Sri-lankischer Präsident mobilisiert Militär mit Schießbefehl

Der sri-lankische Präsident Gotabaya Rajapaksa hielt am Mittwochabend eine Ansprache an die Nation. Zuvor hatte er das Militär landesweit mit dem Befehl mobilisiert, „das Gesetz gegen Randalierer streng durchzusetzen“ und ohne Vorwarnung zu schießen.

Gotabaya Rajapaksa (AP Photo/Eranga Jayawardena)

Mit Blick auf den Überfall von Schlägern auf Demonstranten gegen die Regierung in Colombo am Montag verurteilte Rajapaksa heuchlerisch die „unglückliche Situation“ und erklärte, die Polizei sei angewiesen worden, eine vollständige Untersuchung durchzuführen.

Der Angriff wurde von der Regierungspartei Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) orchestriert und diente als Vorwand für die Einführung von Polizeistaatsmaßnahmen. Nach einer Rede von Premierminister Mahinda Rajapaksa gingen Hunderte von Schlägern der SLPP mit Knüppeln und Stöcken auf die Demonstranten vor Rajapaksas Amtssitz und die Regierungsgegner los, die seit über einem Monat den Park Galle Face Green in der Innenstadt von Colombo besetzt halten.

Die großen landesweiten Proteste für den Rücktritt von Präsident Rajapaksa und seiner Regierung wurden befeuert durch eine soziale Katastrophe in Folge des enormen Preisanstiegs, akuten Mangels an Grundnahrungsmitteln, Medikamenten, Treibstoff und langen täglichen Stromausfällen.

In seiner Rede an die Nation konzentrierte sich Rajapaksa auf die brutalen Zusammenstöße, die nach den Angriffen auf die Demonstranten am Galle Face Green vor den Häusern von Ministern und Abgeordneten der SLPP im ganzen Land ausgebrochen waren. Während dieser Zusammenstöße kam es zu mehreren Toten, mehrere Häuser wurden angezündet.

Wie die Socialist Equality Party (SEP) in ihrer Erklärung vom 10. Mai warnte, haben diese Zusammenstöße Rajapaksa und dem Staatsapparat direkt in die Hände gespielt. Der Präsident erklärte, Soldaten der drei Teilstreitkräfte und die Polizei seien angewiesen, „das Gesetz streng gegen Randalierer durchzusetzen“.

Rajapaksa hatte bereits letzten Freitag den Ausnahmezustand ausgerufen, nachdem ein riesiger eintägiger Generalstreik und die Schließung aller Geschäfte die Wirtschaft zum Erliegen brachten und die herrschende Klasse in Angst versetzten. Der Ausnahmezustand gibt dem Präsidenten umfassende Vollmachten, die Streitkräfte mit Sonderrechten zu mobilisieren, Verhaftungen ohne Haftbefehl durchzuführen, Streiks, Proteste und Veranstaltungen zu verbieten, Ausgangssperren zu verhängen, die Medien zu zensieren und Parteien zu verbieten.

Die landesweite Mobilisierung des Militärs am Mittwoch erinnert an den reaktionären, 26 Jahre andauernden kommunalistischen Krieg gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). In Colombo patrouillieren Panzerfahrzeuge und Soldaten auf Motorrädern die Straßen. Schwer bewaffnete Soldaten besetzen Kontrollpunkte mit Barrikaden und durchsuchen Fahrzeuge und Personen.

In allen Teilen des Landes haben Soldaten Kontrollpunkte an den Eingängen zu den Großstädten und an strategisch wichtigen Punkten an den Autobahnen errichtet.

Die Medienabteilung des Präsidenten hat angekündigt, dass die vollständige Ausgangssperre, die am Montag verhängt wurde, am Donnerstag um 7 Uhr für sieben Stunden unterbrochen wird und danach bis Freitagmorgen in Kraft bleibt.

