Erneut haben die Pilotinnen und Piloten der Lufthansa-Tochter Eurowings die Arbeit niedergelegt. Diesmal dauert ihr Streik drei volle Tage, vom gestrigen Montag 00:00 Uhr bis am Mittwoch, 19. Oktober, um 23:59 Uhr. Solange bleibt ein großer Teil der Eurowings-Maschinen am Boden. Täglich sind mehr als 20.000 Passagiere betroffen.
Zum Montag wurden etwa 260 Eurowings-Flüge abgesagt, allein in Düsseldorf waren es 100 (von 176) und in Köln/Bonn 42 (von 76). Weiter je 25 bis 40 Flüge wurden in Stuttgart, Hamburg und Berlin gestrichen. Die Zeitung Der Westen berichtete aufgrund von Informationen des Flughafens Düsseldorf, dass am Montag von insgesamt 443 nur 191 Flüge stattfanden, am Dienstag 160 und am Mittwoch 159.
Aktuell geht es um den Manteltarifvertrag, speziell um das Problem der hohen Arbeitslast für Pilotinnen und Piloten. Sie werden vom Unternehmen „regelmäßig bis an die gesetzlichen Grenzwerte“ verplant, schreibt die Vereinigung Cockpit (VC), die zum Streik aufgerufen hat. Sie fordert eine Begrenzung der maximalen Flugdienstzeiten und eine Verlängerung der Ruhezeiten, bzw. mehr Ruhetage für Pilotinnen und Piloten.
Wie aktuell das Thema für die Flugkapitäne ist, zeigt sich an der hohen Streikbereitschaft: Schon die Urabstimmung Ende August ergab eine Zustimmung von 97,7 Prozent. Ein erster 24-Stundenstreik am 6. Oktober wurde vollständig befolgt.
Die immer höhere Belastung für das Cockpit-Personal ist in der Tat ein brisantes Thema, das die Flugsicherheit insgesamt betrifft. Für diese trägt die Cockpitcrew die ganze Verantwortung.
Infolge der Profitgier der Konzerne und Aktionäre wächst der Druck auf die Piloten und Pilotinnen ständig. Seit dem drastischen Stellenabbau in der Corona-Pandemie ist die Arbeitsbelastung für die verbleibenden Pilotinnen und Piloten erheblich gestiegen.
Für das Cockpit-Personal gehört es mittlerweile praktisch zum Alltag, ständig bis zum Limit eingeplant zu werden. Dies unter Bedingungen, wo der Beruf von vorneherein lange Diensttage und kurze Ruhezeiten, eine ständige Zeitverschiebung, klimatische Unterschiede und die Auswirkung von Lärm, Strahlung und kontaminierter Kabinenluft mit sich bringt.
Mittlerweile existieren sogar schon Pläne, unter dem Vorwand des technischen Fortschritts die Cockpitbesatzung auf nur noch eine Person zu reduzieren. Solche Pläne diskutierte jüngst die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO und hob ihren „wirtschaftlichen Vorteil“ hervor. Gleichzeitig wird die Ausbildungszeit für den Nachwuchs ständig verkürzt.
Welche Folgen eine derart verantwortungslose Politik in der Luftfahrt unter Umständen haben kann, das hat 2015 schon die Germanwings-Katastrophe drastisch gezeigt. Damals ließ ein psychisch kranker Copilot eine vollbesetzte Germanwings-Maschine an einer Bergwand zerschellen und riss 150 Passagiere und Beschäftigte mit in den Tod. Die WSWS richtete damals ihren Blick auf „eine Gesellschaft, die von wachsendem Arbeitsstress, ständiger Existenzangst, wachsenden sozialen Spannungen, staatlicher Gewalt und Militarismus geprägt ist“.
Der Eurowings-Streik ist deshalb von großer Bedeutung, und er verdient die Unterstützung der gesamten arbeitenden Bevölkerung.
