Die Linke zwischen Nato-Kriegspolitik und deutschem Militarismus

Der Ukrainekrieg zeigt, wie rechts und militaristisch die Linkspartei ist. Sie befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium der politischen Fäulnis. Führende Mitglieder liefern sich erbitterte Auseinandersetzungen. Ein Auseinanderbrechen scheint nur noch eine Frage der Zeit. Dabei gibt es keine fortschrittliche Seite. Die einen unterstützen bedingungslos den Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland, die anderen lehnen den Krieg im Namen einer von den USA unabhängigen deutschen Großmachtpolitik ab. Dazwischen gibt es alle möglichen Kombinationen und Schattierungen.

Doch niemand in der Linkspartei vertritt eine Antikriegspolitik, die diesen Namen verdient. Das ist auch gar nicht möglich, denn eine solche Politik muss die Arbeiterklasse mobilisieren, die einzige gesellschaftlichen Kraft, die in unversöhnlichem Gegensatz zum Kapitalismus steht, der Ursache von Krieg und Militarismus. Sie muss die Arbeiter aller Länder hinter einem sozialistischen Programm vereinen und – nach Karl Liebknechts Motto: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ – den Kampf gegen die eigene Regierung richten.

Kriegsbefürworter Klaus Lederer und Katina Schubert, Berliner Linke (nach der Bundestagswahl 2021) [Photo by Sandro Halank / wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Eine solche klassenbasierte, internationalistische Perspektive lehnt Die Linke kategorisch ab. Sie und ihre Vorgängerin PDS dienen seit drei Jahrzehnten als Stütze der kapitalistischen Ordnung im wiedervereinigten Deutschland. Sie tragen Verantwortung für den massiven Sozialabbau und die Unterdrückung der Arbeiterklasse in Ländern und Kommunen.

Am vergangenen Wochenende konnte der Streit in der Linkspartei in Berlin auf offener Bühne besichtigt werden. Zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine fanden in der Hauptstadt nicht weniger als 16 Kundgebungen statt, von denen zwei mehrere tausend Teilnehmer anzogen.

Die erste, die am Freitag vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor zog, war eine regierungsamtliche Kriegsdemonstration. Organisiert vom „Zentrum Liberale Moderne“ des Grünen-Politikers Ralf Fücks und von „Vitsche“, einer Organisation ultranationalistischer Exil-Ukrainer, versammelte sie fast die gesamte Führung der Grünen sowie Spitzenvertreter von SPD, CDU und FDP. Die Abschlussrede vor dem blau-gelb erleuchteten Brandenburger Tor hielt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

Der Aufruf zur Kundgebung bezeichnete den russischen Angriff auf die Ukraine als „Vernichtungskrieg“ und stellte ihn damit auf eine Stufe mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Er rief zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine auf („Die Lieferung von Leopard-Panzern ist ein wichtiger Schritt, weitere müssen folgen“) und verlangte „massive finanzielle und technische Hilfe“ sowie die strafrechtliche Verfolgung russischer Kriegsverbrechen.

Die zweite, wesentlich größere Kundgebung, zu der die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer aufgerufen hatten, fand am Samstag vor dem Brandenburger Tor statt. Sie verlangte ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und die Aufnahme von Friedensverhandlungen.

Die Stoßrichtung der Kundgebung war allerdings nicht antimilitaristisch, wie die WSWS an anderer Stelle aufgezeigt hat. Die Initiatoren missbrauchten die Opposition gegen den Nato-Krieg für eine nationalistische und militaristische Agenda. Sie kritisierten zwar die USA, nicht aber die massive Aufrüstung der Bundeswehr.

Sie sprachen für Vertreter der herrschenden Klasse, die das Bündnis mit den USA möglichst rasch beenden und als „europäische Führungsmacht“ ihre geopolitischen Interessen aus eigener Kraft verfolgen wollen. Deshalb wurden der Brigadegeneral a.D. Erich Vad, ein überzeugter Militarist, als Kundgebungsredner, und der rechte CSU-Politiker Peter Gauweiler als Erstunterzeichner eingeladen.

Trotzdem stieß die Wagenknecht-Schwarzer-Kundgebung in den Regierungsparteien und Medien auf hysterische Feindschaft, die auch von Teilen der Linkspartei geteilt wurde. Allein, dass sie es wagten, die Kriegspolitik der Nato in Frage zu stellen – der Aufruf wurde auch change.org mehr als 700.000 Mal unterzeichnet – galt als inakzeptabel.