Nach dem Angriff der Schläger auf die Demonstranten am Montag strömten trotz der Ausgangssperre und der Sicherheitskräfte Tausende in den Galle Face Green, um ihre Solidarität zu zeigen. Doch am Mittwochabend erklärte die Polizei, die Demonstranten hätten gegen die Ausgangssperre verstoßen. Offenbar bereiten sie eine gewaltsame Auflösung vor.

Auch ein Vorgehen gegen die sozialen Medien wird in Erwägung gezogen. Am Mittwoch erklärte die Polizei, sie habe 59 Social-Media-Plattformen identifiziert, gegen die unter Einsatz des repressiven Computer Crimes Act und anderer Strafgesetze ermittelt wird.

Die umfassende Mobilisierung des Militärs und der Einsatz von Polizeistaatsmaßnahmen ist eine deutliche Warnung: Rajapaksa bereitet systematisch einen Entscheidungskampf mit der Arbeiterklasse vor, die ihre Entschlossenheit zur Verteidigung ihrer sozialen und demokratischen Rechte bereits demonstriert hat.

Die Teilnahme von Millionen Arbeitern an den Generalstreiks vom 28. April und 6. Mai erschütterten das ganze politische Establishment, einschließlich der Gewerkschaften, die nur von begrenzten Protesten ausgingen.

Alle kapitalistischen Parteien, die Regierungs- und die Oppositionsparteien, wollen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Notkredit aushandeln und die drakonischen Austeritätsmaßnahmen umsetzen, die damit einhergehen. Sie alle unterstützen die Forderung des IWF nach „Stabilität“, d.h. die Unterdrückung des Widerstands der Arbeiterklasse.

Zwölf Wirtschaftslobbygruppen, darunter die Ceylon Chamber of Commerce, die Federation of Chambers of Commerce and Industry of Sri Lanka und das Joint Apparel Association Forum, forderten den Präsident diese Woche in einem Brief auf, einen Premierminister und ein Kabinett zu ernennen, die für alle führenden Parteien im Parlament vertretbar sind.

Die Wirtschaftslobbygruppen erklärten, diese Schritte müssten „sofort unternommen werden, um Recht und Ordnung und die wirtschaftliche Aktivität im Land wiederherzustellen und die Gespräche mit dem IWF nicht zu ‚gefährden‘.“

Obwohl das Militär mobilisiert wurde, ist Präsident Rajapaksa weiterhin in einer geschwächten Lage. Am Montag waren Premierminister Mahinda Rajapaksa und sein Kabinett zurückgetreten, nachdem klar wurde, dass die arbeitende Bevölkerung empört über den Angriff von regierungsnahen Schlägern war, und Teile der Arbeiterklasse die Arbeit niedergelegt hatten. Der Präsident benutzte seine weitreichenden Exekutivbefugnisse, um sich alle Kabinettsposten anzueignen.

In seiner Rede an die Nation erklärte Rajapaksa, er werde innerhalb einer Woche einen neuen Premierminister und ein neues Kabinett ernennen, die „eine Mehrheit im Parlament auf sich vereinen und sich das Vertrauen der Bevölkerung sichern“. Der 19. Zusatzartikel zur Verfassung soll rückgängig gemacht werden, um dem Parlament mehr Macht zu geben. Aktuell kann der Präsident jederzeit Minister oder die ganze Regierung entlassen.

Allerdings hat derzeit keine Partei eine Parlamentsmehrheit, und alle Parteien sind zutiefst diskreditiert. Die oppositionelle Samagi Jana Balawegaya (SJB), die 65 der 225 Sitze im Parlament hat, bat am Mittwoch die Bildung einer Regierung an, forderte aber den Rücktritt des Präsidenten.

Die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP)-geführte Koalition National People’s Power (NPP) schlug ebenfalls vor, eine Übergangsregierung zu ernennen, fordert aber ebenfalls Rajapaksas Rücktritt. Sie hat nur drei Abgeordnete und hat die anderen Parteien aufgerufen, sie zu unterstützen. Sie erklärte außerdem, sie würde eine Übergangsregierung von außen unterstützen.