Um allerdings in der Luftfahrt bessere und sichere Bedingungen zu schaffen, die die Gesundheit und das Leben über den Profit setzen, ist eine andere Strategie als die der VC notwendig. Ein solcher Kampf muss am Flughafen gemeinsam und für gleiche Bedingungen geführt werden. Er muss auch die Kolleginnen und Kollegen in der Kabine und am Boden mit einbeziehen. Er erfordert den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees, wie sie die Internationale Arbeiterallianz aufbaut.
Der Kampf darf nicht einer Standesorganisation wie der Vereinigung Cockpit überlassen werden. Die VC hat gar kein Interesse, an die Solidarität anderer Pilotinnen und Piloten, geschweige denn der übrigen Beschäftigten am Flughafen und in den Fluggesellschaften zu appellieren oder auch die Kollegen in den anderen Ländern zu informieren.
VC organisiert keinerlei Kundgebung oder Demonstration am Flughafen, wo es möglich wäre, mit streikenden Pilotinnen und Piloten zu sprechen. Sie führt ihre Tarifkämpfe in jeder einzelnen Gruppe gesondert und isoliert sie völlig voneinander. Eine Forderung wie „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ lehnt sie von vorneherein ab und rechtfertig das mit dem bürokratischen Hinweis darauf, dass es keinen Flächentarifvertrag gebe.
Einen Streik bei der Lufthansa Anfang September hat VC strikt auf die Lufthansa- und LH-Cargo-Piloten beschränkt, obwohl das Ergebnis der Urabstimmung bei den Eurowings-Piloten da schon bekannt war. Heute führt sie wiederum den Arbeitskampf allein bei Eurowings Deutschland, vollkommen isoliert von Eurowings Europe (EWE) oder Eurowings Discover, die sogar innerhalb von Lufthansa zum gleichen Konstrukt von Flugbetrieben gehören.
Dabei gibt es auch bei den Eurowings-Schwestern Probleme genug: Eurowings Europe hat seine Zulassung vor kurzem von Wien auf das Steuerparadies Malta umgemeldet. Infolgedessen bieten nicht einmal die aktuellen, österreichischen Arbeitsverträge dem EWE-Personal noch irgendwelche Sicherheit. Und bei Eurowings Discover gibt es überhaupt noch keine Personalvertretung. Beide Gesellschaften dienen der zunehmenden Spaltung der Belegschaften und der Verschlechterung ihrer Verträge, Rechte und Arbeitsbedingungen.
Von dieser Aufsplitterung profitieren das Eurowings-Management und der dahinterstehende Lufthansa-Vorstand. Sie können auch den aktuellen Arbeitskampf leicht parieren, indem sie auf die anderen, nicht streikenden Fluggesellschaften zurückgreifen. So wird mit Hilfe von EWE und Eurowings Discover täglich massiv Streikbruch organisiert. Damit nicht genug, kann das Management auch auf ehemalige Germanwings-Piloten zurückgreifen, die seit der Abwicklung ihrer Fluglinie im April 2020 bei der firmeneigenen Cockpitpersonal GmbH als Leiharbeiter unter Vertrag stehen.
Der Streik ist ein untrügliches Anzeichen des anschwellenden globalen Kampfs der Arbeiterklasse, die sich gegen die Inflation und immer schlimmere Bedingungen wehrt. Er kommt mit aktuellen Tarifauseinandersetzungen im Metallbereich und im öffentlichen Dienst zusammen, wie auch in Frankreich derzeit mit dem Streik der Raffineriearbeiter.
Objektiv richten sich all diese Kämpfe nicht nur gegen die profitorientierte Wirtschaft, sondern auch gegen die Regierungen, die in deren Interesse den sozialen Kahlschlag durchsetzen. Sie richten sich implizit gegen den aktuellen Krieg und seine sozialen Folgen. Deshalb ist es so wichtig, jetzt ein Aktionskomitee Flughafen aufzubauen.