Am Donnerstag reiste Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach Kiew und erklärte dort, dass „der rechtmäßige Platz der Ukraine in der Nato ist“. Am nächsten Tag verkündete er auf einer Sitzung der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein: „Alle Nato-Bündnispartner haben sich darauf geeinigt, dass die Ukraine Mitglied werden wird.“
Stoltenberg versprach, den „Übergang der Ukraine von der Ausrüstung und den Doktrinen aus der Sowjetzeit zu den Nato-Standards“ zu erreichen und „die vollständige Interoperabilität mit dem Bündnis zu gewährleisten... Die Nato steht Ihnen heute, morgen und so lange wie nötig zur Seite.“
Wenn die Nato öffentlich ihre Absicht bekräftigt, ein Militärbündnis mit der Ukraine – die sich derzeit im Krieg mit Russland befindet – zu bilden, dann bedeutet dies, dass das mächtigste Militärbündnis der Welt sich für die Verwirklichung der Kriegsziele der Ukraine einsetzt, die darin bestehen, russisches Gebiet anzugreifen und zu erobern. Die Aussage, die Nato werde sich „so lange wie nötig“ engagieren, bedeutet dabei in der Sprache der Militärs: Egal, wie viele Menschen dabei getötet werden.
Stoltenberg, ein nicht gewählter Vertreter des Militärs, hat die Nato praktisch dazu verpflichtet, gegen die Atommacht Russland in den Krieg zu ziehen – ohne auch nur daran zu denken, die Öffentlichkeit zu informieren oder zu befragen, die sich mit überwältigender Mehrheit gegen eine weitere Eskalation des Krieges ausspricht.
Diese Erklärungen können nur bedeuten, dass sich die Nato darauf vorbereitet, ihre bisherige faktische Kriegsbeteiligung in eine offene Intervention umzuwandeln, die eine mögliche Entsendung von US- und Nato-Kampftruppen in die Ukraine beinhaltet.
Sie bilden die pseudo-legale Grundlage für den direkten Einsatz von US-Militärkräften gegen Russland.
Stoltenbergs Statements folgen auf die Veröffentlichung von durchgesickerten Pentagon-Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass sich das ukrainische Militär in einer weitaus schlechteren Lage befindet als in den Medienberichten verbreitet wird. Nachdem US-Militärs die „Befreiung der besetzten Gebiete“ der Ukraine versprochen haben, wird nun deutlich, dass diese US-Ziele ohne direkte Beteiligung der Nato nicht erreicht werden können.
Eingedenk der Tatsache, dass die Kriegsziele der angekündigten ukrainischen Gegenoffensive den Einsatz von Luft- und Bodentruppen verlangen, beseitigen Stoltenbergs Erklärungen nun selbst die minimalsten verbalen Beschränkungen für die Intervention des US-Militärs in diesem Krieg.
Dies findet in einer Situation statt, in der die New York Times und Politico über die Verlegung von zehn- oder gar hunderttausenden Soldaten an die Nato-Grenze zu Russland berichten, deren Größe sich mit Finnlands Beitritt zum Bündnis verdoppelt hat.
Stoltenbergs Statement widerlegt eine der zentralen Lügen, mit denen die USA und ihre Verbündeten den Krieg rechtfertigen: Die Behauptung, der Krieg habe nichts mit der Nato-Osterweiterung zu tun.
Im Februar 2022 behauptete Michael McFaul – ehemaliger US-Botschafter in Russland – in einem Aufsatz, dass die Idee, wonach USA und Nato den Nato-Beitritt der Ukraine anstrebten, lediglich eine Erfindung der russischen Regierung sei.
McFaul erklärte, dass „Putins casus belli seine eigene Erfindung ist“ und behauptete, dass „Putin diese Krise um die Nato-Erweiterung erfunden hat, um die ukrainische Demokratie noch direkter zu untergraben“.
Diese Lügen wurden Anfang 2022 von den US-Medien wieder und wieder wiederholt. In einem Artikel mit dem Titel „Nato Won’t Let Ukraine Join Soon – Here’s Why.“ erklärte die Times: „Derzeitige und ehemalige amerikanische und europäische Offizielle sagten, dass Putin die Nato-Frage aufwirft, um das rhetorische Fundament für eine Invasion zu schaffen, auch wenn dies in der Realität kaum eine Grundlage hat.“
Die Bemühungen, die Kampagne der Nato-Osterweiterung zu leugnen und den Krieg als „unprovozierte Invasion“ darzustellen, gingen Hand in Hand mit der Behauptung der USA, die Nato sei nicht an dem Konflikt beteiligt.
Auf einer Pressekonferenz im Mai 2022 erklärte Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Hauses: „Es handelt sich nicht um einen Stellvertreterkrieg... Dies ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Die Nato ist nicht daran beteiligt.“
Stoltenbergs Erklärung hat all diese Lügen vom Tisch gefegt. Sie dienten dazu, die amerikanische Öffentlichkeit zu täuschen, um die Vereinigten Staaten in einen Krieg zur Rückeroberung der Krim zu führen, der seit Jahren vorbereitet wurde.
Stoltenbergs Äußerungen bestätigen die Behauptung des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksij Resnikow, der im Januar dieses Jahres sagte, die Ukraine sei „de facto Mitglied der Nato“:
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
„Es bedeutet, dass die Ukraine als Land und die ukrainischen Streitkräfte oder unser Sicherheits- und Verteidigungssektor de facto Mitglied der Nato geworden sind – nicht de jure –, weil wir die Waffen haben, weil wir das Niveau an Interoperabilität bei unserer Kommunikation mit unseren Partnern haben.“
Der Interviewer entgegnete Resnikow: „Nun, das ist eine kontroverse Aussage. Sie sagen, dass die Ukraine de facto ein Nato-Mitglied ist.“
Darauf erwiderte Resnikow: „Warum kontrovers? Es ist doch wahr. Es ist eine Tatsache.“
Reznikovs Behauptung ist in der Tat eine „Tatsache“ und nur deshalb „kontrovers“, weil die Regierung der Vereinigten Staaten und die Medien über diese „Tatsache“ seit über einem Jahr gelogen haben.
Der Krieg in der Ukraine, der gegenüber der Öffentlichkeit mit einer hohlen Lüge nach der anderen gerechtfertigt wird, eskaliert rasch zu einem globalen Konflikt und könnte zu einem schrankenlosen Krieg zwischen den USA und Russland führen. Ohne Rücksicht auf die Zahl der Toten, ohne Rücksicht auf die sozialen Kosten setzen die Vereinigten Staaten auf die Eskalation dieses Krieges in dem verzweifelten Bemühen, ihre globale Hegemonie zu festigen.
Der sich zuspitzende Konflikt droht zum ersten Krieg zwischen zwei atomar bewaffneten Mächten in der Geschichte zu werden und stellt das Überleben der gesamten Menschheit in Frage.
Dieser Krieg muss gestoppt werden! Am Sonntag, den 30. April, veranstalten das Internationale Komitee der Vierten Internationale, die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees, die International Youth and Students for Social Equality und die World Socialist Web Site eine weltweite Online-Kundgebung zur Feier des 1. Mai 2023.
Die Kundgebung wird für die Einheit der Arbeiterklasse eintreten und den Kampf der Arbeiterklasse gegen Krieg entwickeln. Wir rufen alle Arbeiter und Jugendlichen auf, an der Maikundgebung teilzunehmen und sich dem Kampf gegen Krieg anzuschließen!