Die Bundesregierung reagiert auf die russische Annexion ukrainischer Gebiete und Putins Atomdrohungen mit einer Verschärfung der eigenen Kriegsoffensive, was immer unmittelbarer die Gefahr eines dritten Weltkriegs heraufbeschwört. Am Wochenende reiste Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zum ersten Mal persönlich in die Ukraine, inspizierte deutsche Panzer vor Ort und verkündete weitere massive Waffenlieferungen für das anti-russische Kriegsregime in Kiew.
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow feierte Lambrechts Besuch auf Twitter mit den Worten: „Ich habe meine deutsche Kollegin Christine Lambrecht in der Südukraine empfangen. Die Frau Ministerin brachte gute Nachrichten und weitere Instrumente zur Stärkung der ukrainischen Armee mit. Wir hatten eine Diskussion über die aktuelle geopolitische und sicherheitspolitische Lage. Die Frau Ministerin hat sich gefreut, mit unseren Soldaten zu sprechen und das Gepard-System im Kampfeinsatz zu sehen.“
Lambrecht verkündete in Odessa die Lieferung von weiteren Gepard-Flugabwehrpanzern und die beschleunigte Lieferung des Luftverteidigungsystems IRIS-T. Das vom deutschen Rüstungsunternehmen Diehl Defence hergestellte System gehört zu den modernsten seiner Art und eignet sich laut Hersteller zur 360 Grad-Rundumverteidigung gegen Flugzeuge, Hubschrauber, Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Kurzstreckenraketen. Selbst die Bundeswehr verfügt noch nicht über ein derartiges System.
Unmittelbar nach ihrer Rückkehr am Sonntag legte Lambrecht noch einmal nach. In der ARD-Sendung Bericht aus Berlin verkündete sie bereits die nächsten Waffenlieferungen. „Wir werden uns noch in vielfältiger Weise engagieren, wie bisher mit Partnern zusammen“, erklärte sie. „Deswegen wird es dazu kommen, dass wir, von Deutschland gemeinsam mit Dänemark und Norwegen finanziert und in der Slowakei produziert, im nächsten Jahr 16 Systeme der Radhaubitze ‚Zuzana‘ an die Ukraine ausliefern können.“
Medienberichten zufolge belaufen sich die Kosten für die angekündigte Lieferung der Haubitzen auf 93 Millionen Euro. Beim IRIS-T-System – bestehend aus Hochleistungsradar, Abschussvorrichtung und Kontrollwagen sowie Raketen – handelt es sich nach Angaben des ukrainischen Botschafters in Deutschland um ein Auftragsvolumen von 140 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Lambrecht sicherte der Ukraine an einem einzigen Wochenende Waffen in Höhe von weit über 200 Millionen Euro zu.
Insgesamt belaufen sich die deutschen Militärhilfen mittlerweile auf mehrere Milliarden Euro – was Deutschland zu einem der führenden Unterstützer Kiews macht. „Entgegen der landläufigen Meinung hat Deutschland erhebliche Mengen an Waffen und Ausrüstung an die Ukraine geliefert, um das Land in seinem Kampf gegen das russische Militär zu unterstützen“, schrieb die niederländische Militärnachrichtenwebsite Oryx bereits Anfang September. So übersteige „das Volumen der von Berlin gelieferten Waffen das aller anderen Länder, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs“.
Die bereits an die Ukraine gelieferte Unterstützung umfasst laut Oryx 30 Gepard-Panzer, drei MARS-Mehrfachraketenwerfer, zehn Panzerhaubitzen 2000 mit Artilleriegeschossen, 3200 tragbare Flugabwehrsysteme (Manpads), fast 10.000 Panzerfäuste 3 und Matador Panzerabwehrwaffen, Hunderte von Fahrzeugen, fast 22 Millionen Schuss Munition und eine Fülle anderer Ausrüstungsgegenstände, darunter 28.000 Helme und MiG-29 Ersatzteile.
