Zehntausende von spanischen Lastwagenfahrern widersetzen sich weiterhin der PSOE/Podemos-Regierung und ihren Forderungen nach einer Beendigung ihres Streiks im Namen des „Kampfs gegen Putin“. Die Lastwagenfahrer protestieren seit dem 14. März mit einem landesweiten unbefristeten Streik gegen den Anstieg der Spritpreise. Ihr Streik findet vor dem Hintergrund des Kriegskurses gegen Russland und seine Energieexporte statt, mit dem die Nato auf den Krieg in der Ukraine reagiert.
Der Streik hat einen Dominoeffekt ausgelöst: Es kommt zu Hafenblockaden, Verkehrsstaus, Engpässen bei Treibstoff, Baumaterialien und Lebensmitteln in den Supermärkten.
Die spanische Regierung behauptet zwar weiterhin, der Streik habe nur minimale Auswirkungen, hat jedoch am Mittwoch eine neue Verordnung erlassen, laut der Supermärkte die Einkaufsmengen der Kunden begrenzen dürfen. Milch, Mehl, Reis und andere Grundnahrungsmittel werden erstmals seit den 1940ern rationiert.
Der Streik wird angeführt vom Verband zur Verteidigung des Warenverkehrs auf der Straße, einer Vereinigung von kleinen Frachtunternehmen und selbstständigen Lastwagenfahrern. Er erklärte am Donnerstag, er werde „den Kampf nicht aufgeben“ und am Samstag auf einer Nationalversammlung in Madrid „die nächsten Schritte beschließen.“ Der Verband hat die Vorschläge der PSOE/Podemos-Regierung – eine Subvention von 20 Cent pro Liter Kraftstoff, von der 15 Cent vom Staat und 5 Cent von den Ölkonzernen bezahlt werden sollen – als unzureichend zurückgewiesen.
Die durchschnittlichen Spritpreise steigen derweil weiter. Diese Woche überholte der Durchschnittspreis für Diesel, zu dessen führenden Exporteuren Russland gehört, erstmals den Preis für Benzin und erreichte einen historischen Rekord. Laut dem Ölbulletin der Europäischen Union ist der Durchschnittspreis für einen Liter Benzin in Spanien auf 1,818 Euro gestiegen, der durchschnittliche Dieselpreis auf 1,837 Euro. Insgesamt sind die Preise für Diesel im Jahr 2022 um 36,29 Prozent gestiegen, die Preise für Benzin um 22,97 Prozent.
Am Donnerstag blockierten Lastwagenfahrer in Katalonien die Hauptstraße aus dem Industrie- und Logistikgebiet Zona Franca in Barcelona. In der südspanischen Hafenstadt Algeciras errichteten fast 200 Lastwagenfahrer einen Streikposten vor dem Hafen. In Bilbao, der wichtigsten Hafenstadt Nordspaniens, wird der Hafen noch immer durch Streikposten blockiert. Auf den Balearen haben mehr als 100 Lastwagenfahrer des erst vor kurzem gegründeten Balearischen Frachtverkehrsverbands für den 11. bis 13. April neue Proteste auf Mallorca angekündigt, um gegen die „unhaltbare“ Lage in der Branche zu protestieren.
Es gibt einige Anzeichen, dass der Streik an Schwung verliert, nachdem die PSOE/Podemos-Regierung 23.000 Polizisten gegen die Streikenden mobilisiert hat. Die beiden größten Gewerkschaften des Landes, die Podemos-nahe CCOO und die PSOE-nahe UGT, haben den Streik verurteilt und isoliert, selbst nachdem die Polizei Dutzende von Fahrern verhaftet und einen von ihnen sogar angeschossen hatte.
Einige regionale LKW-Fahrerverbände und Gewerkschaften akzeptieren die befristeten Zugeständnisse der Regierung. Die Autonome Baskische Frachtverkehrsgewerkschaft Hiru und mehr als 700 selbstständige Lastwagenfahrer haben dafür gestimmt, den Streik zu beenden. Bei einer Versammlung der Gewerkschaft wurde der Vorschlag, wieder an die Arbeit zurückzukehren, mit 50 Stimmen angenommen, 31 stimmten für die Fortsetzung des Streiks, acht enthielten sich.
In Kantabrien beendeten die Spediteure unter der Leitung des Verbands Asemtrasam, dem 500 Lastwagenfahrer angehören, ihren Streik. Genau wie bei Hiru im Baskenland war das Abstimmungsergebnis sehr knapp, viele Mitglieder nahmen nicht teil. 132 Teilnehmer stimmten für die Beendigung des Streiks, 117 dagegen.
Der galizische Verband des Frachtverkehrs (Fegatramer) und der Verband der Spediteure aus Navarra (Tradisna), dem 212 Fahrer angehören, beschloss die Einstellung des Ausstands, ohne das Ergebnis der Abstimmung bekanntzugeben. In Asturien beendete der Verband Cesintra, der den Streik zusammen mit der UITA unterstützt hatte, seine Teilnahme am Streik.
