Die konservative Regierung Großbritanniens bereitet sich darauf vor, mit den Streitkräften gegen eine wachsende Streikbewegung vorzugehen. In den nächsten Wochen werden neben den anhaltenden, landesweiten Streiks der Postler und Eisenbahner auch Hunderttausende Pflegekräfte, Ambulanzfahrer, Straßenbauarbeiter und Beschäftigte der Luftfahrt und im öffentlichen Dienst streiken.
Der Kampf der britischen Arbeiter ist ein starker Ausdruck einer Bewegung der Arbeiterklasse, die sich derzeit auf der ganzen Welt entwickelt. In allen Ländern wehren sich Arbeiter gegen die Angriffe von Regierungen und Konzernen auf ihren Lebensstandard, ihre Arbeitsbedingungen, Renten und Arbeitsplätze. Durch diese Angriffe sollen die Rekordgewinne sichergestellt und zig Milliarden Pfund, Dollar und Euro aufgebracht werden, um die Kosten der Bailouts für die Großunternehmen während der Pandemie, sowie auch für die Aufstockung der Militärbudgets aufzubringen. In der Ukraine breitet sich der Krieg der USA und der Nato gegen Russland derweil immer weiter aus.
Letzte Woche fand in Italien ein weiterer Generalstreik statt, bereits der zweite in diesem Jahr. Daran nahmen Beschäftigte aller Branchen und auch Eisenbahner von Trenitalia und Trenord teil. Im November gab es Generalstreiks in Belgien und Griechenland, letzterer ebenfalls schon zum zweiten Male, und in Frankreich fand ein Massenstreik statt.
In Belgien streikten die Eisenbahner letzte Woche drei Tage lang. Daran schlossen sich die Streiks der Raffineriearbeiter in Frankreich und den Niederlanden an. In Deutschland nahmen im November fast 900.000 Metall- und Elektroarbeiter an Warnstreiks teil, und es kam wiederholt zu Streiks von Pflegekräften, Warenhaus-Mitarbeitern und Logistikern, Lehrkräften und vielen weiteren Berufsgruppen.
Nadhim Zahawi, Vorsitzender der Tory-Partei, sprach am Sonntag im Gespräch mit Sophy Ridge von Sky News von den „Notfallplänen“ der Regierung. Er sagte: „Wir denken dabei an das Militär, wir denken an eine besondere Eingreiftruppe ... eine Überbrückungskapazität.“ Soldaten könnten während der Streiks „Krankenwagen fahren und an den britischen Grenzen arbeiten“. In Anlehnung an die Anprangerung der streikenden Eisenbahner in diesem Sommer als „Handlanger Putins“ forderte Zahawi die Krankenschwestern auf, auf Streik zu verzichten, um „eine klare Botschaft an Herrn Putin zu senden“, dass dies „nicht der richtige Zeitpunkt“ sei, um das Vereinigte Königreich „zu spalten“.
Das Kabinettsbüro bestätigte, dass rund 2.000 Militärangehörige und Beamte ausgebildet werden, um im Falle eines Streiks verschiedene Dienste zu verrichten. Die Drohungen von Downing Street erfolgten vor der Ankündigung am Dienstag, dass mehr als 10.000 Beschäftigte des Rettungsdienstes am 21. und 28. Dezember streiken werden. Den Ambulanzfahrern wird – wie allen Beschäftigten des Nationalen Gesundheitsdienstes – nur ein winziges Lohnangebot gemacht. Dabei beträgt die Inflation bereits über 14 Prozent.
Der Streik der Ambulanzfahrer wird unmittelbar auf die zwei Streiks von 100.000 Krankenschwestern und -pfleger am 15. und am 20. Dezember folgen. Zehntausende Feuerwehrleute befinden sich in einer Urabstimmung über einen Streik, deren Ergebnis im Januar bekannt gegeben werden soll.
Diese Woche treffen sich die Kabinettsminister in der Downing Street zu einer Reihe von „Cobra“-Sitzungen. Bei „Cobra“ geht es um Vorbereitungen auf einen nationalen Notstand oder größere Störungen. Die Times berichtete am Mittwoch: „Die Minister führen heute Gespräche über den Einsatz von Militärpersonal als Fahrer von Krankenwagen, da die Gewerkschaften zum ersten landesweiten Streik der Sanitäter seit 30 Jahren aufgerufen haben.“
Weiter heißt es: „Das Gesundheitsministerium und das Verteidigungsministerium führen Gespräche im Vorfeld eines möglichen offiziellen Hilfeersuchens im Rahmen des Protokolls für militärische Hilfe für zivile Behörden (Maca).“
Der politische Korrespondent der BBC, Nick Eardley, twitterte am Mittwoch, dass Downing Street auf die Frage „nach der Option eines Streikverbots für das Sanitätspersonal“ ein solches „nicht ausdrücklich ausgeschlossen“ habe.
Am Mittwoch sagte Premierminister Rishi Sunak dem Parlament, er bereite „neue harte Gesetze“ zur Bekämpfung von Streiks vor. Die Zeitung The Sun, die sich im Besitz von Rupert Murdoch befindet, berichtete letzte Woche, dass die Regierung plane, „im Eiltempo ein Anti-Streik-Gesetz durchzusetzen“. Damit werde man „eine neue Front im Krieg der Regierung mit den Gewerkschaften des Gesundheitswesens, der Bahn und der Post eröffnen“. Das Gesetzespaket werde „den Einsatz von Leiharbeitern zur Besetzung wichtiger, bestreikter Funktionen vorsehen und es den Arbeitgebern erleichtern, Streikende dauerhaft zu ersetzen“. Das neue Gesetz werde zu dem bereits im Parlament verhandelten Gesetz hinzukommen, das vorsieht, „an den Streiktagen einen Mindestdienst in Schlüsselindustrien wie der Bahn zu gewährleisten“.