Und diesen Lieferungen sollten „bald weitere“ Panzerhaubitzen, Flugabwehrsysteme, Drohnen und unbemannte Schiffe folgen. Berlin habe „außerdem mindestens 2 Milliarden Euro zum Fonds für den Aufbau von Sicherheitskapazitäten in der Ukraine beigesteuert, mit dem die ukrainische Regierung Rüstungsgüter aus anderen Ländern kaufen kann, darunter weitere 100 Panzerhaubitzen 2000 und 18 Radhaubitzen RCH 155 des deutschen Waffenherstellers Krauss-Maffei Wegmann“.
Trotz dieser massiven Militärunterstützung bestand Lambrecht gegenüber der ARD darauf, dass für Deutschland und seine Verbündeten klar sei, keine Kriegspartei zu werden. „Das hat uns von Anfang an geleitet. Und daran hat sich auch nichts geändert“, behauptete sie.
Das ist offensichtlich absurd. Bereits im März stellte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags fest, dass die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung sei. „Wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen“, heißt es darin.
Genau das ist passiert und nun wird die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte massiv ausgeweitet. Am Montag berichtete der Spiegel, dass sich „die Mitgliedstaaten der EU in den letzten Wochen auf Arbeitsebene“ darauf geeinigt hätten, „so schnell wie möglich bis zu 15.000 ukrainische Soldaten außerhalb des Landes aus- und weiter[zu]bilden“. Davon sollten „3000 ukrainische Soldaten eine Spezialausbildung bekommen“. Als Beispiele seien „die taktische Gefechtsausbildung für Kommandeure oder Lehrgänge für Pioniere“ genannt worden.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Dabei geht die Kriegsunterstützung noch weit über die Waffenlieferungen und die Ausbildung der ukrainischen Armee hinaus. In der vergangenen Woche berichtete das ARD-Magazin Kontraste, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst BND „militärische nutzbare Daten“ an die Ukraine liefert. Mit anderen Worten: Berlin ist direkt in die Kriegsführung involviert und spielte eine zentrale Rolle bei den jüngsten Offensiven Kiews, die der russischen Armee empfindliche Niederlagen beibrachten.
Die ARD schreibt: „Die Informationen, die der BND mit Billigung der Bundesregierung an den ukrainischen Geheimdienst übermittelt, umfassen neben Analysen, beispielsweise zu Kampfkraft und Moral russischer Einheiten in der Ukraine, auch abgehörte Funksprüche und Mobiltelefonate sowie Satellitenbilder. Diese BND-Berichte können der Ukraine bei der Vorbereitung militärischer Operationen helfen.“
Dass sich Deutschland und die Nato de facto im Krieg mit Russland befinden und das Ziel verfolgen, die Atommacht militärisch zu besiegen, wird von Vertretern der Bundesregierung offen ausgesprochen. Am 1. Oktober schrieb Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter: „Mal ehrlich: Was sollen denn jetzt Kniefälle vor Putin bringen? Wir sind im Krieg mit Putin und nicht seine Psychotherapeuten. Es muss weiter konsequent der Sieg in Form der Befreiung der Ukraine verfolgt werden. Ob das Putins Psyche verkraftet ist egal.“
Kommentare wie diese geben einen schockierenden Einblick in die Geisteshaltung der herrschenden Klasse. 81 Jahre nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion und dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht sind die kapitalistischen Regierungen wieder bereit, Millionen für ihre räuberischen Interessen zu töten. Nach 150.000 Toten in der Pandemie allein in Deutschland, sollte Lauterbach erklären, wie viele Menschenleben er bereit ist, im „Krieg mit Putin“ zu opfern. Obwohl dieser mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, bestehen die führenden Vertreter der Nato-Mächte darauf, Russland in der Ukraine „konsequent“ zu besiegen.
Die einzige Möglichkeit eine nukleare Katastrophe und eine dritten Weltkrieg zu verhindern, besteht in der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale. Lest und verbreitet die WSWS-Erklärung „Stoppt den Krieg in der Ukraine!“ und beteiligt euch am Aufbau einer neuen anti-kapitalistischen Antikriegsbewegung.