Die spanische Regierung behauptet außerdem, der Schwerlastverkehr erhole sich und sei am Donnerstag um 35 Prozent höher gewesen als auf dem Höhepunkt des Streiks am letzten Montag.
Die Unterdrückung des Streiks nimmt weiter zu. Gleichzeitig wird klar, dass die eigentliche Ursache für die Inflation in Spanien und der Welt weiterhin existiert: Die Bankenrettungen, die die Währung entwerten, indem Billionen Euro in die Taschen der Superreichen gespült werden, und die Nato-Sanktionen gegen russische Öl- und Getreideexporte. Am Mittwoch meldete die spanische nationale Statistikbehörde, die Inflation erreiche die Marke von zehn Prozent. Dieser Wert wurde das letzte Mal im Jahr 1985 erreicht. Auch vor 37 Jahren geschah dies vor dem Hintergrund einer brutalen Austeritätspolitik der PSOE-Regierung.
Laut dem Beratungsunternehmen Kantar sind die Preise für Konsumgüter in den zwei Wochen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine um insgesamt fünf Prozent gestiegen. Dennoch stieg der Konsum um 13 Prozent, da viele Käufer aus Angst vor Engpässen wegen des Kriegs und des Lastwagenfahrerstreiks Vorräte anlegten. Die Preise sind in die Höhe geschossen: Speiseöl ist 303 Prozent teurer als vor einem Jahr, Nudeln 183 Prozent, Reis 181 Prozent und Milch 145 Prozent.
Die PSOE-nahe Tageszeitung El País schrieb: „Angesichts dieser Situation setzen die Verbraucher auf unterschiedliche Strategien. Allgemein handelt es sich um die folgenden drei Taktiken: Ersparnisse oder Kredite benutzen, billigere Marken suchen oder weniger kaufen. Die Daten für März zeigen, dass bisher die Familienersparnisse benutzt wurden, die während der Pandemie Rekordwerte erreichten, als man nicht konsumieren konnte.“
Laut dem Verband der Hersteller und Lieferanten (Aecoc) müssen bereits 15 Prozent der spanischen Konsumenten, d.h. ein Siebtel, weniger Lebensmittel kaufen und essen.
Die Inflation ist das Ergebnis der Klassenkriegspolitik der herrschenden Elite. Während der Pandemie weigerten sich die kapitalistischen Regierungen, eine wissenschaftlich fundierte Zero-Covid-Strategie zu übernehmen, sodass sich die Pandemie ausbreiten und die Lieferketten unterbrechen konnte, während die Zentralbanken Billionen Euros zur Rettung der Superreichen druckten. Die Bestrebungen der Nato, russischem Öl, Gas und Getreide wegen ihres Kriegs gegen Russland in der Ukraine den Zugang zum Weltmarkt zu verwehren, verstärkt den zugrundeliegenden Anstieg der Preise.
Die Kapitalistenklasse benutzt den Streik der Lastwagenfahrer und Probleme bei den Lieferketten, um im großen Stil Arbeiter zu entlassen und Tausende von befristeten Entlassungen (ERTEs) durchzuführen. Bei diesen ERTEs müssen die Arbeitgeber entlassenen Arbeitern keinen Lohn mehr zahlen, stattdessen erhalten sie Arbeitslosenhilfe, was eine 30-prozentige Lohnsenkung bedeutet.
ERTEs wurden und werden in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften u.a. bei den Autobauern Seat, Ford und Renault, der Fluggesellschaft Air Europa, dem Stahlkonzern Acerinox, dem Lebensmittelkonzern Ingapan, dem Chemiekonzern Asturquimia, den Metallunternehmen in Cádiz und Keramikunternehmen in Castellón ausgehandelt.
Die großen Wirtschaftsverbände wollen in der Lage sein, einseitig die Löhne zu senken. Laut der Nachrichtenseite El Confidencial Digital fordert der spanische Unternehmerverband CEOE die „völlige Freiheit, in Krisenzeiten die Löhne senken zu können.“
Lastwagenfahrer dürfen den Versprechen der PSOE und der pseudolinken Podemos, deren Polizisten die Streikposten angreifen, kein Vertrauen schenken. Angesichts der Eskalation der Nato-Drohungen gegen Russland sind diese Versprechen nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Der Streik erfordert eine neue politische Strategie.
Der Streik der spanischen Lastwagenfahrer ist Teil einer wachsenden Welle von internationalen Klassenkämpfen. In den USA und Kanada wehren sich Bahnarbeiter gegen Aussperrungen und Streikverbote. Die Türkei wird von einer Welle von spontanen Streiks erschüttert. In Indien streiken Millionen von Arbeitern gegen die staatliche Austeritätspolitik. In der gesamten Arbeiterklasse herrscht massiver Widerstand gegen die Politik von Krieg, Inflation und Durchseuchung mit Covid-19. Die wichtigste Aufgabe für die Lastwagenfahrer ist der Kampf für die größtmögliche Mobilisierung der Arbeiter in Spanien und der Welt gegen die kapitalistischen Regierungen, die die Arbeiterklasse in Armut stürzen.