Bund und Länder reduzieren inmitten der größten Corona-Welle Kontaktverfolgung und Tests

Alle Bundestagsparteien arbeiten aufs Engste zusammen, um die verbleibenden Hindernisse für die Pandemie zu beseitigen und die gesamte Gesellschaft mit der Omikron-Variante des Coronavirus zu durchseuchen. Das haben die Bund-Länder-Beschlüsse vom gestrigen Montag erneut gezeigt.

Während die Zahl der täglichen Neuinfektionen nahezu senkrecht ansteigt und die Wocheninzidenz bundesweit fast die 1.000er Grenze überschreitet, haben Bund und Länder nach der massiven Beschneidung der Quarantäneregelungen nun de facto auch ein Ende der allgemeinen Kontaktnachverfolgung sowie die massive Einschränkung der Tests beschlossen.

Der Beschluss, auf den sich sämtliche Landesregierungen mit dem Bund geeinigt haben, sieht keine zusätzlichen Kontaktbeschränkungen und keinerlei Lockdown-Maßnahmen vor. Stattdessen werden die letzten Maßnahmen reduziert, die das Infektionsgeschehen einschränken könnten.

So sollen PCR-Tests nur noch für das Personal „insbesondere in Krankenhäusern, in Praxen, in der Pflege, Einrichtungen der Eingliederungshilfe“ sowie bei Risikopatienten eingesetzt werden. Die konkrete Ausgestaltung soll von den Gesundheitsministern festgesetzt werden. Klar ist aber schon jetzt, dass alle anderen Arbeiter, Schüler und Kita-Kinder höchstens noch mit Antigen-Schnelltests getestet werden sollen, die gerade bei der Omikron-Variante sehr viel unzuverlässiger sind. Das wird unweigerlich zu tausenden zusätzlichen Ansteckungen führen, weil Infektionen unentdeckt bleiben.

Auch in Hinblick auf die Kontaktnachverfolgung soll es eine „Priorisierung“ geben, weil sich die Ministerpräsidenten weigern, das Personal in den überlasteten Gesundheitsämtern aufzustocken. Die Details sollen „zeitnah“ ausgearbeitet werden. Am Wochenende hatten sich bereits die Gesundheitsminister der Länder darauf geeinigt, die Kontaktnachverfolgung auf Corona-Fälle im Klinik- und Pflegebereich und in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zu konzentrieren.

Alle anderen Bürger fordert die Ministerpräsidentenkonferenz auf „eigenverantwortlich ihre Kontaktpersonen zu informieren und die verfügbaren elektronischen Hilfsmittel zur Kontaktnachvollziehung zu nutzen“. Konkret bedeutet dies, dass Arbeiter in den meisten Bereichen vom Gesundheitsamt keine Quarantäne-Bescheinigung mehr erhalten und sich somit bei ihrem Arbeitgeber auch nicht mehr entschuldigen können.

In Berlin hat der rot-rot-grüne Senat bereits begonnen, die Maßnahmen umzusetzen. Schul- und Kita-Kinder, die Erstkontakt zu einem Corona-Infizierten hatten, kommen nicht mehr in Quarantäne, sondern werden lediglich mit den unzuverlässigen Antigen-Schnelltests getestet. Die Eltern können sich somit ebenfalls nicht mehr bei ihrem Arbeitgeber entschuldigen und sich in häusliche Quarantäne begeben, weil sie keinen Nachweis mehr erhalten. Inmitten der bisher schwersten Corona-Welle werden die Schulen, Kitas und Betriebe so bewusst der Durchseuchung preisgegeben.

Zudem soll entgegen dem letzten Gipfel-Beschluss in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe nur noch eine zehntägige Isolation gelten, die nach sieben Tagen und 48 Stunden ohne Symptome mit einem einfachen Antigen-Schnelltest beendet werden kann. Dasselbe gilt für Kontaktpersonen, wobei für Personen mit Auffrischungsimpfung keinerlei Quarantäne mehr vorgesehen ist, obwohl diese das Virus nachweislich weitergeben können.

Auch die Durchführung „überregionaler Großveranstaltungen“ – darunter Fußballspiele und Großkonzerte – soll durch eine „Vereinheitlichung der bestehenden Regelungen“ weiter vereinfacht werden. Eine allgemeine Impfpflicht soll lediglich „vorbereitet“ und in der nächsten Woche im Bundestag erstmals „diskutiert“ werden.

