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Die Ankündigung einer vorläufigen Vereinbarung zwischen der Teamsters-Gewerkschaft und dem globalen Logistikunternehmen UPS am Dienstag eröffnet eine neue Phase im Kampf der 340.000 UPS-Arbeiter. Monatelang hatten die Teamsters-Bürokraten unter ihrem Vorsitzenden Sean O’Brien versprochen, einen landesweiten Streik auszurufen, wenn nicht bis zum 1. August eine neue Vereinbarung zustande käme. Dass sie jetzt – eine Woche vor Ablauf der Frist und nur Stunden nach der Wiederaufnahme der Gespräche nach einer dreiwöchigen Pause – eine vorläufige Einigung ankündigen, entlarvt ihre Streikrhetorik als massive Lockvogel-Kampagne.
Je lauter der Gewerkschaftsapparat eine Vereinbarung als „historisch“ preist und unzählige unternehmerfreundliche Demokraten den Beschäftigten zu der Einigung „gratulieren“ – vorgestern u.a. Nancy Pelosi, Alexandria Ocasio-Cortez und andere, die letztes Jahr für ein Verbot eines Bahnstreiks gestimmt haben –, desto größer in der Regel das Ausmaß des Ausverkaufs. Sie veröffentlichen immer nur ausgewählte „Highlights“ aus ihren Abkommen, dabei ist das, was sie weglassen, meist mindestens genauso entlarvend wie das, was sie publik machen. Die bekannt gewordenen Details beweisen auf jeden Fall, dass die Vereinbarung ein „historischer“ Ausverkauf ist:
- Die Einstiegslöhne für Teilzeitarbeiter, die zwei Drittel der Belegschaft ausmachen, werden von 15,50 Dollar pro Stunde auf 21 Dollar angehoben und steigen während der fünfjährigen Laufzeit des Vertrags auf 23 Dollar. Aber 15,50 Dollar sind so niedrig, dass UPS bereits gezwungen war, die Löhne im ganzen Land zu erhöhen, um genügend Arbeiter zu gewinnen. Deshalb verdienen viele bereits mehr als 21 Dollar pro Stunde. Bei einem Arbeitstag, der für die meisten nur 3 bis 4 Stunden dauert, bedeutet das weiterhin Armutslöhne für die große Mehrheit der Arbeiter. In dem riesigen modernen Worldport-Frachtzentrum von UPS in Louisville, Kentucky, haben uns Teilzeitarbeiter berichtet, dass sie zu Dritt in einer Wohnung leben und sogar auf Essen verzichten müssen, um über die Runden zu kommen.
- Es ist bezeichnend, dass die „Highlights“ nichts über Renten oder Gesundheitsversorgung sagen. In einem E-Mail-Newsletter der Teamsters an die UPS-Beschäftigten werden nicht näher spezifizierte „erhebliche Erhöhungen“ des Rentenprogramms „IBT-UPS Pension Plan“ genannt, der für die Arbeiter in 22 Bundesstaaten gilt. Aber über die Renten in den anderen 28 Staaten findet sich nichts. Unbestätigten Berichten zufolge, die der WSWS vorliegen, könnten zumindest einige andere Regionen überhaupt keine Erhöhung der Renten und nur minimale Erhöhungen der Gesundheitsversorgung erhalten.
- Laut dem Vertrag werden 7.500 neue Vollzeitstellen geschaffen. Das ist so gut wie nichts für ein Unternehmen mit fast 200.000 Teilzeitarbeitern, von denen einige seit Jahrzehnten auf eine Vollzeitstelle warten.
- Jetzige Voll- und Teilzeitbeschäftigte erhalten während der fünf Jahre Laufzeit des Vertrags eine Lohnerhöhung von 7,50 Dollar pro Stunde. Für UPS-Fahrer, deren Löhne bereits von der Inflation aufgefressen wurden, ist das eine armselige Erhöhung um 15 Prozent bis 2028, was einer enormen Senkung der Reallöhne gleichkommt.
- Es wurde vereinbart, dass alle Neufahrzeuge mit Klimaanlagen ausgestattet werden, aber das bedeutet, dass die Fahrer bis in die 2040er Jahre ohne Klimaanlage auskommen müssen, da UPS seine Lieferwagen 25 Jahre und länger in Betrieb hält.
