Linkspartei im freien Fall

Die Linkspartei befindet sich im freien Fall. Seit März letzten Jahres hat sie in sieben aufeinanderfolgenden Landtagswahlen massiv verloren. In Westdeutschland ist sie nur noch in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen und im Flächenland Hessen im Landesparlament vertreten.

Bei der Bundestagswahl im September fiel die Linkspartei von 9,2 auf 4,9 Prozent und schaffte die Rückkehr ins Parlament nur noch dank drei Direktmandaten. Im Saarland stürzte sie Ende März von 12,8 auf 2,6 Prozent ab. In Nordrhein-Westfalen verlor sie am vergangenen Sonntag zwei Drittel ihrer Wähler und verfehlte mit 2,1 Prozent den Einzug in den Landtag deutlich. Unter den Arbeitern wählte nur noch ein Prozent die Linkspartei, obwohl auch die SPD ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielte.

Der Niedergang der Linkspartei ist eine gute Nachricht. Ihr Anspruch, eine linke oder gar sozialistische Politik zu vertreten, war schon immer ein Betrug. Seit sie 1990 unter dem Namen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) aus der stalinistischen Staatspartei der DDR hervorging, bekannte sie sich uneingeschränkt zum Kapitalismus und bemühte sich, jede Äußerung von sozialer und politischer Opposition aufzufangen und abzuwürgen.

Sie arbeitete dabei eng mit den Gewerkschaften und – seit der Gründung der Linkspartei 2007 – mit abtrünnigen Sozialdemokraten unter Führung des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten, SPD-Vorsitzenden und Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine zusammen. Wo immer sie die Möglichkeit hatte, ihre Politik in die Praxis umzusetzen, erwies sie sich als ebenso asozial, rücksichtslos und kapitalhörig wie alle anderen bürgerlichen Parteien.

Berüchtigt ist ihre Rolle im rot-roten Berliner Senat von 2002 bis 2011. Während SPD und Grüne auf Bundesebene die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze durchboxten, vernichteten SPD und PDS/Linke in Berlin ein Drittel der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, senkten Löhne und Sozialleistungen, privatisierten Krankenhäuser und verscherbelten 150.000 öffentliche Wohnungen an Immobilienhaie. Ähnlich sieht die Regierungsbilanz der Linken in anderen Bundesländern aus.

Seit der Finanzkrise 2008 fiel es der Partei zusehends schwerer, ihr linkes Geschwätz mit ihrer rechten Politik in Einklang zu bringen. Die Banken und Reichen wurden damals mit Milliardensummen „gerettet“, während die Arbeiterklasse in Form von sinkenden Löhnen, Sozialabbau und maroden Schulen und Krankenhäusern die Rechnung bezahlen musste. Die Linke unterstützte diese Politik.

2009 erreichte die Partei mit knapp 12 Prozent ihr bestes Bundestagswahlergebnis. Seither ging es mit gelegentlichen Schwankungen nur noch bergab. Die Zahl der Wähler und Mitglieder sank, die internen Querelen nahmen zu.

Ein Flügel, angeführt von Katja Kipping und der pseudolinken Strömung Marx 21, wandte sich der Identitätspolitik und anderen Steckenpferden der wohlhabenden städtischen Mittelschicht zu. Ein anderer, verkörpert durch Sahra Wagenknecht, wetteiferte in Sachen Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit mit der AfD. Wieder andere, personifiziert durch Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch und den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, waren vor allem am Macherhalt interessiert und bemühten sich um größtmögliche Nähe zur SPD und CDU.

Unterstützung des Ukrainekriegs

Der Krieg in der Ukraine hat den proimperialistischen Charakter der Linken nun endgültig offengelegt. Parteigründer Gregor Gysi wollte ursprünglich sogar das 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung unterstützen, konnte sich damit aber vorerst nicht durchsetzen. Fraktionschef Bartsch griff die Ampelkoalition im Bundestag von rechts an und warf ihr vor, sie versage bei der Durchsetzung der Sanktionen gegen russische Oligarchen.