Die Linkspartei stellte zwar auf der Kriegskundgebung vom Freitag keine eigenen Redner, organisierte aber wenige Stunden zuvor ihre eigenen Protest vor der russischen Botschaft in Berlin. Kultursenator Klaus Lederer sprach sich dort für Waffenlieferungen und gegen eine diplomatische Lösung des Konflikts aus. Er müsse anerkennen, dass die Ukraine heute nicht mehr existieren würde, hätte es nur humanitäre Hilfe gegeben, erklärte er. „Ja, letztlich werden Verhandlungen gebraucht. Aber die Besetzung der Ukraine macht Verhandlungen obsolet,“ so Lederer.

Führende Mitglieder der Linkspartei beteiligten sich lautstark an der Denunziation der Wagenknecht-Demo und griffen sie nicht von links, vom Standpunkt des Antimilitarismus, sondern von rechts, als Verteidiger der Nato, an. Besonders aggressiv tat sich dabei Katina Schubert hervor, die Landesvorsitzende der Berliner Linkspartei, die seit 2016 gemeinsam mit SPD und Grünen die Hauptstadt regiert und nach dem katastrophalen Wahlergebnis vom Februar um die Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition bangt.

Wagenknecht hatte in ihrer Rede Außenministerin Baerbock und die Grünen als „Panzernarren“ bezeichnet und gesagt: „Wir wollen nicht, dass mit deutschen Panzern auf die Urenkel jener russischen Frauen und Männer geschossen wird, deren Urgroßeltern tatsächlich von der Wehrmacht auf bestialische Weise millionenfach ermordet wurden.“ Schubert warf ihr deshalb eine „durchgängige Täter-Opfer-Umkehr“ und eine „unfassbare Relativierung des Faschismus“ vor.

Diese Vorwürfe sind an Zynismus nicht zu überbieten. Die Nato – und Schubert selbst – unterstützen in Kiew ein Regime, das Denkmäler für Nazi-Kollaborateure und Massenmörder errichtet und Straßen nach ihnen benennt; das Parteien und Medien, die die Kriegspolitik der Nato nicht bedingungslos unterstützen, reihenweise verbietet und unterdrückt. Die Kriegsdemonstration von Schuberts Berliner Koalitionspartnern wurde von einem Meer ukrainischer Fahnen und den faschistischen Schlachtrufen Sláva Ukrayíni (Ruhm der Ukraine) und Heróiam sláva (Ruhm den Helden) begleitet.

Schubert und Lederer sind nicht die einzigen führenden Linken-Politiker, die den Nato-Krieg bedingungslos unterstützen. Neben vielen anderen hat sich auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow explizit für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Auch die beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan haben sich bereits im Vorfeld von der Wagenknecht-Kundgebung distanziert und deutlich gemacht, dass auch sie Waffenlieferungen unterstützen.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken fördert in der Ukraine Organisationen wie Sozialnij Ruch, die den Nato-Krieg und den ukrainischen Nationalismus mit pseudolinken Phrasen rechtfertigen und mit zur Berliner Kriegsdemonstration aufgerufen haben.

Unterstützung der Nato-Kriegspolitik auf der einen und „Befreiung Europas von der militärischen Vormundschaft der USA durch eine eigenständige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (die Formulierung stammt von Oskar Lafontaine) auf der anderen Seite – das ist die Bandbreite, in der sich die Politik der Linkspartei bewegt. Sie ist es wert, dass sie zugrunde geht.

Der Kampf gegen die Kriegspolitik der USA und der Nato, die sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China richtet und in eine nukleare Katastrophe zu münden droht, erfordert den Aufbau einer Partei, die in der Tradition des sozialistischen Internationalismus verwurzelt ist – der Sozialistischen Gleichheitspartei und der Vierten Internationale.

Im Gegensatz zu zahlreichen pseudolinken Gruppen, die sich nach dem Zusammenbruch der DDR der PDS und dann der Linkspartei anschlossen, um Karriere zu machen, hat sich die SGP nie Illusionen über den reaktionären Charakter dieser Partei gemacht, die aus der stalinistischen Staatspartei der DDR hervorging und 1990 die Einführung des Kapitalismus unterstützte. Sie verteidigte ein historisch begründetes, sozialistisches Programm.

Die Bedeutung dieser prinzipiellen Arbeit wird nun sichtbar: Das internationale sozialistische Programm des Internationalen Komitees der Vierten Internationale trifft mit einem mächtigen Aufschwung des Klassenkampfs zusammen, während sich die Linkspartei und ihre pseudolinken Anhängsel in zutiefst reaktionäre und militaristische Kräfte verwandelt haben.

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