Der russische Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping trafen sich am Donnerstag bei der Eröffnung des zweitägigen Sicherheitsgipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in der usbekischen Stadt Samarkand.
Die SOZ ist eine eurasische regionale Organisation, die im Jahr 2001 von den „Shanghai Five“ gegründet wurde, d.h. China, Russland und den zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. Seither haben sich ihnen Indien, Pakistan und Usbekistan angeschlossen. Afghanistan, Belarus und die Mongolei haben „Beobachter-Status“; Armenien, Aserbaidschan, Kambodscha, Nepal, Sri Lanka und die Türkei sind als „Dialogpartner“ aufgeführt. Die Mitgliedsstaaten der SOZ umfassen ein Fünftel der Erdoberfläche, 30 Prozent der Weltwirtschaft und 40 Prozent der Weltbevölkerung.
Das Gipfeltreffen wird jedoch überschattet vom Krieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine sowie den zunehmenden Drohungen der USA gegen China wegen Taiwan. Eine Woche vor Beginn des Gipfels in Samarkand haben die russischen Truppen in der Ukraine eine vernichtende Niederlage gegen ukrainische Truppen erlitten, die von den Nato-Mächten ausgebildet, bewaffnet und koordiniert werden.
Im Gespräch mit Xi ging Putin auf Chinas Besorgnis wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine und des Debakels der russischen Armee in Charkiw ein: „Wir wissen die ausgeglichene Position unserer chinesischen Freunde in Bezug auf die Ukraine-Krise sehr zu schätzen. Deshalb verstehen wir ihre Fragen und Besorgnis in dieser Hinsicht. Natürlich werden wir unsere Position während des heutigen Treffens erklären.“
Putin verurteilte ausdrücklich die Bestrebungen der USA, Taiwan zu bewaffnen, die im Shanghai-Kommuniqué von 1972 angenommene Ein-China-Politik zu beenden und Taiwan dazu zu drängen, formell seine Unabhängigkeit von Peking zu erklären. Putin sagte: „Wir haben die Absicht, uns strikt an das Prinzip der Ein-China-Politik zu halten. ... Wir verurteilen die Provokationen der Vereinigten Staaten und ihrer Satelliten in der Taiwanstraße.“
Putin versicherte, das „Tandem Moskau-Peking“ spiele eine „Schlüsselrolle“ bei der Sicherung der globalen Stabilität und kritisierte Washington indirekt: „Die Versuche, eine unipolare Welt zu schaffen, haben in letzter Zeit eine absolut hässliche Form angenommen und sind völlig inakzeptabel.“
Xi nannte Putin einen „alten Freund“ und antwortete: „China ist bereit, mit Russland daran zu arbeiten, die Rolle von Großmächten einzunehmen und eine führende Rolle dabei zu spielen, um Stabilität und positive Energie in eine von Chaos erschütterte Welt zu bringen.“
Das chinesische Außenministerium erklärte in einer Pressemitteilung: „Präsident Xi betonte, China werde mit Russland daran arbeiten, eine starke gegenseitige Unterstützung bei Themen auszubauen, die die Kerninteressen des jeweils anderen betreffen, und die praktische Zusammenarbeit in anderen Bereichen wie Handel, Landwirtschaft und Konnektivität zu vertiefen.“
Dass Putin öffentlich Chinas Besorgnis wegen des Kriegs in der Ukraine anspricht, weist auf die enormen Spannungen und die politische Krise innerhalb der SOZ hin, während Washington und seine Nato-Verbündeten die Operationen gegen Russland und China verschärfen. Während des Ukrainekriegs hat Peking einen heiklen Balanceakt vollzogen. Es wies die Forderungen der Nato nach Sanktionen gegen Russland zurück, unternahm aber gleichzeitig keine offensichtlichen Maßnahmen zur Unterstützung Moskaus, die der Nato einen Vorwand für Sanktionen gegen China liefern könnten.
Letzte Woche reiste der Präsident des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, Li Zhuanshu, die drittwichtigste Person der chinesischen Staatshierarchie, nach Russland und äußerte auf direktere Weise seine Unterstützung für Moskau: „Genau wie in der Frage der Ukraine sind die USA und die Nato direkt bis an die Türschwelle Russlands vorgerückt. Hier geht es um die nationale Sicherheit Russlands und seiner Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund versteht China, dass Russland tun muss, was ihm angemessen erscheint, und unterstützt es koordiniert an mehreren Fronten.“
Allerdings mehren sich in Peking hinter den Kulissen eindeutig die Bedenken, dass der Kreml keine Lösung hat, um eine Eskalation zu verhindern und seinen Krieg mit der Nato in der Ukraine zu beenden.
Die SOZ und ihre 1996 gegründete Vorgängerorganisation, die „Shanghai Five“, hatten sich im Schatten des Imperialismus und der Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistischen Bürokratien sowie der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 entwickelt. Der letzte Akt des Verrats der Sowjetbürokratie an den sowjetischen Arbeitern und dem Sozialismus öffnete Eurasien für eine imperialistische Militärintervention. Nach der Gründung der SOZ nutzte Washington die Anschläge vom 11. September 2001, um Afghanistan zu besetzen und Militärstützpunkte in zentralasiatischen Staaten zu errichten.
Damit begann eine blutige imperialistische Kampagne mit dem Ziel, strategisch wichtige Teile Zentralasiens und des Nahen Ostens zu dominieren und ihre Rohstoffe zu plündern. Die Truppen der USA und der Nato haben seither im Irak, in Pakistan, Libyen, Syrien und der Ukraine militärisch interveniert. Im Jahr 2014 unterstützten die Nato-Mächte einen rechtsextremen Putsch in Kiew, der die Ukraine spaltete und den derzeitigen Krieg in Gang setzte. Insgesamt haben diese Kriege Millionen Menschenleben gekostet und Dutzende Millionen zu Flüchtlingen gemacht.
