Der sri-lankische Präsident Gotabhaya Rajapaksa rief am Freitagabend den Ausnahmezustand aus, nachdem ein eintägiger Generalstreik und die Schließung aller Geschäfte (Hartal) die Wirtschaft der Insel zum Erliegen gebracht hatte. Die Streikenden hatten den Rücktritt des Präsidenten und seiner Regierung gefordert.
Für die Dauer des Ausnahmezustands hat Rajapaksa umfassende Vollmachten, das Militär und die Polizei einzusetzen. Er darf Menschen ohne Haftbefehl verhaften lassen, Streiks und Proteste verbieten, Ausgangssperren verhängen, die Medien zensieren und vieles mehr.
Rajapaksa erklärte bei der Ausrufung des Ausnahmezustands, er habe die Entscheidung „im Interesse der öffentlichen Sicherheit, des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der Aufrechterhaltung von Lieferungen sowie von Dienstleistungen getroffen, die für das Leben der Gemeinschaft wesentlich sind.“
Der Ausnahmezustand ergänzt die umfangreichen Befugnisse, über die Rajapaksa durch seine Stellung als Exekutivpräsident und mehrere repressive Gesetze ohnehin verfügt.
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb eines Monats, dass Rajapaksa den Ausnahmezustand ausruft. Zuvor hatte er am 31. März eine Ausgangssperre verhängt, um die wachsenden Proteste gegen seine Regierung zu unterbinden. Als die Demonstranten diese ignorierten, sah sich die Regierung zu einem Rückzieher gezwungen. Am 5. April setzte er den Ausnahmezustand wieder außer Kraft.
Im Verlauf des letzten Monats gingen die Proteste gegen die untragbare wirtschaftliche und soziale Krise jeden Tag weiter und nahmen noch zu. Die Preise für lebenswichtige Grundgüter sind in die Höhe geschossen und die Versorgung ist so schlecht, dass Menschen stundenlang für Nahrung, Treibstoff und Medikamente anstehen müssen. Hinzu kommen tägliche stundenlange Stromausfälle.
Der Eintritt der Arbeiterklasse in den Kampf gegen Rajapaksas Regierung angesichts der unerträglichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen hat ihn erschreckt. Vor dem Generalstreik von Freitag hatten am 28. April bereits Millionen an einem eintägigen Generalstreik teilgenommen.
Die Gewerkschaften versuchen verzweifelt, die Kontrolle über die wachsende Bewegung der Arbeiterklasse gegen die Regierung zu behalten. Deshalb haben sie zu einem unbefristeten Generalstreik am 11. Mai aufgerufen, falls der Präsident und seine Regierung bis dahin nicht zurückgetreten sind.
Die Stärke der Arbeiterklasse war am Freitag überall spürbar. Arbeiter fast aller Branchen beteiligten sich an dem Generalstreik. Der Bahnverkehr und der private Busverkehr kamen vollständig zum Erliegen. Die Beschäftigten der Elektrizitätswerke und aller staatlichen Verwaltungsbehörden nahmen an dem Streik teil. Staatliche und private Banken blieben geschlossen.
Beschäftigte des Gesundheitswesens, Ärzte, Pflegekräfte, Sanitäter und andere beteiligten sich am Streik, während Patienten in kritischem Zustand und Notfälle von einer Minimalbesetzung versorgt wurden. Die öffentlichen Schulen mussten schließen, weil alle Lehrkräfte und Schulleiter am Streik teilnahmen.
Auch die Arbeiter der Tee- und Kautschukplantagen streikten und Tausende von ihnen kamen zu Demonstrationen in die nahegelegenen Städte.
In vielen Freihandelszonen legten laut der Daily FT zehntausende Beschäftigte die Arbeit nieder. In den wichtigsten Freihandelszonen Katunayake, Biyagama und Seethawaka standen die Fabriken still, kein einziges Fahrzeug kam hinein oder hinaus.
Arbeiter der Freihandelszone Koggala erklärten gegenüber der World Socialist Web Site (WSWS), sie hätten die Zone nicht verlassen können, weil die Unternehmen die Ausgänge verschlossen hätten. Tausende von Textilarbeitern in Hatton, im Plantagendistrikt der Insel, legten die Arbeit nieder und demonstrierten in der Stadt.