- Der Vertrag sieht außerdem vor, dass in der Hochsaison weiterhin Uber-ähnliche „Personenwagenfahrer“ eingesetzt werden. Damit nutzen sie die Verzweiflung der Teilzeitarbeiter aus, die dann acht Stunden pro Tag arbeiten müssen. So werden die Löhne für Vollzeitfahrer gedrückt oder ihre Stellen ganz abgeschafft.
Der Kampf der UPS-Arbeiter nimmt jetzt die Form eines offenen Konflikts gegen den Teamsters-Apparat an. Die Arbeiter können es sich nicht leisten, Statisten in einer „Kampagne für einen Tarifvertrag“ zu sein, die von den Bürokraten gesteuert und nur fürs Fernsehen inszeniert wird. Sie müssen sich selbst organisieren, um diesen Ausverkauf zu verhindern und dem Gewerkschaftsapparat die Kontrolle zu entreißen. Das bedeutet den Aufbau des UPS-Aktionskomitees, das Anfang dieses Monats gegründet wurde, als Organisationszentrum des Widerstands in den Betrieben.
Der Kampf bei UPS muss auf den Lehren aus den Erfahrungen der Arbeiter in den letzten Streiks basieren. Die Bürokraten der Teamsters und anderer Gewerkschaften organisieren seit Jahrzehnten einen Ausverkauf in den Unternehmen und haben gleichzeitig die Streikaktivität auf nahezu Null eingedämmt. Es ist höchst aufschlussreich, dass die Teamsters sich vor allem damit brüsten, dass es ihnen „gelungen“ sei, die Nominallöhne der UPS-Beschäftigten auf etwas mehr als den Einstiegslohn von 19 Dollar pro Stunde bei Amazon zu erhöhen, wo es keine Gewerkschaft gibt. Das ist das Ergebnis des jahrzehntelangen Verrats durch die Gewerkschaftsbürokratie, insbesondere seit Mitte der 1970er Jahre, als die „part-timers“ (Teilzeitjobs) eingeführt wurden.
Doch getrieben von den unerträglichen sozialen Bedingungen entwickelt sich in der Arbeiterklasse die größte Rebellion seit Jahrzehnten. Die Gewerkschaftsbürokratie, der Arbeiter mit Hass und Misstrauen begegnen, kann immer weniger die Rolle spielen, den Ausverkauf der Arbeitskämpfe durchzusetzen. Dies zeigt sich beispielsweise an den gleichzeitigen Streiks von Drehbuchautoren und Schauspielern, die zum ersten Mal seit mehr als 60 Jahren in den Ausstand getreten sind.
Die „Strike Ready“-Kampagne der UPS-Gewerkschaft war von Anfang an ein Betrug und diente nur als Mittel, um den Zorn der Belegschaft zu besänftigen, während die Bürokraten hinter den Kulissen daran arbeiteten, einen weiteren Verrat zu begehen. Dabei wurden sie von den Teamsters for a Democratic Union (TDU), Labor Notes, den Democratic Socialists of America (DSA) und anderen pseudolinken Gruppen beraten, die alle seit Jahrzehnten den Mythos verbreiten, die Bürokratie könne sich durch kosmetische Veränderungen an der Spitze selbst reformieren.
Alle diese Gruppen haben Jahre damit verbracht, den jetzigen Teamster-Präsidenten Sean O’Brien als „kämpferischen“ Gewerkschaftsführer zu inszenieren. O’Brien war die berüchtigte rechte Hand des letzten Teamsters-Präsidenten James P. Hoffa und hat eine führende Rolle beim Ausverkauf der UPS-Tarifverhandlungen 2013 gespielt. Damit wurde der Weg für seine Wahl zum Generalpräsidenten im Jahr 2021 geebnet, wenn auch bei der niedrigsten Wahlbeteiligung in der Geschichte direkter Gewerkschaftswahlen (letztes Jahr wurde dieser Negativrekord bei den United Auto Workers übertroffen, wo nur 9 Prozent der Mitglieder wählten). Im Gegenzug haben die TDU, die DSA und andere Bürokraten lukrative Posten als PR-Manager in den obersten Rängen des Apparats erhalten.
