In dieser Woche befinden sich die Ford-Arbeiter in Saarlouis und Köln in Kurzarbeit. Für den Betriebsrat gilt das nicht. Denn er arbeitet gemeinsam mit der Konzernleitung die Kürzungen aus, die den Arbeitern in Saarlouis verordnet werden sollen.
Wenn die Ford-Arbeiter in Saarlouis und im spanischen Valencia den Betriebsräten und Gewerkschaften nicht in den Arm fallen und sich unabhängig von ihnen zusammenschließen, um alle Arbeitsplätze zu verteidigen, gehen zigtausende Arbeitsplätze verloren – an beiden Standorten.
Die europäische Konzernführung hat die Werke in Saarlouis und Valencia aufgefordert, ihr bis Donnerstag Sparkonzepte vorzulegen. Der Standort, der die meisten Kosten einspart, soll den Zuschlag für den Bau eines neuen E-Auto-Modells erhalten. Die Betriebsräte in beiden Werken verhandeln darüber seit Monaten mit den jeweiligen Werksleitungen und bereiten gewaltige Angriffe vor: Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung, Arbeitszeitverlängerung, Urlaubskürzung usw.
Die spanische Werksleitung forderte von der Belegschaft in einem Brief „die Verringerung der Lohnkosten, die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit und eine Erhöhung der Arbeitstage pro Jahr“. Ansonsten drohe die Schließung des Werks. Der spanische Betriebsrat unter José Luís Parra beschwert sich zwar, versichert aber: „Wir kennen keine roten Linien und sind bereit zu verhandeln.“
In Deutschland verfasst der Gesamtbetriebsrat die Drohbriefe der Werksleitung selbst. „Uns wurde schon ziemlich deutlich gesagt, dass Valencia insbesondere hinsichtlich der Personalkosten erhebliche Vorteile habe“, erklärt der noch amtierende Vorsitzende des deutschen Ford-Gesamtbetriebsrates, Martin Henning, in einem Rundbrief. Angeblich seien die Lohnkosten in Spanien um ein Drittel niedriger als in Deutschland.
Was das für die Arbeiter in Saarlouis bedeutet, ist klar. Sie sollen gewaltige Einsparungen hinnehmen. Betroffene Arbeiter berichteten der WSWS, dass im Werk von Kürzungen in Höhe von 120 Millionen Euro im Jahr die Rede sei. So sollen u. a. die drei täglichen Pausen von insgesamt einer Stunde auf 30 Minuten halbiert werden. Die Millionen, die so aus der Belegschaft herausgepresst werden, fließen über die Dividende direkt an die Aktionäre und Hedgefonds.
Die brutale Erpressung ist seit Wochen und Monaten Gesprächsthema Nummer 1 unter den Ford-Arbeitern. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze und Einkommen. Diese Furcht nutzt der von der IG Metall geführte Betriebsrat aus.
Ende letzten Jahres erklärte Markus Thal, der Betriebsratsvorsitzende in Saarlouis, er setze seine Hoffnung zur „Rettung des Werks“ in erster Linie auf die Opferbereitschaft der Arbeiter. „Sie hätten die Zugeständnisse in der Vergangenheit immer mitgetragen, und sie seien auch jetzt bereit, Zugeständnisse zu machen,“ zitiert ihn die Süddeutsche Zeitung.
Die Arbeiter hat Thal vorher nicht gefragt. „Ich wüsste nicht, dass wir gefragt worden sind“, berichtet ein Ford-Arbeiter aus Saarlouis im Gespräch mit der WSWS. „Mit mir hat auf jeden Fall niemand darüber gesprochen. Mich würde aber schon interessieren, was im Angebot von Saarlouis steht,“ sagt er. Aber er und seine Kollegen kriegten nie was mit. Die Belegschaft müsse alles den Medien entnehmen.
Die Klagen der Gewerkschaften und Betriebsräte in Deutschland und Spanien über das Vorgehen des Konzerns – spanische Gewerkschafter sprechen von gladiatorenähnlichen „Hungerspielen“ – erinnern an den Täter, der „Haltet den Dieb“ ruft. Denn in beiden Ländern beteiligen sie sich daran, die Belegschaften gegeneinander auszuspielen. Ihre medienwirksamen Klagen sind nur die Begleitmusik zu den Angriffen, die sie selbst ausarbeiten und den Arbeitern aufzwingen.
Die Konzernführung kann sich seit Jahren auf die Gewerkschaften verlassen. Das Unternehmen hat bereits in den vergangenen Jahren mehrere Werke in Europa geschlossen. Eine erste Welle betraf 2013 die Werke in Southampton und Dagenham (Großbritannien) sowie 2014 das Werk in Genk (Belgien). Nur fünf Jahre später, 2019, wurden Werke in Russland, Frankreich und wieder Großbritannien geschlossen, ein Werk in der Slowakei wurde verkauft.