Das Gesetz über den Mindestdienst (MSL) würde bedeuten, dass die Eisenbahngewerkschaften während eines Streiks garantieren müssen, dass mindestens 20 Prozent der Züge fahren. Andernfalls droht ihnen eine Geldstrafe von einer Million Pfund.
Dieser Angriff auf die Rechte der Arbeiter geht mit einer allgemeinen Reaktion der herrschenden Klasse auf internationaler Ebene einher. Letzte Woche unterzeichnete die US-Regierung der Demokratischen Partei und von Präsident Joe Biden ein vom Kongress verabschiedetes, diktatorisches Gesetz, das Streiks verbietet und einen nationalen Eisenbahnvertrag, den Zehntausende von Eisenbahnern abgelehnt hatten, per Dekret in Kraft setzt.
Gesetze zur Aufrechterhaltung von Dienstleistungen bei Streiks sind in Europa schon weit verbreitet. Seit der globalen Finanzkrise von 2008 gab es in vielen Ländern eine Wende hin zu direkter staatlicher Repression, um brutale Sparmaßnahmen durchzusetzen.
Im Jahr 2010 zwang die Regierung der Sozialistischen Partei Spaniens 2.200 spontan streikende Fluglotsen mit Waffengewalt an die Arbeit zurück. Bewaffnete Soldaten drohten ihnen mit sofortiger Verhaftung, sollten sie die Arbeit verweigern.
In diesem Sommer verpflichtete die spanische PSOE-Podemos-Regierung die Beschäftigten der spanischen Luftfahrt- und Metallindustrie zu einem Mindestdienst, und Ryanair erließ eine Notdienstanforderung, die zahlreiche Beschäftigte daran hinderte, die Arbeit legal niederzulegen. Im Monat zuvor hatte die rechtsextreme Regierung Ungarns Mindestdienstvorschriften erlassen, die die meisten Lehrer daran hinderten, sich an Streiks zu beteiligen.
Im Oktober erließ die Macron-Regierung in Frankreich eine Dienstverpflichtung für streikende Raffineriearbeiter, um sie zur Rückkehr an die Arbeit zu zwingen und einen mächtigen Streik zu brechen, der die Lebensadern der Wirtschaft traf.
Während die Tory-Regierung den Boden für eine staatliche Offensive gegen die britische Arbeiterklasse bereitet, baut sie auf die Gewerkschaftsbürokratie. Sie verlässt sich darauf, dass diese ihre Bemühungen zur Kontrolle und Unterdrückung der Forderung nach breiteren Streiks verstärken wird.
Monatelang haben die Gewerkschaftsführer alles in ihrer Macht Stehende getan, um Streiks von Bahn-, Post-, Telekom- und Universitätsbeschäftigten zu isolieren und einzudämmen. Sie verhinderten, dass die Arbeiter sich zu einem Generalstreik zusammenschlossen. Letzte Woche einigte sich die Bürokratie der Communication Workers Union mit der British Telecom auf einen deutlich unter der Inflation liegenden Lohnabschluss für 40.000 Beschäftigte und beendete einen der vier laufenden nationalen Streiks. Die Regierung und die Gewerkschaften des Eisenbahn-, Bildungs- und Gesundheitswesens befinden sich in ständigem Gespräch, in der Hoffnung, eine ähnlich schlechte Vereinbarung durchsetzen zu können.
Die Androhung von Antistreikgesetzen richtet sich nicht gegen die Bürokratie. Diese soll vielmehr mit Munition versorgt werden, um sie gegen einfache Gewerkschaftsmitglieder einzusetzen. Seit 40 Jahren weigern sich der Gewerkschaftsdachverband Trades Union Congress (TUC) und die ihm angeschlossenen Gewerkschaften, gegen die zahlreichen Anti-Streik-Maßnahmen der aufeinanderfolgenden Tory-Regierungen den Kampf aufzunehmen. So wurde ein Verbot von Solidaritätsstreiks durchgesetzt, das einen Generalstreik illegal macht. Die Gewerkschaften werden auf den Einsatz der Streitkräfte und die Verhängung von Mindestdienst-Befehlen reagieren, indem sie auf die Einhaltung solcher Gesetze bestehen und darauf verzichten werden, einen wirkungsvollen Arbeitskampf zu führen.
Die Arbeiter haben es in der Gewerkschaftsbürokratie mit Gegnern zu tun, die sich der Unterdrückung des Klassenkampfs verschrieben haben. Ohne ihre ständige Sabotage der Streiks hätte sich das Gleichgewicht der Klassenkräfte zwischen der Bourgeoisie und den Dutzenden Millionen Arbeitern bereits so radikal verändert, dass weder die Armee noch irgendwelche repressiven Gesetze ausreichen würden, um das Profitsystem zu retten.
Deshalb besteht die wichtigste Aufgabe der Arbeiter in allen Ländern, die gegen die Offensive des kapitalistischen Staats kämpfen, darin, die Kontrolle über ihre Kämpfe der Gewerkschaftsbürokratie zu entreißen und sie zurück an die Basis zu geben. Die Arbeiter müssen ihre eigenen Kampforganisationen aufbauen, demokratisch gewählte Aktionskomitees, die unabhängig vom erdrückenden Griff der Gewerkschaftsbürokratie handeln.
Um diese Aktionskomitees anzuleiten und zu koordinieren, hat das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) gegründet.
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