Auf der Pressekonferenz nach dem Treffen erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass „die Richtung, die wir eingeschlagen haben, hilft“. Alle Regierungschefs seien der Meinung, dass es „richtig ist, diesen Kurs fortzusetzen“. Die Planungen des Bundesgesundheitsministeriums unter Karl Lauterbach (SPD) gehen davon aus, dass die Politik der Regierung im „Best-Case-Szenario“ bis Mitte Februar täglich 400.000 Neuinfektionen zur Folge haben wird.

Der Durchseuchungskurs, der von sämtlichen Bundestagsparteien vorangetrieben wird, bedeutet nicht nur die Infektion von Millionen, den Tod von Hunderttausenden und gesundheitliche Langzeitschäden für Millionen, sondern auch den unmittelbaren Kollaps des Gesundheitssystems.

Selbst der Expertenrat der Bundesregierung – darunter RKI-Chef Lothar Wieler und mehrere Virologen und Epidemiologen – erwartet in seiner aktuellen Stellungnahme „sehr viele Krankenhausaufnahmen“ und geht davon aus, „dass die medizinische Versorgung zumindest regional eingeschränkt sein wird“. Dies werde „relevante Gefährdungen“ für die „Versorgung von PatientInnen mit anderen Krankheiten“ zur Folge haben, so die Experten.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die einzige Alternative, um hunderttausende Menschenleben zu retten, die Eliminierung des Virus durch weltweite Impfungen, den koordinierten Lockdown aller nicht lebensnotwendigen Betriebe sowie der Schulen und weitere Hygienemaßnahmen. Betroffene Arbeiter müssten vollen Lohnersatz und Familien die notwendige Unterstützung erhalten.

Doch die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP tut das genaue Gegenteil: Flankiert von den Landesregierungen jeglicher Couleur verschärft sie die Profite-vor-Leben-Politik der Großen Koalition, in deren Zuge die zehn reichsten deutschen Milliardäre ihr Vermögen auf mehr als 226 Milliarden Euro fast verdoppeln konnten. Allein das in der Pandemie zusätzlich angehäufte Vermögen dieser zehn Individuen entspricht dem Gesamtvermögen der ärmsten 33 Millionen Deutschen.

In den Schulen und Kitas werden derweil Kinder aus bis zu dreißig Haushalten Tag für Tag auf engstem Raum unter völlig ungesicherten Bedingungen zusammengebracht, wo sie minderwertige Tests erhalten. In den Hallen der Industrie- und Handelskonzerne atmen Arbeiter dieselbe aerosolbehaftete Luft und infizieren Freunde, Kollegen und Angehörige.

Auf die Überwältigung der Test- und Laborkapazitäten und den drohenden Kollaps des Gesundheitssystems reagieren Bund und Länder, indem sie die Quarantänezeiten verkürzen, Infizierte zur Arbeit zwingen und die Jugend noch schneller als zuvor durchseuchen.

Sowohl Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach haben bereits weitere „Lockerungen“ in Aussicht gestellt, um die Profite der Kapitalisten auf Kosten des Lebens und der Gesundheit von Arbeitern und Jugendlichen weiter zu steigern.

Gegen diese Politik der kontinuierlichen Durchseuchung wächst weltweit der Widerstand. In den USA, Frankreich und Italien haben in den letzten Wochen zehntausende Lehrer für sichere Bildung gestreikt. In Griechenland und Österreich haben Schülerinnen und Schüler massenhafte Schulstreiks und Besetzungen organisiert, um sich gegen ihre Durchseuchung zur Wehr zu setzen.

Diese Kämpfe sind Bestandteil weltweiten Aufschwungs des Klassenkampfs. Der Kampf für die Beendigung der Pandemie – auf der Grundlage einer weltweiten Eliminierungsstrategie gegen Covid-19 – erweist sich immer deutlicher als ein Kampf zweier unversöhnlicher gesellschaftlicher Kräfte: Der Kapitalistenklasse, die für ihren Profit buchstäblich über immer neue Berge von Leichen schreitet – und der Arbeiterklasse, die sich einem sozialistischen Programm zuwenden muss, um die Gesundheit und das Leben aller zu verteidigen.

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