Benzin, Heizung, Strom und Lebensmittel – die Preise steigen angesichts des Ukraine-Kriegs rasend schnell. Während das für die Reichen und oberen Mittelschichten, die in Politik und Medien den Ton angeben, kaum ins Gewicht fällt, ist es für den überwältigenden Teil der Bevölkerung existenzbedrohend.
Wir sprachen in Duisburg mit Arbeiterinnen und Arbeitern, Rentnerinnen, Arbeitslosen und Alleinerziehenden vor einem Lidl-Supermarkt über die aktuelle Situation. Bereits im letzten Jahr war der Verbraucherpreisindex in Nordrhein-Westfalen um 5,2 Prozent gestiegen. Löhne und insbesondere Sozialleistungen stiegen hingegen kaum. Hartz-IV-Empfänger, die den Großteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen, erhalten seit Januar 449 Euro im Monat – und damit nur nur 0,7 Prozent oder 3 Euro mehr als zuvor. Aktuell entspricht das etwa dem Preis für einen Liter Sonnenblumenöl beim Discounter.
„Es ist eine Katastrophe“, sagt Nezir aus dem Kosovo. Er bezieht Grundrente auf Hartz-IV-Niveau. Er kann nun selbst bei den Discountern nur die Angebote kaufen. „Alles andere ist zu teuer.“ Er läuft für seine Einkäufe von einem Discounter zum nächsten. „Ich muss ständig nach Angeboten schauen, die Preise steigen ja jede Woche.“
Georgina ist alleinerziehend. „Alles wird teurer, ich muss jetzt wirklich mit dem Geld knapsen. Wenn man jetzt guckt, ein Liter Öl kostet 4,99 Euro statt 79 Cent, ist das schon ein Unterschied. Man fährt auch privat nirgendwo mehr hin, weil man sich das mit dem Auto einfach nicht mehr erlauben kann.“ Leidtragende seien vor allem die Kinder. „Alles fällt weg, Schwimmen gehen, in den Wald fahren zum Spazieren gehen usw. Wenn man sein ganzes Geld für Lebensmittel ausgeben muss, dann fehlt das bei den Freizeitaktivitäten.“
Giorgina ist dagegen, dass für Krieg riesige Summen ausgegeben werden. „Wir sollten uns erst gar nicht am Krieg beteiligen. Das wir jetzt dafür zahlen, ist für die Regierung offensichtlich der einfachste Weg. Die Deutschen lassen sich viel zu lange gängeln, bis sie mal aufmucken.“
Sie stimmt auch nicht in die Erklärungen der Medien ein, dass Putins Politik die alleinige Ursache des Kriegs sei. „Putin hat lange genug gewarnt und gesagt, er wolle verhandeln. Aber wenn er ignoriert wird, wenn man ihn nicht hört, dann ist das doch jetzt die Konsequenz. Dass sich da jetzt noch andere einmischen, ist auch nichts. Ich bin ohnehin kein Fan der USA, die mischen sich überall ein.“
Frau Scheidemans ist gebürtige Niederländerin. Auch sie muss schauen, „was ich mir leisten kann“. Noch ginge es bei ihr aber einigermaßen. „Ich habe einen guten Job, aber man merkt, dass man viel früher wieder neu Geld abheben muss“. Sie berichtet uns: „Ich muss mich schon ein wenig einschränken. Also bei bestimmten Obstsorten schaue ich jetzt schon, wann sie Saison haben und billiger sind. Die kaufe ich jetzt sonst nicht mehr.“
Sie versucht auch an anderer Stelle zu sparen und vorzusorgen. „Ich überlege mir gerade, ob ich die Stadtwerke nicht fragen soll, mir mehr monatlich abzuziehen, damit am Ende bei der Nachzahlung nicht der große Knall kommt.“
