Der Beginn des UN-Klimagipfels COP27 im ägyptischen Scharm el-Scheich wird überschattet vom Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine. Angesichts der Energiekrise versuchen die USA und Europa, die Förderung von Öl und Erdgas zu steigern. Seit Beginn des Kriegs hat die Biden-Regierung zugesagt, Dutzende Milliarden Kubikmeter Erdgas an Europa zu liefern. Dass dies zu einem entsprechenden Anstieg der Treibhausgas-Emissionen führen wird, entlarvt die umweltpolitischen Ansprüche seiner Regierung als Heuchelei.
Wie seit Jahrzehnten bekannt ist und der Weltklimarat zuletzt erklärt hat, ist es dringend notwendig, die Menge an Treibhausgas in der Atmosphäre zu verringern, um die globale Erwärmung zu stoppen und umzukehren. Jedes Jahr sterben weltweit Tausende Arbeiter und Millionen Menschen werden vertrieben, vor allem in den ärmsten Regionen der Welt, weil Kohlendioxid und Methan mehr oder weniger unkontrolliert in die Atmosphäre freigesetzt werden. Die Verursacher sind Konzerne und Regierungen auf der ganzen Welt, die um die globale Vorherrschaft konkurrieren.
Die gigantischen Überschwemmungen in Pakistan, die im Juni begannen, zeigen besonders deutlich die Auswirkungen der Klimakrise. Die Wassermassen, die durch die Gletscherschmelze im Himalaya und ungewöhnlich starke Regenfälle ausgelöst wurden, haben mindestens 1.700 Menschen getötet, mehr als 12.000 verletzt und mindestens 33 Millionen Menschen vertrieben.
Klimamodelle deuten darauf hin, dass es immer häufiger zu solchen Katastrophen kommen wird, wenn der jetzige Trend zur Erwärmung anhält. Und Überschwemmungen, Hurrikans, Polarwirbel und andere extreme Wetterereignisse sind bekanntermaßen nur die Vorboten für noch tödlichere klimabedingte Katastrophen.
Allerdings wird bei der COP27-Konferenz keines dieser Themen ernsthaft angegangen. Es gab viele Reden von verschiedenen Persönlichkeiten, darunter Staatsoberhäuptern, die „Klimagerechtigkeit“ forderten. Das ist eine Umschreibung für die Forderung nach zusätzlichen Finanzmitteln zur Bekämpfung der Klimafolgen in den Entwicklungsländern. UN-Generalsekretär António Guterres warnte, die Welt befinde sich „auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“.
Doch genau wie bei allen bisherigen Klimakonferenzen – von COP26 in Glasgow im letzten Jahr über das Pariser Klimaschutzabkommen 2015 bis hin zum Kyoto-Protokoll von 1997 – kam in keiner Rede oder Vereinbarung die eigentliche Ursache der Klimakrise zur Sprache: der Kapitalismus und das Profitstreben.
Der anhaltende Krieg in der Ukraine ist beispielhaft für diese Entwicklung. Nur einen Tag, nachdem das russische Militär zu seiner Invasion provoziert wurde, schrieb eine amerikanische Flüssiggas-Lobbygruppe namens LNG Allies einen Brief an die Biden-Regierung und forderte den Aufbau neuer Infrastruktur im Wert von mindestens 300 Millionen Dollar, um „virtuelle transatlantische Gaspipelines“ aufzubauen und so die heimische Produktion zu stärken.
Der Brief forderte zudem das Energieministerium auf, weitere Anträge zum Export von Flüssiggas „unverzüglich zu genehmigen“, unter dem Vorwand „die Energieunsicherheit in Europa“ zu verhindern. Die Regierung wurde schnell aktiv, bewilligte im März zwei derartige Anträge und zwei weitere im April. Sie erklärte, sie gehe davon aus, dass die US-Exporte von Flüssigerdgas bis Ende 2022 um 20 Prozent steigen werden.
