militär mit Schweigen. Er hat ihre Existenz auch drei Wochen nach der Veröffentlichung des ersten Briefs nicht einmal öffentlich zugegeben. Verteidigungsministerin Florence Parly und Innenminister Gerald Darmanin haben sich nur kurz zu dem jüngsten Brief geäußert.
Die Regierung hat deutlich gemacht, dass die offene Drohung mit einem Militärputsch keine juristischen Konsequenzen haben wird. Der Pariser Staatsanwalt Rémy Heitz wies den Antrag von Jean-Luc Mélenchon auf Anklagen gegen die Unterzeichner mit der Behauptung zurück, es hätte keine „strafbaren Verstöße“ gegeben.
Doch trotz Macrons Schweigen wird das Thema im Elysée-Palast mit äußerster Aufmerksamkeit beobachtet. Le Parisien veröffentlichte am 7. Mai einen Bericht, in dem es unter Berufung auf anonyme Regierungsberater hieß, die Regierung wisse von der bevorstehenden Veröffentlichung des zweiten Briefes in Valeurs actuelles und bereite sich darauf vor: „Er ist nicht so billig wie der letzte, aber trotzdem äußerst nervtötend.“ Le Parisien schrieb, das Thema werde „sehr ernst genommen. Sogar der Elysée-Palast und die Verteidigungsministerin kümmern sich darum.“
Ein „Mitglied des engsten Führungskreises des Präsidenten“ erklärte: „Sicherheit wird zu einem wichtigen Thema in der Öffentlichkeit. Wir haben ein Jahr lang in Alarmbereitschaft gelebt. Es haben sich viele Spannungen aufgebaut.“ Ein anderer Berater des Präsidenten erklärt: „Wenn wir der Opposition auch nur einen Zentimeter Platz einräumen, werden wir [in der Präsidentschaftswahl 2022] eine herbe Niederlage einstecken... wir könnten mit Abstechern in die Haftzentren [für Immigranten] anfangen, um deutlich zu machen, dass wir Leute gleich an der Grenze zurückschicken.“
Mit anderen Worten, die Regierung reagiert auf die Androhung von faschistischer Gewalt aus dem Militär, indem sie ihre immigrantenfeindliche Polizeistaatspolitik verschärft und gleichzeitig das rechtsextreme Netzwerk schützt. Dies wird zynisch als Reaktion auf die Forderungen der „Öffentlichkeit“ dargestellt.
Dazu passt, dass Innenminister Gerald Darmanin, der als ehemaliger Unterstützer der rechtsextremen Action française bekannt ist, am 25. April die Vorstellung eines neuen „Gesetzes über innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung“ ankündigte.
Dieses neue Gesetz sieht umfassende Angriffe auf die demokratischen Rechte der Bevölkerung in Form einer Ausweitung der staatlichen Internetkontrolle vor. Die Paragraphen, die den Geheimdiensten derzeit die Befugnis zur Überwachung von Telefongesprächen einräumen, werden durch das neue Gesetz auf die Internetnutzung ausgeweitet. Darmanin erklärte am Sonntag gegenüber dem Journal de Dimanche, es erlaube „den Einsatz von Algorithmen, d. h. die automatische Bearbeitung von Internetdaten“.
Auf die Frage, ob dies eine Gefahr für die Rechte der Bevölkerung sei, antwortete er: „Wir sollten mit dieser Naivität aufhören. Alle großen Unternehmen benutzen Algorithmen. Und warum soll der Staat als einziger nicht in der Lage sein, sie zu benutzen?“
Diese Äußerungen verdeutlichen eine grundlegende politische Realität hinter Macrons Reaktion auf die Putschdrohungen. Die Regierung ist angesichts der steigenden sozialen Ungleichheit und der wachsenden Wut der Bevölkerung über die kriminelle und katastrophale Reaktion auf die Pandemie, die in Frankreich zu mehr als 100.000 Todesopfern geführt hat, politisch von der Stärkung des Polizeiapparats abhängig. Die Regierung fürchtet eine Bewegung der Arbeiterklasse weit mehr als rechtsextreme Offiziere, selbst wenn diese offen mit einem Putsch drohen.
In diesem Kontext müssen auch die Äußerungen von General Charles Lecointre, dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte, verstanden werden. Nach der Veröffentlichung des zweiten Briefs schrieb er einen versöhnlichen offenen Brief an die anonymen Unterzeichner, in dem er deutlich machte, dass keine Untersuchungen oder juristischen Maßnahmen gegen sie geplant sind. Er appellierte an ihre „Vernunft“ und forderte sie auf, aus dem Militär auszutreten und ihre politischen Ansichten öffentlich zu verteidigen.
Er erklärte: „Das Vernünftigste ist sicherlich, aus dem Militär auszuscheiden und seine Ansichten und Überzeugungen völlig frei zu äußern.“
Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass die rechtsextremen Netzwerke im Militär die Absicht haben auszuscheiden. Gleichzeitig ist Lecointres Appell selbst reaktionär und undemokratisch. Wenn die Putschisten seinen Rat annehmen würden, dann würden sie faktisch eine öffentliche rechtsextreme Tendenz aus ehemaligen Offizieren mit engen Beziehungen zum französischen Generalstab bilden.
Zudem stützen sich die Briefe größtenteils auf die politische Kampagne, die die Macron-Regierung in den letzten fünf Jahren geführt hat, vor allem auf deren anti-muslimischem „Separatismusgesetz“.
Macron hat den Kurs für seinen Wahlkampf in der Präsidentschaftswahl 2022 bereits festgelegt, indem er versucht, sich rechts von Marine Le Pens rechtsextremem Rassemblement National zu positionieren. Im Februar warf Innenminister Gerald Darmanin Le Pen in einer Fernsehdebatte vor, sie sei „zu nachgiebig“ gegenüber dem Islam: „Sie verhalten sich zu nachgiebig, Frau Le Pen. Sie sind so weit gegangen, zu behaupten, der Islam sei kein Problem... Sie sollten Vitamine nehmen. Ich finde, es fehlt Ihnen an Härte!“
Der gesamte offizielle Rahmen, in dem der Wahlkampf stattfindet, verschiebt sich immer weiter nach rechts. Diese Woche erklärte Michel Barnier, ein aussichtsreicher Kandidat der Republikaner, Frankreich solle für drei bis fünf Jahre jegliche Zuwanderung von außerhalb der Europäischen Union aussetzen.
Im Kampf gegen die wachsende faschistische Gefahr darf sich die Arbeiterklasse auf keine Fraktion des politischen Establishments verlassen. Der einzige Ausweg ist der Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, um die politische Macht zu übernehmen und den Sozialismus aufzubauen.