Der zunehmende wirtschaftliche Niedergang der USA und ihre militärischen Niederlagen in Afghanistan und im Irak sowie Chinas wachsender wirtschaftlicher Einfluss in Eurasien haben den Kampf um Eurasien auf einen neuen Höhepunkt getrieben. Militärische und finanzielle Erwägungen sind dabei untrennbar miteinander verbunden. Der Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine ist letzten Endes, genau wie die Weltkriege des 20. Jahrhunderts, das Produkt des unlösbaren Widerspruchs zwischen der Weltwirtschaft und dem kapitalistischen Nationalstaatensystem.
Die chinesische Staatszeitung Global Times veröffentlichte am 14. September einen Leitartikel mit dem Titel „Einigung auf Abkehr vom Dollar im Energiehandel würde die Hegemonie der USA zerstören“. Russland und China wurden aufgerufen, „ihre Zusammenarbeit zu verstärken, um die Vorherrschaft des US-Dollars auf dem Energiemarkt zu brechen.“ Er wies auf die verheerenden inflationären Auswirkungen des Ukrainekriegs und den derzeitigen Anstieg der in Dollar gehandelten Energiepreise in Verbindung mit der Aufwertung des Dollars gegenüber anderen Währungen, weil die US-Notenbank die Zinssätze erhöht.
Die Global Times schrieb: „Ein starker Dollar bedeutet, dass Energieprodukte für andere Währungen teurer werden. Wenn die Energie- und Rohstoffpreise steigen, dann werden auch die Preise für andere Produkte steigen, was weltweit zu einer hohen Inflation führt. ... Die USA konnten immer wieder ihre eigene Inflationskrise, die durch ihre frühere Politik der lockeren Geldpolitik verursacht wurde, in den Rest der Welt exportieren, weil der Dollar noch immer die dominierende Stellung auf den globalen Devisenmärkten, bei den Währungsreserven, der Handelsabwicklung und in anderen Bereichen innehat.“
Sie forderte, die SOZ als Forum zu nutzen, um den Handel mit Öl und Gas in anderen Währungen als dem Dollar zu entwickeln. Sie erklärte, China kaufe russisches Öl und Gas mit einer Mischung aus Yuan und russischen Rubel, während Indien russische Energieimporte mit Dirham zahlt, der Währung der Vereinigten Arabischen Emirate.
Der US-Imperialismus lehnt eine solche Politik strikt ab. Im Jahr 2019 kam die dänische Saxo Bank in einer Berechnung zu dem Schluss, dass eine Abkehr vom US-Dollar im intra-eurasischen Handel zum Zusammenbruch des Dollars führen könnte. Er würde 30 Prozent seines Goldwerts verlieren.
Ein bedeutsames Ereignis beim Gipfeltreffen in Samarkand am Donnerstag war die Ankündigung, dass der Iran, der bisher nur „Beobachter“ war, der SOZ nächstes Jahr offiziell beitreten wird. Der Iran wird von den USA seit zwei Jahrzehnten mit Krieg bedroht und mit vernichtenden Sanktionen belegt, mit denen Washington ihn aus allen in Dollar lautenden Finanztransaktionen ausgeschlossen hat. Letztes Jahr unterzeichnete das Land ein 25-jähriges Militärbündnis mit China und hielt Marineübungen mit russischen und chinesischen Kriegsschiffen im Indischen Ozean ab.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi erklärte bei einem Treffen mit Putin in Samarkand: „Die Beziehung zwischen Staaten wie dem Iran oder Russland, die von den USA sanktioniert werden, kann viele Probleme und Fragen überwinden und sie stärker machen. ... Die Amerikaner glauben, sie könnten jedes Land stoppen, das sie mit Sanktionen belegen. Damit liegen sie jedoch falsch.“
Die verschiedenen kapitalistischen Regime in der SOZ sind jedoch weder gewillt noch in der Lage, einen konsequenten Kampf gegen den Imperialismus zu führen oder sich vom bitteren Erbe der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion zu lösen. Putin, der seine verhängnisvolle Intervention in der Ukraine begann, während er den bolschewistischen Revolutionären, die die Sowjetunion gegründet hatten, vorwarf, den Ukrainern zu viele Zugeständnisse gemacht zu haben, ist das deutlichste Beispiel dafür.
Es ist unmöglich, Eurasien unter der Führung kapitalistischer Regime gegen den Imperialismus zu vereinen. Kurz vor dem Gipfeltreffen haben die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan, die Beobachterstaaten der SOZ sind, tatsächlich den Krieg um die umstrittene Region Bergkarabach wieder aufgenommen. Zudem ist unklar, ob sich Xi mit dem indischen Premierminister Narendra Modi treffen wird, da es 2020 Zusammenstöße entlang der ungeklärten chinesisch-indischen Grenze kam – ein Erbe aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft über Indien.
Die Aufgabe, Eurasien gegen den Imperialismus zu vereinen, fällt der Arbeiterklasse in einem erneuten Kampf für den Sozialismus zu. Nur eine Massenbewegung der Arbeiter und unterdrückten Massen der Region kann Widerstand gegen den Krieg leisten, an die wachsende Antikriegsstimmung und die soziale Opposition unter den Arbeitern der imperialistischen Länder appellieren und die enorme industrielle Macht Eurasiens zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse statt privatem Profitstreben nutzen.