Protest in London: Assanges Auslieferung könnte jederzeit bekanntgegeben werden

Eine Ankündigung über Julian Assanges Auslieferung an die Vereinigten Staaten steht unmittelbar bevor.

Dem WikiLeaks-Gründer droht nach dem Espionage Act eine lebenslange Haftstrafe oder Schlimmeres, weil er Kriegsverbrechen, Intrigen und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen der USA und ihrer Verbündeten aufgedeckt hat.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange in einem Gefangenentransporter nach der Gerichtsverhandlung, Westminster, London. 1. Mai 2019 (AP Photo/Matt Dunham, File)

Die Entscheidung über die Auslieferung liegt bei der britischen Innenministerin Priti Patel. Seit dem 18. Mai kann sie ihre Entscheidung darüber jederzeit, bis zum 31. Mai, verkünden.

Die britische Justiz hat Assange durch mehrere Urteile der letzten Monate in diese gefährliche Situation gebracht. Nun ist er der herrischen Priti Patel und ihrer US-hörigen Regierung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Im Juli 2021 erhielt die US-Regierung die Erlaubnis, gegen eine sorgfältig abgewogene Entscheidung der Bezirksrichterin Vanessa Baraitser Berufung einzulegen. Diese hatte im Januar die Auslieferung von Assange allein aufgrund der bedrückenden Auswirkungen auf seine psychische Gesundheit untersagt. Alle anderen Argumente der Verteidigung waren jedoch zurückgewiesen worden. Dieser Berufung wurde im Dezember 2021 stattgegeben, und der High Court ordnete die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers an die USA an. Ein Versuch von Assanges Anwaltsteam, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen, lehnte der Supreme Court im März 2022 ab, und so wurde der Fall im April an Patel verwiesen.

Während dieser ganzen Zeit war der 50-jährige Journalist und Familienvater im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert, unter Bedingungen, die seinen Gesundheitszustand stark beeinträchtigt haben. Während der Anhörung vor dem High Court im Oktober erlitt er einen Schlaganfall.

Assanges Anwälte werden auf die unvermeidliche Entscheidung der Innenministerin, ihn auszuliefern, mit einer eigenen Berufung gegen die ursprüngliche Entscheidung von Baraitser reagieren, die mehrheitlich seine Auslieferung an die USA befürwortet hatte. Sollte dies gelingen, könnten seine Anwälte endlich einige wichtige Fragen zur Sprache bringen: die falsche Darstellung von Tatsachen, die politische Motivation, das juristische Fehlverhalten und die Missachtung demokratischer Grundrechte. Obwohl alle diese Punkte im Mittelpunkt von Assanges Verfolgung stehen, werden sie seit der Berufung der USA weitgehend aus dem Verfahren herausgehalten.

Ein solches Ergebnis ist möglich. Es würde dem britischen Staat erlauben, dem WikiLeaks-Gründer eine faire Anhörung zu gewähren, während er gleichzeitig jedoch in Belmarsh begraben bliebe. Aber die jüngste Geschichte seines Falles zeigt, dass nichts selbstverständlich ist. Der High Court kann sich ebenso wie der Supreme Court weigern, seinen Fall anzuhören. Wenn dies geschieht, hat Assange den Rechtsweg im Vereinigten Königreich ausgeschöpft, und seiner Auslieferung steht nichts mehr im Wege.

Assange ist australischer Staatsbürger, aber die australische Regierung hat erklärt, dass sie sich nicht einmischen werde.

Assanges Anwälte haben auch schon einen Einspruch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht, aber es bleibt unklar, wie er verlaufen wird. Es besteht keine Garantie oder auch nur Wahrscheinlichkeit, dass das Vereinigte Königreich – das durch den Brexit die EU verlassen hat – dessen Autorität in diesem Fall anerkennen wird. Ein Verhandeln dieses Einspruchs wird kaum verhindern, dass Assange in der Zwischenzeit in die USA ausgeliefert wird.

Die Gefahr kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. In den letzten zwei Jahren des juristischen Gerangels um Assanges Gesundheit wurde immer wieder betont, dass die bloße Tatsache seiner Auslieferung ihn wahrscheinlich in einen Suizid treiben wird, ganz zu schweigen von den Bedingungen, denen er im US-Gefängnissystem ausgeliefert sein wird.

Der Professor für Neuropsychiatrie Michael Kopelman sagte bei der ersten Auslieferungsanhörung im September 2020, dass ein „sehr hohes Suizidrisiko“ bestehe. Er sagte damals: „Die unmittelbar bevorstehende Auslieferung und/oder die tatsächliche Auslieferung wird der Auslöser für den Suizidversuch sein.“

In den Fängen der US-Regierung stehen Assange ein Prozess und eine Inhaftierung bevor, die darauf ausgelegt ist, ihn völlig zu isolieren, psychisch zu zerstören und sein Schicksal zu besiegeln.