Obwohl Präsident Rajapaksa mehrfach einen Rücktritt ausgeschlossen hat, finden hinter den Kulissen offensichtlich hitzige Diskussionen über eine Übergangsregierung statt, um Zeit für die Umsetzung der Forderungen des IWF zu gewinnen. 

Die Gewerkschaften spielen eine politisch kriminelle Rolle. Nach dem Angriff auf Demonstranten am Montag, der unter breiten Teilen der Arbeiter Empörung ausgelöst hatte, riefen die Gewerkschaften am Montagabend einen unbefristeten Generalstreik aus.

Angesichts der Tatsache, dass bereits eine 24-stündige Ausgangssperre in Kraft war, befanden sich viele Arbeiter de facto bereits „im Streik“, da sie nicht zur Arbeit durften. Wichtige Teile der Arbeiterklasse – auf den Plantagen und in den Freihandelszonen – durften mit Erlaubnis der Polizei und der Gewerkschaften weiter zur Arbeit.

Jetzt, nachdem Rajapaksa die Ausgangssperre aufgehoben hat, sagte das Trade Union Coordinating Committee (TUCC) am Mittwoch den geplanten „Generalstreik“ ab und erklärte den Medien, es sei jetzt notwendig, „die öffentlichen Dienste zu normalisieren“ und zu verhindern, dass das Land „in die Anarchie abgleitet“. Das Gewerkschaftskomitee erklärte, es werde „in anderer Form zum Kampf der Bevölkerung beitragen“.

Die Gewerkschaften haben die ganze Zeit nicht für die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse gekämpft, sondern dafür, den anwachsenden Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Regierung einzuschränken und zu unterdrücken und die bürgerliche Herrschaft aufrechtzuerhalten. Ihre Forderungen sind nahezu identisch mit denen der Oppositionsparteien – der Rücktritt der Regierung und die Bildung einer neuen kapitalistischen Übergangsregierung.

Die Arbeiterklasse darf den etablierten Parteien kein Vertrauen schenken. Sie haben in der Vergangenheit immer wieder die Marktwirtschaftsagenda des IWF und des internationalen Finanzkapitals umgesetzt, während ihre Lakaien in den Gewerkschaften in den letzten zwei Jahren jeden Kampf der Arbeiter sabotiert und verraten haben.

Die Socialist Equality Party betont, dass die Arbeiterklasse ihren Kampf dringend in die eigenen Hände nehmen muss. Wir haben mit der Gründung von Aktionskomitees begonnen, die unabhängig von den Gewerkschaften und allen kapitalistischen Parteien agieren, und rufen die Arbeiter auf, schnellstmöglich ein Netzwerk von Aktionskomitees im ganzen Land zu gründen, um für ihre demokratischen und sozialen Rechte zu kämpfen.

In ihrer Erklärung vom 10. Mai ruft die SEP die Arbeiter dazu auf, neben den Aktionskomitees auch Verteidigungskomitees und Verteidigungsgarden zu gründen, um die Arbeiterklasse und die Massen auf dem Land vor den Angriffen von regierungsnahen Schlägern zu schützen.

Die SEP hat eine Reihe von Maßnahmen formuliert, um die drängenden sozialen Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung zu befriedigen, darunter die Zurückweisung aller Auslandsschulden und des Austeritätsdiktats des IWF, die Kontrolle der Arbeiter über die Produktionsmittel und deren Verteilung sowie die Verstaatlichung der Banken, Konzerne und Plantagen.

Es gibt keine andere Lösung für die soziale Katastrophe der Arbeiterklasse als den Kampf für ein sozialistisches Programm. Ein Netzwerk von Aktionskomitees kann die verarmte Stadt- und Landbevölkerung gewinnen und die Grundlage für eine Arbeiter- und Bauernregierung zur Umgestaltung der Gesellschaft auf sozialistischer Basis schaffen.

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