Hafenarbeiter wollten sich an dem Streik beteiligen, doch die Hafenarbeitergewerkschaften beschränkten sie auf eine „Dienst-nach-Vorschrift“-Kampagne und eine Demonstration am Mittag. Reporter der WSWS erfuhren, dass die Beschäftigten mit Gewerkschaftsfunktionären über eine Beteiligung am Streik gestritten hatten.
Hunderttausende beteiligten sich an Demonstrationen in vielen Städten im ganzen Land, blockierten Straßen und riefen Parolen gegen die Regierung. Die Zahl der aktiv beteiligten Arbeiter war deutlich höher als beim Generalstreik vom 28. April, bei dem die Gewerkschaften nicht zu öffentlichen Protesten aufgerufen hatten.
Tausende Studierende zogen ab Donnerstag von der Universität von Jayawardenepura bei Colombo in die Hauptstadt und blockierten die Straßen zum Parlamentsgebäude. Als sie am Freitag versuchten, zum Parlament zu ziehen, in dem gerade eine Sitzung stattfand, sperrte die Polizei die Straße und ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor.
Die Entschlossenheit der Arbeiter, einen Kampf für die Verteidigung ihrer Interessen zu führen, stellt einen deutlichen Kontrast zur Perspektive der Gewerkschaften dar, die diese Massenbewegung wieder in die Sackgasse parlamentarischer Politik lenken wollen.
Die Gewerkschaftsverbände National Trade Union Front und Mass Organisations and Trade Union Coordinating Committee fordern eine Übergangsregierung als Ersatz für die Rajapaksa-Regierung und Neuwahlen.
Diese Forderungen sind fast identisch mit denen der kapitalistischen Oppositionsparteien Samagi Jana Balawegaya (SJB) und Janatha Vimukthi Peramnuna (JVP) sowie der Wirtschaftslobbygruppen. Die Frontline Socialist Party, die sich hinter diese Gewerkschaften gestellt hat, und ihre Jugendorganisation Inter-University Student Front vertreten ein ähnliches Programm.
Diese Oppositionsparteien bieten keinen anderen „Ausweg“, als der arbeitenden Bevölkerung die Last der Wirtschaftskrise aufzubürden. Jede Übergangsregierung der Oppositionsparteien würde die Forderungen des Internationalen Währungsfonds nach neuen drakonischen Maßnahmen als Preis für einen Notkredit umsetzen.
Mitglieder der Socialist Equality Party (SEP) griffen in vielen Teilen des Landes bei Demonstrationen ein, u.a. in Colombo, Jaffna, Galle, Maskeliya im zentralen Plantagendistrikt und der Freihandelszone Katunayake. Sie erklärten, dass der Kapitalismus die Ursache der derzeitigen Wirtschaftskrise ist, und erläuterten das sozialistische Programm, mit dem die Partei den Bedürfnissen der Massen entsprechen will.
Viele Arbeiter äußerten ihre völlige Feindschaft nicht nur gegenüber der Regierung, sondern gegenüber dem gesamten politischen Establishment.