Er würde vor einem Geschworenengericht angeklagt, das laut dem US-amerikanischen Straf- und Bürgerrechtsanwalt Robert Boyle „ohne Einhaltung der technischen und beweisrechtlichen Regeln für Strafprozesse“ arbeitet und „einen fruchtbaren Boden für staatsanwaltschaftlichen Missbrauch“ bietet. Die Menschenrechtsforscherin Bridget Prince wies darauf hin, dass die Geschworenen aus einem Gebiet stammen würden, in dem es „eine hohe Konzentration von Unternehmen gibt, die im Militär- und Geheimdienstsektor für die Regierung arbeiten“.

Assange wird währenddessen im Alexandria Detention Centre in Einzelhaft gehalten werden, wie die Strafrechtsexperten Yancey Ellis und Joel Sickler erklärten. Ihrer Erfahrung nach würde er dort unzureichend medizinisch versorgt werden und wäre jeder Aussicht auf Abhilfe beraubt.

Sollte er verurteilt und in das ADX Florence eingewiesen werden, wird er nach den Worten eines ehemaligen Aufsehers dieser Einrichtung „ein Schicksal erleiden, das schlimmer ist als der Tod“, da er dort fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten sein wird.

Anlässlich des letzten Tages, an dem Assanges Anwälte Beweise bei Patel vorlegen konnten, versammelten sich am Dienstagabend mehrere hundert Menschen vor dem Innenministerium in London und forderten Assanges Freilassung. WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson, Assanges Frau Stella, der Labour-Abgeordnete Richard Burgon, die Vertreterin des Komitees zur Verteidigung von Julian Assange, Emmy Butlin, und der Organisator von Don't Extradite Assange (DEA), John Rees, hielten Reden.

Stella Assange führte das Beispiel des Ishaqi-Massakers im Irak an, bei dem elf Menschen, darunter vier Frauen und fünf Kinder, von US-Truppen in Handschellen gelegt und dann erschossen worden waren, um deutlich zu machen, dass die Publikationen, für die Assange bestraft wird, „nicht nur abstrakte Veröffentlichungen sind“, wie sie sagte. „Es handelt sich um Zehntausende menschlicher Opfer (…) Berge von menschlichen Leichen. Das ist es, worüber wir sprechen.“

Die Ungeheuerlichkeit dieser Verbrechen, die die herrschende Klasse zu vertuschen und fortzusetzen hofft, ist der Grund für die rücksichtslose Verfolgung Assanges. Die Art und Weise, wie er behandelt wird, spricht eine deutliche Sprache: Nichts darf der britischen Regierung oder Justiz überlassen werden. Sie stehen kurz davor, seine Auslieferung an die USA abzusegnen. Die Perspektive einiger „linker“ Parlamentarier und Koryphäen, immer weiter an Politik und Staat zu appellieren, liegt in Scherben.

Bei einer Versammlung der offiziellen Kampagne „Don't Extradite Assange“ im Februar 2020 sagte Tariq Ali: „Hoffentlich finden wir auf dem Weg aufwärts zu den höheren Gerichten einige Richter, die bereit sind, einfach nur anständig zu sein.“ Ähnlich äußerte sich John Rees (DEA) im August 2021, als er in Bezug auf die Berufung der USA vor dem High Court sagte, Assanges Fall habe „endlich ein ernsthaftes Gericht erreicht“. Auf der gleichen Veranstaltung äußerte der ehemalige Vorsitzende der Labour Party, Jeremy Corbyn, der als Assanges Verteidiger gefeiert wurde, ebenfalls Hoffnungen in die Justiz.

Corbyn und die DEA sind die gesamte Riege der Politiker durchgegangen, die für Assanges Verfolgung verantwortlich sind, und haben sie aufgefordert, sich für seine Freilassung einzusetzen. Sie haben sowohl an die US-Präsidenten Trump und Biden, den britischen Premierminister Boris Johnson und nun auch Priti Patel appelliert.

Die politische Wirkung dieser Appelle besteht darin, Assanges Unterstützer von dem notwendigen Kampf zum Aufbau einer Massenbewegung in der breiten arbeitenden Bevölkerung abzuhalten.

Seit über zehn Jahren haben sich die USA, Großbritannien, Australien und Schweden verschworen, Assagen zum Schweigen zu bringen. (Schweden hatte eine betrügerische Untersuchung wegen sexueller Nötigung als Vorwand für Assanges Verhaftung inszeniert.) Alle großen Parteien und Medien dieser Länder haben sich als Teil dieser gnadenlosen Verschwörung erwiesen.