Am Abend der NRW-Wahl fiel Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler wütend über eine Veranstaltung her, die milde Kritik an der Nato übt. Vom Moderator der ZDF-Sendung „Berliner Runde“ auf den Kongress „Ohne NATO leben – Ideen für den Frieden“ angesprochen, an dem sich neben Pazifisten und bürgerlichen Journalisten auch einige Mitglieder Linkspartei beteiligen, distanzierte sich Schindler empört.

„Ich kann ausdrücklich sagen, das ist nicht die Position unserer Partei,“ betonte er. „Unsere Partei hat zum Thema Ukraine-Krieg eine klare Position. Wir kritisieren und verurteilen den Angriffskrieg Putins. So einfach ist das, und da gibt es auch nichts anderes zu sagen.“

Dabei bezeichnet der Aufruf zu dem Kongress, der am 21. Mai in Berlin stattfindet, den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine“ ausdrücklich als „völkerrechtswidrig“. Alles was er fordert, sind eine Verhandlungslösung und „Kompromisse ohne Gesichtsverlust für jede der beiden Seiten“.

Für den 24. Juni hat Die Linke in Erfurt einen Parteitag einberufen, der eine neue Führung wählen und die Partei – im Namen der Überwindung der „selbstzerstörerischen Vorgänge und inhaltlichen Blockaden“ – auf den Kriegskurs der Nato einschwören soll. Der Parteivorstand hat dazu einen Leitantrag vorgelegt, der sich vollständig hinter die Nato-Propaganda stellt.

Seit Jahren betreibe „Russland eine Politik, die darauf zielt, die postsowjetischen Staaten unter dem Einfluss Russlands zu halten: Indem versucht wird, autoritäre Vasallen-Regime einzurichten oder – wo das nicht gelingt –, die Staaten zu destabilisieren,“ heißt es darin.

Russland sei „eines der geostrategischen Machtzentren im fossilen Kapitalismus, in dem unterschiedliche Akteure um Zugang zu Ressourcen und Einflusssphären kämpfen, auch mit dem Mittel des Krieges“. Das Land verfolge „eine imperialistische Politik“, die „gegenüber der eigenen Bevölkerung durch eine nationalistische, militaristische und autokratische Großmachtideologie“ legitimiert werde.

Die systematische Ausdehnung der Nato Richtung Russland und der von den USA und Deutschland unterstützte Putsch in der Ukraine, der 2014 mit Hilfe rechter Milizen ein pro-westliches Regime an die Macht brachte und den Keim für den jetzigen Krieg legte, werden im Leitantrag dagegen nicht erwähnt, geschweige denn verurteilt.

Stattdessen übt der Vorstand Selbstkritik. „Nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich die westlichen Staaten mit ihrer überwältigenden wirtschaftlichen und militärischen Macht und der NATO vielfach (siehe Kosovo- oder Irakkrieg) über Institutionen wie die UN und das Völkerrecht hinweggesetzt,“ heißt es im Leitantrag. Das habe im Fokus der Kritik der Linkspartei gestanden. „Dabei wurden imperiale Kriege jenseits der Nato zu wenig beachtet, wie etwa die militärischen Interventionen von Russland in Tschetschenien und Syrien.“

Der Antrag unterstützt den Wirtschaftskrieg gegen Russland, der ein zentraler Bestandteil der Nato-Offensive ist. Ein Sieg über Russland soll nicht durch Waffenlieferungen, sondern durch verschärfte Sanktionen erreicht werden: „Sanktionen müssen sich gegen die ökonomische Machtbasis des Systems Putin, die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger, richten. Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung für das Einfrieren von diesen Vermögenswerten russischer Oligarchen im nationalen und europäischen Rahmen nachkommen.“

Tatsächlich dienen die Sanktionen und die Aufrüstung der Ukraine – allein die USA haben seit Beginn des Krieges Militärhilfe in Höhe von 53 Milliarden Dollar bewilligt – demselben Ziel: Sie sollen Russland eine vernichtende Niederlage zufügen und die Voraussetzungen für seine Aufspaltung und seine Unterwerfung unter die imperialistischen Mächte schaffen.