Shanaka, der bei einer Privatbank in Colombo angestellt ist, erklärte: „Ich beteilige mich an diesem Kampf, weil ich der festen Überzeugung bin, dass sich das ganze politische System ändern muss, wenn die schrecklichen Bedingungen, unter denen die sri-lankischen Massen leben, aufhören sollen. Alle bisherigen Regierenden von Sri Lanka haben die Bevölkerung betrogen. Es ist offensichtlich, dass sie alle die gleiche Politik verteidigen.“
Ein Einzelhandels-Verkäufer in Galle erklärte: „Ich habe keine Geduld mehr. Mein mageres Gehalt reicht nicht zum Leben. Ich kann mir nicht mal die Ausbildung meiner Kinder leisten. Mein Geld reicht nicht für die grundlegenden Dinge. Meine Frau hat keine Arbeit. Ich habe nichts mehr, was ich verkaufen kann. Wir sind so hilflos. Ich glaube keinem dieser kapitalistischen Politiker.“
Amila, eine Fabrikarbeiterin aus dem Distrikt Puttalam, erklärte: „Wir haben uns zwischen 4:30 und 5 Uhr heute morgen unabhängig den Protesten angeschlossen, es sind Arbeiter fast aller Fabriken vertreten. Die Gewerkschaften haben uns nicht aufgefordert. Diese Regierung muss weg. Alle 225 Politiker [im Parlament] müssen weg. Die Reichtümer, die sie gestohlen haben, müssen ihnen wieder abgenommen werden. Die Leute haben keinen Kraftstoff, keinen Dünger, nichts zu essen. Egal, welche Regierung als nächstes kommt, sie wird das Gleiche machen.“
Die Ausrufung des Ausnahmezustands am Freitag bestätigt die Warnungen der SEP an die Arbeiterklasse in ihrer Erklärung. Auch wenn der Präsident bei seinem letzten Versuch, die Sicherheitskräfte gegen Demonstranten einzusetzen, einen Rückzieher gemacht hat, ist ihm bewusst, dass er die drakonischen Forderungen des IWF nicht auf demokratischem oder friedlichem Weg durchsetzen kann.
Die SEP warnte in ihrer Erklärung vom 7. April: „Allerdings spielt Rajapaksa auf Zeit. Er kann jederzeit und ohne Vorwarnung erneut den Ausnahmezustand ausrufen und das Militär mobilisieren. Er kann Arbeitskämpfe, Organisationen und Parteien verbieten, die Medien zensieren und nach eigenem Ermessen Personen verhaften und einsperren lassen. Deshalb muss die Exekutivpräsidentschaft selbst abgeschafft werden. Das Gleiche gilt für die zahlreichen undemokratischen Gesetze, auf die die Regierung zurückgreifen kann.“
Die Ausrufung des Ausnahmezustands verdeutlicht die Dringlichkeit eines unabhängigen politischen und betrieblichen Kampfs der Arbeiterklasse, um die Gefahr einer blutigen Unterdrückung der Protestbewegung abzuwehren. Die Regierung hat bereits gezeigt, dass sie zum Einsatz von Gewalt bereit ist, als sie die Polizei in Rambukkana auf Demonstranten schießen ließ. Dabei wurde Chaminda Lakshan getötet und weitere Demonstranten schwer verletzt.
Den Gewerkschaften darf die Kontrolle nicht überlassen werden. Sie haben immer wieder ihre Bereitschaft gezeigt, die Streiks und Kämpfe zu verraten und auf Kosten der Arbeiter die Bedürfnisse der Unternehmen und der Regierung durchzusetzen. Die SEP ruft die Arbeiter dazu auf, ihre eigenen von den Gewerkschaften unabhängigen Aktionskomitees zu gründen, sich mit anderen Teilen der Arbeiterklasse in Sri Lanka und weltweit zu verbinden, für ihre Forderungen zu kämpfen und sich gegen die Angriffe der Regierung auf ihre Rechte zu verteidigen.
Die SEP hat in ihrer Erklärung ein sozialistisches Programm zur Abwehr dieser Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse ausgearbeitet. Dazu gehört, dass die Produktion und die Verteilung aller notwendigen Güter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse unterstellt, die Banken, Konzerne, der Großgrundbesitz und andere Schlüsselbranchen verstaatlicht und von den Arbeitern kontrolliert und alle Auslandsschulden gestrichen werden.
Durch die Gründung von Aktionskomitees und den Kampf für ihre Klasseninteressen kann die Arbeiterklasse die Landarbeiter und die arme Stadtbevölkerung auf ihre Seite ziehen und für eine Arbeiter- und Bauernregierung, die Umgestaltung der Gesellschaft nach sozialistischen Maßstäben und die Erfüllung der drängenden Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung statt der Profite der wenigen Reichen kämpfen.
Nur die SEP kämpft für diese Perspektive. Wir rufen alle Leser auf, der SEP beizutreten und sie als Massenpartei aufzubauen, die den sich rasch entwickelnden Kämpfen eine politische Führung gibt.