Zur Kampagne, dass man nun wegen des Kriegs weniger heizen solle, hat sie eine klare Meinung. „Ich mache das zwar auch schon länger, dass ich die Heizung etwas runter drehe und ziehe mich in der Wohnung etwas wärmer an. Aber frieren dafür, dass Krieg geführt wird, das halte ich für nicht akzeptabel. Energiesparen ist gut, aber es gibt ja Menschen, die können nicht einfach etwas weniger heizen. Wenn zum Beispiel Rheumapatienten in der kalten Jahreszeit auch noch zu Hause frieren, dann haben die nur Schmerzen, das geht einfach nicht.“
Wir sprachen mit mehreren Ruheständlern, deren Renten angesichts der Preissteigerungen schmelzen wie Schnee in der Sonne. „Man merkt das ganz schön“, sagt Beate über die Preissteigerungen. Sie ist Rentnerin. „Aber ein bisschen Einkaufen müssen wir ja, was will man machen. Lebensmittelpreise, Benzinpreise, da kann man sich schon aufregen.“
Angesprochen auf die massive Erhöhung der Rüstungsausgaben sagt Beate: „Ja, das wundert mich schon, wo jetzt auf einmal das Geld herkommt. Für alles andere ist nie etwas da. Als wir Rentner mal was wollten, hieß es, es sein kein Geld da. Jetzt wird es rausgeschleudert, kann man einfach nicht verstehen.“ „Dass wir hier noch einmal Krieg bekommen, will ich nicht hoffen.“
Dunja, ebenfalls Rentnerin, ergänzt: „Wenn man bedenkt, wie teuer alles geworden ist, bis zu 6 Euro für Speiseöl. Das ist ganz schön happig. Alle Lebensmittel sind teuer geworden. Für meine Zucchini habe ich jetzt bestimmt 50 Cent mehr bezahlt, Milch ist auch teurer geworden. Egal ob Aldi oder Lidl, alle haben die Preise angezogen.“
„Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer“, sagt die Rentnerin Dagmar. „Für Krieg ist Geld da, für uns nicht. Uns nehmen sie alles weg und da geht es hin“, sagt sie sichtlich empört. Ihre Enkelin hat ebenso deutliche Wörter für den aktuellen Krieg und meint: „Das muss nicht sein.“
Sabrina ist ambulante Altenpflegerin und hat beruflich mit Seniorinnen und Senioren zu tun. Sie selbst versuche mit ihren vorhandenen Möglichkeiten so bewusst wie möglich einzukaufen und zu leben. Sie würden die Preissteigerungen bei den Grundnahrungsmitteln noch nicht so sehr treffen. „Ich lege eher auf Qualität als auf Quantität Wert und kaufe normalerweise auch nicht Fleisch bei Lidl. Auch beim Heizen versuchen wir zu sparen.“
Sie pflege Patienten, „die ein oder sogar zwei Kriege mitgemacht haben“. Warum diese sich nun für den Krieg gegen die Ukraine einschränken sollten, erschließe sich ihr nicht. „Das geht gar nicht. Die 80-jährigen sitzen jetzt schon in ihren Wohnungen und zittern vor Angst vor einem Krieg. Sie wollen nicht noch einmal einen Weltkrieg miterleben. Sie können nicht schlafen, nehmen Beruhigungstabletten.“
In Bezug auf die Bundeswehr, die gerade aufgerüstet wird, erklärt sie: „Wir sollten da uns raushalten.“ Es sei jetzt schon alles schlimm genug. „Es tut mir auch Leid für Menschen in der Ukraine, aber das ist ein größeres politisches Ding und muss durch Verhandlungen gelöst werden.“
Aktuell ist das Gegenteil der Fall. Die militärische und wirtschaftliche Kriegsführung gegen Russland wird von den Nato-Staaten forciert. Sollte ein Öl- und Gas-Embargo verhängt werden, hätte das noch katastrophalere Folgen für alle Arbeiter. „Bei Lidl haben sie schon dreimal die Preise erhöht. Mein Lohn ist der gleiche geblieben“, klagt ein Arbeiter, der vor über 20 Jahren aus Kasachstan nach Duisburg gekommen ist.