US-Behauptungen über drohenden Einmarsch in der Ukraine verschärfen Spannungen mit Russland

Die USA verschärfen die Spannungen mit Russland durch die völlig unbelegte Behauptung, das Land plane einen Einmarsch in die Ukraine.

In den letzten Wochen hat die Nato ihre militärischen Aktivitäten im Schwarzen Meer deutlich verstärkt. Die USA haben drei Kriegsschiffe ins Schwarze Meer entsandt, und Großbritannien kündigte den Einsatz von 600 Soldaten an, falls ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausbrechen sollte. Zudem haben die USA am Dienstag durch die Entsendung von zwei Patrouillenbooten der Coast Guard an die ukrainische Marine bewusst die Spannungen weiter verschärft. Die Ukraine wird die beiden Boote der Island-Klasse im Schwarzen Meer und dem Asowschen Meer einsetzen.

Der russische Präsident Wladimir Putin betonte letzte Woche bei einem Treffen mit russischen Diplomaten, Moskau brauche „klare Garantien“ der Nato in Osteuropa und erklärte, die jüngsten militärischen Aktivitäten des US-dominierten Militärbündnisses im Schwarzen Meer stellten Russland vor eine „ernste Herausforderung“.

Inzwischen haben die US-Regierung und ihre Medien ihre Kampagne um einen angeblich drohenden russischen Einmarsch in der Ukraine verschärft. US-Außenminister Antony Blinken behauptete letzte Woche, Washington sei besorgt, dass Russland die Ukraine überfallen könne. Auch CNN, CNBC und Bloomberg warnten davor. Wie es für die Maschinerie von Nato-Kriegspropaganda üblich ist, basieren diese Äußerungen und Berichte nahezu ausschließlich auf Angaben der US-amerikanischen und europäischen Geheimdienste.

Der Chef des ukrainischen Geheimdienstes Kirill Budanow behauptete letztes Wochenende, Russland habe 92.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert und bereite sich auf einen Angriff Ende Januar oder Anfang Februar vor.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow bezeichnete Budanows Äußerung als „Kriegstreiber-Rhetorik“ und als Anzeichen dafür, dass die Ukraine mit Unterstützung Washingtons eine „Provokation vorbereite, um den Konflikt in eine heiße Phase zu treiben“.

Laut CNN diskutiert die Biden-Regierung die Entsendung von Militärberatern und neuem Gerät an die Ukraine, darunter neue Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin sowie Granatwerfer und einen russischen Militärhubschrauber vom Typ MI-17, der ursprünglich für die afghanischen Streitkräfte gekauft wurde. Der Kreml hat deutlich gemacht, dass er weitere Lieferungen von Kriegsgerät an die ukrainischen Streitkräfte als Überschreiten einer „roten Linie“ betrachte.

Sowohl Demokratische als auch Republikanische Abgeordnete fordern neue Sanktionen gegen Russland. Washington hat außerdem bereits neue Sanktionen gegen die russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream 2 angekündigt. Berlin hat sich zwar bisher nicht den Forderungen gebeugt, das Projekt zu beenden, kündigte aber letzte Woche eine vorübergehende Pause an.

Der russische Auslandsgeheimdienst verglich die derzeitigen Spannungen im Schwarzen Meer am Montag mit den Entwicklungen vor dem Krieg 2008 zwischen Russland und dem von Washington unterstützten Georgien im Kaukasus, der die beiden größten Atommächte der Welt an den Rand einer militärischen Konfrontation gebracht hatte. Die Erklärung führte zu einem massiven Kursverlust des russischen Rubel. Berichten zufolge diskutieren Moskau und Washington über ein weiteres Online-Treffen zwischen Biden und Putin, das noch vor Ende des Jahres stattfinden könnte.

Das jüngste Aufflammen der Spannungen in der Schwarzmeerregion ist letzten Endes das Ergebnis der Einkreisung Russlands durch die US-geführte Nato nach der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie 1991. Die Ukraine und das Schwarze Meer, das Europa und den Nahen Osten verbindet, waren von zentraler Bedeutung in der Strategie der USA, ihre Hegemonie über die eurasische Landmasse zu etablieren.

Die USA haben in den Jahren 2004 und 2014 Putsche gegen die pro-russische Regierung von Wiktor Janukowitsch organisiert. Beim zweiten Putsch im Jahr 2014 hatten Neonazi-Kräfte eine entscheidende Rolle gespielt, die mittlerweile in das politische Establishment, den Staatsapparat und das Militär der Ukraine eingebunden wurden.

Der Putsch löste außerdem einen Bürgerkrieg im Osten der Ukraine zwischen dem ukrainischen Militär, das von der Nato mit Waffen und Ausrüstung versorgt wird, und pro-russischen Separatisten aus, der bis heute andauert. Die strategisch wichtige Halbinsel Krim im Schwarzen Meer wurde im März 2014 nach einem Referendum von Russland annektiert. Der Konflikt hat mehr als 13.000 Todesopfer gefordert, weitere Millionen Menschen wurden vertrieben.