Die Kampagne zur Verteidigung des WikiLeaks-Gründers muss genau so entschlossen handeln. Assange genießt auf der ganzen Welt Unterstützung, und diese muss jetzt zu seiner Verteidigung mobilisiert werden. Die Jungen, die die Zeit, in der Assange nicht inhaftiert und geknebelt war, nicht miterlebt haben, müssen über seine Leistungen informiert werden. Vor allem muss man sich an die Arbeiterklasse wenden, denn sie ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die den Kampf für Assanges Freiheit zum Erfolg führen kann.

* * *

Die World Socialist Web Site sprach mit Teilnehmern der Demonstration am 17. Mai vor dem Innenministerium.

Juan sagte: „Ich bin hier, um gegen die Auslieferung von Julian Assange zu protestieren, weil ich glaube, dass alle Menschen auf der Welt das Recht auf Freiheit haben, und ich denke, dass Julian Assange Verbrechen aufgedeckt hat, die von der westlichen Welt begangen wurden.“

Er fuhr fort: „Wenn er ausgeliefert würde, wäre das eine sehr schlechte Nachricht. Es geht nicht nur um Julian Assange. Es geht um die Botschaft, die man in die ganze Welt sendet, dass man über solche Dinge nicht berichten darf. Gerade sehen wir bei der russischen Invasion in der Ukraine dass es sehr einfach ist, gegen Russland zu sprechen. Aber gleichzeitig berichten die Medien kaum noch über Israel und Palästina. Man kann hier also einen wirklichen Zwiespalt sehen.

Bestimmte Kriege sollen wir ablehnen, aber andere nicht. Zum Beispiel erfolgte die Invasion im Irak mit der falschen Vorstellung, dass es dort Massenvernichtungswaffen gegeben habe. Die Menschen haben protestiert, aber sie wurden trotzdem eingezogen. Millionen von Menschen in aller Welt haben protestiert, und trotzdem wurde der Krieg geführt. Das zeigt, wie unsere Regierungen ihre Macht missbrauchen. Wir müssen also weiter protestieren, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert.“

Fahim sagte unserem Reporter: „Ich komme aus Afghanistan und bin hierhergekommen, um die Freiheit von Julian Assange zu unterstützen, weil er die Wahrheit gesagt hat. Die Wahrheit über die in Afghanistan begangenen Verbrechen. Ich bin Zeuge von so vielen Verbrechen und Gräueltaten – ich weiß, wovon er spricht. Er hat die Wahrheit in den Dokumenten aufgedeckt. Er hat sich nichts ausgedacht. Es waren amerikanische Soldaten und Politiker, die diese Dokumente geschrieben haben.“

Über zwei andere Whistleblower sagte Fahim: „Menschen wie Chelsea Manning und Edward Snowden und andere waren von dem, was sie sahen, zutiefst angewidert. Sie konnten diese Verbrechen nicht länger vertuschen. Und was sind das für Verbrechen? Die Tötung von Kindern. Die Tötung unseres Volkes. Die Fortsetzung des illegalen Kriegs. Die Regierung hat die amerikanischen Steuerzahler geplündert, sie hat das Geld für Waffen und Soldaten ausgegeben, acht Billionen Dollar laut der Brown University, und sie haben unsere Kinder getötet und unser Land zerstört und ein drakonisches Regime durchgesetzt.

Für mich ist es wichtig, hier zu sein“, setzte Fahim hinzu. „Nicht nur um die Freiheit von Julian Assange zu unterstützen, sondern auch um den anderen Teil der Geschichte zu erzählen, was in diesen kriminellen, illegalen Kriegen passiert ist. Ich bin hier, um ihn zu unterstützen und um die wahren Verbrecher hinter Gitter zu bringen. Diejenigen, die unsere Kinder getötet und Völkermord begangen haben, wie Bush und Blair, Merkel und Johnson, Karzai: Sie müssen vor Gericht gestellt werden, wie auch die Taliban und die pakistanische Regierung. Dieser kriminelle, illegale Krieg wurde im Pentagon geplant.“

Oliver sagte: „Ich bin heute hier, um Julian Assange zu verteidigen. Er ist wichtig, denn er hat Tausende von Dokumenten über Tatsachen veröffentlicht, die die Medien derzeit beschönigen.

Es gibt einen Vertrag zwischen den USA und Großbritannien, der es verbieten sollte, dass er weiter verfolgt wird, weil es eine politische Verfolgung ist. Das ist in jeder Hinsicht falsch. Die Tatsache, dass es so weit gekommen ist, ist abscheulich.“

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