US-Medien sprechen dies offen aus. So verurteilte die Washington Post kürzlich die – vermeintlichen – Bemühungen Frankreichs, Deutschlands und Italiens, das Blutvergießen durch einen Waffenstillstand zu beenden. „Die Risiken, den Druck auf Herrn Putin zu verringern, bevor er gründlich geschlagen ist, und vielleicht nicht einmal dann,“ seien zu hoch. Der Wunsch Paris‘, Berlins und Roms, „diesen zerstörerischen Krieg zu verkürzen – und damit den Schaden sowohl für die Ukraine als auch für ihre eigenen schwer angeschlagenen Volkswirtschaften zu begrenzen,“ dürfe diesem Ziel nicht im Weg stehen.

Mit anderen Worten: Um „Putin gründlich zu schlagen“ und Russland zu unterwerfen, ist die Nato bereit, die Ukraine in einem monatelangen Krieg auszubluten und einen nuklearen, dritten Weltkrieg zu riskieren.

Pazifistische Phrasen

Die Linke wäre nicht die Linke, wenn sie nicht versuchen würde, ihre Unterstützung für die imperialistische Kriegspolitik mit moralischen Appellen und Friedensaufrufen an die imperialistischen Mächte und Institutionen zu vertuschen, die für den Krieg verantwortlich sind.

Der Leitantrag warnt die Nato mit erhobenem Zeigefinger, ihre Versuche, „eine ‚neue Weltordnung‘ zu installieren“, seien „vielfach gescheitert, oft mit katastrophalen Folgen“. Die „Spirale der weltweiten Hochrüstung und des Einsatzes von Krieg als Mittel der Durchsetzung hegemonialer Interessen“ sei „brandgefährlich“. Der Antrag verlangt „eine globale Friedensordnung unter Einschluss aller Akteure“, die unter anderem durch eine Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs und der UNO erreicht werden soll.

Welch bankrotte Perspektive! Seit der Auflösung der Sowjetunion vor dreißig Jahren führen die USA fast ununterbrochen Krieg mit dem erklärten Ziel, ihre Stellung als „einzige Weltmacht“ zu verteidigen und den Aufstieg Chinas zu verhindern. Dabei haben sie und ihre Nato-Verbündeten den Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien sowie zahlreiche andere Länder zerstört und Russland militärisch umzingelt.

Der deutsche Imperialismus reagiert darauf, indem er selbst zu einer Großmachtpolitik zurückkehrt und vehement aufrüstet. Die Linke unterstützt diese Politik und faselt dabei in der Art eines Pfaffen, der die Kanonen segnet und dabei die Bergpredigt zitiert, über eine neue „Friedensordnung“.

Zum Glück durchschauen immer mehr Menschen diesen Betrug, wie der Niedergang der Linkspartei zeigt. Die einzige Möglichkeit, den Krieg zu stoppen und eine nukleare Katastrophe zu verhindern, ist eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die die Hauptlast des Militarismus zu tragen hat.

Das bedeutet keine Unterstützung für Putin und sein Regime, im Gegenteil. Putins Reaktion auf die Umzingelung Russlands durch die Nato ist ebenso kurzsichtig wie reaktionär. Sie spielt der Nato in die Hände. Es ist die Reaktion eines Regimes der Oligarchen, die das gesellschaftliche Eigentum der Sowjetunion geplündert haben und in unversöhnlichem Gegensatz zur Arbeiterklasse stehen.

Der Sturz Putins ist die Aufgabe der russischen Arbeiterklasse. Dasselbe gilt für das rechte Regime und die Arbeiterklasse der Ukraine. Die russischen und ukrainischen Arbeiter brauchen dabei die Unterstützung und Solidarität der Arbeiter Europas, der USA und der ganzen Welt.

Die objektiven Voraussetzungen für eine solche Bewegung entwickeln sich schnell. Überall auf der Welt rebellieren Arbeiter gegen die sozialen Folgen des Kriegs und der kapitalistischen Krise: Inflation, Hunger, Arbeitsplatzverlust und wachsende Ausbeutung – eine Bewegung, die sich immer offener gegen die kapitalistische Herrschaft richtet.

Diese Bewegung braucht eine Perspektive, die den Kampf gegen Krieg, Ausbeutung und soziale Ungleichheit zu einer bewussten globalen Offensive zum Sturz des Kapitalismus und für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft vereint. Diese Perspektive vertreten das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die Sozialistische Gleichheitspartei.

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