Nun sollen Saarlouis oder Valencia sich gegenseitig ausstechen. Deutschland und Spanien sind die beiden wichtigsten Auto-Produktionsländer in Europa. In Spanien gehört die Autoindustrie mit Werken von VW, Mercedes, Renault, Stellantis (Citroën, Opel, Peugeot) und Ford zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Das gleiche gilt noch ausgeprägter für Deutschland.
Im Saarland produziert Ford seit über 50 Jahren Autos. Von einst über 7000 Arbeitern im Werk sind heute weniger als 5000 übriggeblieben. Doch am Werk hängen allein im Saarland insgesamt etwa 40.000 Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie.
Das Ford-Werk in Almussafes, Valencia, blickt auf eine ähnliche Tradition zurück. Es besteht seit fast fünf Jahrzehnten. Von ehemals 9000 Arbeitern arbeiten aktuell noch knapp 6000. In der regionalen Zulieferindustrie stehen weitere 30.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Angesichts dieser Bedeutung der Werke stützt sich der Ford-Konzern nicht nur auf die Gewerkschaften und Betriebsräte, sondern auch auf die Regierungen, um Gelder zu erpressen.
So berichten Medien, der spanische Regierungschef Pedro Sánchez (PSOE) habe Fördergelder für den Fabrik-Umbau in Aussicht gestellt, falls Valencia den Wettstreit gewinnen sollte. Von der Regionalregierung in Valencia bekommt der Autobauer bereits seit Jahren hohe Millionenzuschüsse. „Wir stehen an der Seite Fords,“ versichert Valencias Ministerpräsident Ximo Puig, der wie Sánchez Mitglied der sozialdemokratischen PSOE ist.
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine SPD-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger sicherten ebenfalls staatliche Unterstützung zu. Die Landesregierung tue alles, „was möglich ist“. Der „starke Schulterschluss“ zwischen Belegschaft, Betriebsrat, Gewerkschaften, örtlichem Management und Landesregierung werde auch in Detroit, London und Köln gesehen, zitiert die Saarbrücker Zeitung den Ministerpräsidenten. „Das hat durchaus Eindruck gemacht auf den Ford-Europa-Chef Stuart Rowley, mit dem ich gesprochen habe,“ sagte Hans.
Beide Landes- bzw. Regionalregierungen setzen zudem auf den Bau von Batteriewerken in unmittelbarer Nachbarschaft der bestehenden Werke. Im Saarland kündigte der chinesische Hersteller S-Volt an, er wolle ein großes Batteriewerk nur 20 Kilometer vom Ford-Werk entfernt bauen.
Auch Almussafes hat den Bau einer riesigen Batteriefabrik direkt neben dem Ford-Werk angekündigt. Unter den Investoren befinde sich auch Ford. Das deutsche Handelsblatt und die spanische Tageszeitung El Pais schließen daraus, dass dies die Chancen im Bieterwettbewerb für das Werk in Valencia stark erhöhe.
Die Zeit drängt. Die Entscheidung über den Zuschlag eines neuen Elektro-Modells soll bis zum 30. Juni fallen. Bis dahin muss den Betriebsräten und Gewerkschaften das Heft aus der Hand genommen werden. Sie sind nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems, vor dem Arbeiter in Deutschland, Spanien und aller Welt stehen. Sie akzeptieren nicht nur den Unterbietungswettbewerb, bei dem nur das Werk mit den niedrigsten Kosten überlebt. Sie arbeiten die Kürzungen auch selbst aus und setzen sie durch.
Diese gewerkschaftliche Politik führt zu einer unaufhaltsamen Spirale nach unten. Was wird in vier oder fünf Jahren sein? Muss dann das Werk, das jetzt „siegt“, gegen die Ford-Werke in Rumänien oder der Türkei und die dort gezahlten Niedriglöhne antreten?
Im letzten Artikel haben wir geschrieben: „Um sich der Erpressung durch Management und Betriebsrat zu widersetzen, ist eine neue politische Orientierung notwendig, die von den gemeinsamen Interessen aller Arbeiter an allen Standorten ausgeht und sich der Logik des kapitalistischen Profitsystems widersetzt. Arbeiter müssen die Verteidigung ihrer Interessen und ihrer Rechte selbst in die Hand nehmen und sich völlig unabhängig von den pro-kapitalistischen Gewerkschaften und ihren Betriebsräten organisieren.“
Alle, denen es mit der Verteidigung der Arbeitsplätze und der Arbeitsbedingungen ernst ist, müssen jetzt die Notbremse ziehen. Ford-Arbeiter in Saarlouis, Valencia, Köln und anderen Werken müssen von den Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees bilden, gegenseitig Verbindung aufnehmen und eine gemeinsame Strategie gegen Konzernspitze, Regierungen, Gewerkschaften und Betriebsräte diskutieren.
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die ihr angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien werden euch unterstützen. Wir haben die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees gegründet, um die weltweiten Kämpfe der Arbeiter gegen die Angriffe der Unternehmen zu koordinieren. Nehmt noch heute mit uns Kontakt auf!