In den letzten Wochen vor der Ankündigung der Vereinbarung nahm die TDU sogar ihre „Forderung“ nach einem Einstiegsgehalt von 25 Dollar für Teilzeitarbeiter zurück und teilte ihren Anhängern privat mit, dass der Vorschlag „gestorben“ sei. Das hinderte Sean Orr, Mitglied der DSA und der TDU-Leitung, nicht daran, die von O’Brien angekündigte Einigung zu einem großen Sieg zu erklären und als Ergebnis eines „Führungswechsels in unserer Gewerkschaft vor zwei Jahren“ anzupreisen.
Was sich bei UPS abspielt, ist nicht nur ein Tarifkampf, sondern Teil eines größeren politischen Kampfs. Hinter O’Brien und UPS stehen die Biden-Regierung und die beiden großen kapitalistischen Parteien.
Der eigentliche Urheber der vorläufigen Vereinbarung sitzt nicht im Verhandlungsraum in Washington D.C., sondern etwas weiter weg im Weißen Haus. Biden verbündet sich mit der Gewerkschaftsbürokratie, weil er hofft, auf diesem Weg die wachsende Streikbewegung zu ersticken und Reallohnkürzungen durchzusetzen, um sowohl die Wall Street zu füttern als auch die „Heimatfront“ für den Dritten Weltkrieg gegen Russland und China vorzubereiten.
Diese Strategie hat sich immer wieder bewährt: im letzten Monat an den Häfen, im vergangenen Jahr bei der Bahn und in den Ölraffinerien sowie bei Frachtunternehmen wie Yellow, wo die Teamsters am Wochenende einen Streik in letzter Minute abgesagt haben. Biden, der oberste Streikbrecher, traf sich regelmäßig mit O’Brien, sowohl im Vorfeld des UPS-Ausverkaufs als auch im letzten Jahr, als er sich darauf vorbereitete, einen Streik der Eisenbahner zu verbieten.
Mit fast denselben Methoden wird versucht, einen Streik bei den drei großen Automobilherstellern zu blockieren. Der langjährige UAW-Bürokrat Shawn Fain wurde zum „Reform“-Präsidenten befördert, die pseudolinke Fraktion Unite All Workers for Democracy in Spitzenpositionen integriert und eine enge Zusammenarbeit zwischen Fain und dem Weißen Haus eingefädelt. All das wird hinter radikal klingenden öffentlichen Statements der Gewerkschaft versteckt, die die Arbeiter verwirren sollen.
Welche Schlüsse müssen Arbeiter daraus ziehen?
Zuallererst: Solange die Dinge in den Händen des Gewerkschaftsapparats bleiben, unabhängig davon, wer ihn führt oder was er öffentlich behauptet, ist das einzig mögliche Ergebnis ein Ausverkauf. Wenn sich die Arbeiter jedoch selbst organisieren, alternative Strukturen aufbauen, die sie kontrollieren, und dafür kämpfen, dass die Macht vom Apparat auf die Basis übertragen wird, dann werden sie sich in die Lage versetzen, die Verschwörung von Gewerkschaft, Management und Regierung zu bekämpfen.
Das UPS-Aktionskomitee, das Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees) ist, muss sich an die Spitze der Bewegung gegen die Tarifvereinbarung stellen und dafür kämpfen, dass die Macht vom Apparat an die Basis übergeht.
Die UPS-Arbeiter haben die mächtigsten Verbündeten der Welt: die internationale Arbeiterklasse. Arbeiter in anderen Ländern verfolgen die Situation bei UPS aufmerksam und wollen sich mit ihren Kollegen in den USA zusammenschließen, weil sie wissen, dass dieser Kampf entscheidend ist und sein Ausgang den Klassenkampf insgesamt beeinflussen wird. Über den Schulterschluss mit Arbeitern in anderen Unternehmen und Branchen, die mit einem ähnlichen Verrat konfrontiert sind, werden die UPS-Beschäftigten die Kraft finden, die sie brauchen, um diese vorläufige Vereinbarung zu besiegen.
Vor allem aber wirft der Kampf bei UPS grundlegende Fragen der Klassenherrschaft auf. Die Arbeiter kämpfen nicht nur gegen ein gieriges Unternehmen, sondern gegen ein ganzes Gesellschaftssystem, den Kapitalismus, der nur durch verschärfte Ausbeutung und Weltkrieg weiterbestehen kann. Deshalb müssen Arbeiter den Kampf für den Sozialismus aufnehmen, für die Abschaffung des Profitsystems und den Aufbau einer Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen, nicht die Profitinteressen.
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