Parallel zu diesem Kurswechsel kündigten Biden und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, an, dass die USA im Jahr 2022 weitere 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas liefern würden, um der Europäischen Union zu helfen, „ihre Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen zu beenden“. Laut einem Artikel im Bulletin of Atomic Scientists wird nach Abschluss der derzeitigen Infrastrukturpläne für fossilen Brennstoff die Hälfte des Gases, das in den USA gefördert wird, exportiert.
Die Folge ist eine finanzielle Bereicherungsorgie für die Gaskonzerne. Das in Houston, Texas, ansässige Unternehmen Cheniere konnte seine Profite in diesem Jahr um bislang 3,8 Milliarden Dollar erhöhen. Der Wert der Aktien von Sempra, das Erdgas an fast 40 Millionen Menschen in Kalifornien, Texas und Mexiko liefert, stieg in den Wochen nach Kriegsbeginn um mehr als 25 Prozent.
Auch das Militär selbst ist ein großer Verursacher von Treibhausgasen. Die Boston University veröffentlichte im Jahr 2019 einen Bericht der Kodirektorin des Projekts Costs of War, Neta Crawford, mit dem Titel „Pentagon Fuel Use, Climate Change and the Costs of War“, laut dem das US-Militär zu den größten Umweltverschmutzern der Welt gehört und mehr Treibhausgase freisetzt als ganze Länder wie Schweden und Dänemark. Sie wies ausdrücklich darauf hin, dass die Kriege in Afghanistan, Pakistan, dem Irak und Syrien mindestens 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt haben, etwa ein Drittel der Gesamtmenge, die das Pentagon seit 2001 ausgestoßen hat.
Doch auf der COP27 wurden diese Tatsachen nicht erwähnt. Stattdessen hielt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Hetzrede gegen Russland, in der er behauptete, Russland habe „durch vorsätzliche Aktionen eine Energiekrise ausgelöst, die Dutzende von Ländern gezwungen hat, die Kohleverstromung wieder aufzunehmen“. Weiter erklärte er, erneut mit Blick auf Russland: „Es gibt immer noch viele, für die Klimawandel nur Rhetorik und Marketing ist, aber kein echtes Handeln.“
In Wirklichkeit hat keine Regierung, von Russland über die Ukraine bis hin zu den USA, einen Plan für „echtes Handeln“ zur Bekämpfung des Klimawandels. Laut jüngsten Schätzungen wären jedes Jahr 100 Milliarden Dollar notwendig, um die globale Erderwärmung rückgängig zu machen, und diese Summe wurde nie erreicht. Gleichzeitig wurden Dutzende Milliarden Dollar bereitgestellt, um dem ukrainischen Militär den Kauf hochmoderner Waffen von den USA und ihren Verbündeten zu finanzieren, die für den Kampf gegen Russland benötigt werden. Ganz zu schweigen von den Billionen, mit denen seit 2008 die amerikanischen Banken und Konzerne gerettet wurden.
Dass diese atemberaubenden Summen für Kriege und Rettungsaktionen ausgegeben werden, hinderte den ehemaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry, der heute Bidens Sonderbotschafter für Klimafragen ist, nicht daran, am Dienstag zu erklären: „Keine Regierung der Welt hat genug Geld, um den Wandel herbeizuführen. ... Am meisten könnte die Privatwirtschaft mit der richtigen Struktur helfen.“
Kerry hat damit in zwei Sätzen die Orientierung der gesamten kapitalistischen Gesellschaftsordnung zusammengefasst: Es gibt kein Geld, um die großen drängenden sozialen Probleme unserer Zeit zu lösen – Klimawandel, soziale Ungleichheit und Covid-19 –, aber endlose Summen für Krieg und die Bereicherung der Finanzoligarchie. Jede Initiative, die vorgeblich zur Bekämpfung dieser Probleme ins Leben gerufen wird, muss dem Profitstreben untergeordnet werden.