Die Nato und die Kiewer Regierung haben dafür gesorgt, dass die Lage in der Region das ganze Jahr über stark angespannt geblieben ist.

Im Februar dieses Jahres verabschiedete die ukrainische Regierung ein neues Strategiedokument, in dem sie ihre Entschlossenheit äußerte, die Krim und die osteuropäische Region Donbass „zurückzugewinnen“, die derzeit von prorussischen Separatisten kontrolliert wird. Mit dieser Ankündigung erklärte die Ukraine offen, dass sie sich auf einen Krieg mit Russland vorbereite. Im April löste sie dadurch eine militärische Krise aus.

Im Juni organisierte Großbritannien eine schwere Provokation im Schwarzen Meer, indem es den Zerstörer HMS Defender in Gewässer schickte, die Russland beansprucht. Als Reaktion darauf feuerte ein russisches Patrouillenboot mehrere Warnschüsse ab, ein russisches Kampfflugzeug warf vor dem britischen Schiff Bomben ab.

Ebenfalls im Juni versuchten die USA, durch ein Treffen zwischen Präsident Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin, die Spannungen mit Moskau abzubauen. Dies geschah jedoch nur, weil sich Washington zunehmend auf die Vorbereitungen für einen Krieg gegen China konzentrieren will. Moskau verfiel daraufhin in diplomatische Aktivität, offenbar um den Kurswechsel der USA auszunutzen. Der Kreml lud CIA-Direktor William Burns und Victoria Nuland ein, der zuvor durch Sanktionen die Einreise nach Russland untersagt war. Nuland ist unter Biden als Staatssekretärin im Außenministerium tätig. Wie kaum eine andere Außenpolitikerin wird sie mit dem von den USA orchestrierten „Maidan“-Protesten in der Ukraine in Verbindung gebracht, die in dem Putsch vom Februar 2014 gipfelten.

Die Gespräche fanden Mitte Oktober statt und dauerten drei Tage, weitere Details wurden nicht veröffentlicht. Kurze Zeit später schloss Russland jedoch seine seit Jahrzehnten bestehende Vertretung bei der Nato. Die USA behaupteten, russische Truppen würden sich an der ukrainischen Grenze sammeln, was von Moskau und anfangs auch von Kiew dementiert wurde. Daraufhin schickten die USA ihren CIA-Chef in die Ukraine und mehrere Kriegsschiffe ins Schwarze Meer.

Gleichzeitig haben die EU und die Nato die Versuche tausender wehrloser Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten, in Belarus die Grenze zum EU-Mitgliedsstaat Polen zu überqueren, dazu benutzt, um Russland „hybride Kriegsführung“ mittels dieser Flüchtlinge vorzuwerfen. Die unmittelbare Krise hat sich zwar etwas entspannt, seit der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko begonnen hat, die Flüchtlinge zurück in den kriegsverheerten Nahen Osten abzuschieben. Polen droht jedoch immer noch mit der Schließung der Grenze zu Belarus.

Doch unabhängig von den unmittelbaren Absichten und Erwägungen der USA und ihrer Nato-Verbündeten, der ukrainischen Regierung und der russischen Oligarchie ist die Situation äußerst instabil und birgt das Potenzial einer gefährlichen Eskalation. Die Triebkraft hinter dem immer rücksichtsloseren Kurs des US-Imperialismus auf einen Krieg gegen Russland und China ist vor allem das explosionsartige Anwachsen sozialer Spannungen angesichts der Pandemie, die in der größten Streikwelle seit Jahrzehnten ihren ersten Ausdruck finden.

Doch die Lage in Osteuropa ist keineswegs stabilisiert. Die russische und die ukrainische Arbeiterklasse leiden immens unter der Pandemie, auf die die herrschenden Oligarchien – die Erben der stalinistischen Bürokratie – genauso verbrecherisch reagieren wie die Kapitalistenklasse in Europa und den USA.

Russland und die Ukraine liegen seit mehreren Wochen beim Anstieg der täglichen Todesfälle durch Covid-19 weltweit an erster und zweiter Stelle. In der ukrainischen Hauptstadt arbeiten die Krematorien rund um die Uhr, um die Leichen der Opfer zu verbrennen. Russland setzt mit täglich mehr als 1.200 Todesfällen durch Covid-19 weiterhin fast täglich neue Rekorde. Hunderttausende Kinderf haben sich infiziert, zahllose davon sind gestorben, doch der Kreml lehnt ernsthafte Gesundheitsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie weiterhin ab.

Der einzige progressive Ausweg aus dieser Situation besteht darin, dass die Arbeiterklasse in einer global koordinierten Bewegung unabhängig ins politische Geschehen eingreift. Sie muss auf diese Weise den Kampf für ein Ende der Pandemie mit dem Kampf für ein Ende imperialistischer Kriege und deren Ursache, das kapitalistische System, verbinden.

Loading