VW-Arbeiter in Wolfsburg müssen sich nach den Sommerferien auf heftige Kämpfe gegen einen massiven Arbeitsplatz- und Sozialabbau vorbereiten. Die Konzernleitung plant in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat einen gewaltigen Umbau der Produktion und ein knallhartes Sparprogramm.
Angesichts der rasant fallenden Verkaufszahlen aller Elektroautos, die VW anbietet, und der starken Konkurrenz von Tesla und chinesischen sowie anderen internationalen Autoproduzenten steht der Konzern unter Druck.
Dazu kommt, dass Investoren bei der Umstellung auf Elektromobilität eine Verdreifachung der Rendite von gegenwärtig 3 auf 9 Prozent verlangen, was nur durch eine rigorose Verschärfung der Ausbeutung möglich ist.
In den vergangenen Wochen jagte ein Krisentreffen das nächste. Auf einer Managementinformation (MMI) – einer Videokonferenz, an der sämtliche fast 2200 Führungskräfte teilnahmen – drohte VW-Chef Thomas Schäfer: „Die Zukunft der Marke VW steht auf dem Spiel.“ Die Brandrede des Markenvorstands hatte es in sich. Mit außergewöhnlich drastischen Worten, wie „Das Dach brennt lichterloh“ oder dies sei „der letzte Weckruf“, schwor er die Führungsriege auf einen rücksichtslosen Sparkurs ein.
Das Umfeld, in dem sich Volkswagen befinde, sei nichts Geringeres als ein „perfekter Sturm“. Um die Kernmarke VW mit Hilfe des sogenannten Performance-Programms profitabel zu machen, sei eine komplette Umstrukturierung der Prozesse erforderlich. Die Produktionsabläufe seien „zu kompliziert, zu langsam, zu unflexibel“ und außerdem seien die Kosten an vielen Stellen im Konzern – gemeint waren vor allem die Personalkosten – viel zu hoch.
Bereits im Mai hatte Schäfer ein sogenanntes „Performance-Programm“ angekündigt, mit dem Ziel die Umsatzrendite zu verdoppeln. Danach tagte am 13. Juni der VW-Aufsichtsrat und beschloss ein Umbau- und Sparprogramm, das im Wirtschaftsausschuss vorbereitet worden war und in den Medien als „größter Umbau seit Jahrzehnten“ beschrieben wird. Management, Betriebsrat und IG Metall vereinbarten in enger Zusammenarbeit einen Strategieplan, der eine regelrechte Verschwörung gegen die Beschäftigten ist.
Kurz darauf, am 21. Juni, fand der so genannte „Capital Markets Day“ des Volkswagen Konzerns als luxuriöse Festveranstaltung am Hockenheimring statt. Er diente als „Auftakt eines intensiveren Dialogs mit dem Kapitalmarkt“. Konzernchef Blume und sein Finanzvorstand Arno Antlitz stellten den 200 geladenen Investoren traumhafte Renditen von bis zu 11 Prozent in Aussicht.
In der Presserklärung wurde betont, dass im Zentrum einer „10-Punkte-Strategie“ die Orientierung auf den Kapitalmarkt stehe. Die einzelnen Marken müssten künftig selbst die Verantwortung für ihre Renditeziele übernehmen. Mit anderen Worten: Schwächen der Kernmarke VW werden künftig nicht durch hohe Profite bei Porsche und Audi ausgeglichen. Um dies zu erreichen und insbesondere Profitabilität und Cashflows zu stärken, legt künftig jede Marke ein eigenes Ergebnisprogramm auf.
Während in der fünfseitigen Pressemitteilung durchgängig die „Prinzipien Profitabilität, niedrigere Fixkosten und disziplinierte Investitionstätigkeit“ gepriesen werden, findet sich kein Wort darüber, was dies alles für die Belegschaften und jeden einzelnen Arbeitsplatz mit sich bringen wird.
Alleine bei der Hausmarke VW sollen in den kommenden drei Jahren zehn Milliarden Euro einspart werden, um die Rendite bis 2026 auf 6,5 Prozent zu verdoppeln.
Es gibt nur einen Weg, wie das realisiert werden kann, der in der globalen Autoindustrie permanent Anwendung findet: Senkung der Personalkosten, Reduzierung der Stammbelegschaften, Erhöhung des Arbeitstempos, Rationalisierungen bei Produktionsprozessen- und Plattformen bis hin zu Abteilungs- und ganzen Werksschließungen. Wie viele Arbeitsplätze dabei überflüssig werden, wird von Vorstand, Betriebsrat und IG Metall streng geheim gehalten. Der damalige Chef des Gesamtkonzerns Herbert Diess sprach bereits vor zwei Jahren von 30.000 Arbeitsplätzen.
Auch die über Jahrzehnte erkämpften Löhne und Sozialstandards stehen unter Beschuss. Während die Stammbelegschaften geschrumpft werden, wird gleichzeitig der Einsatz von befristeten, schlecht bezahlten Leiharbeitern zunehmen.
Bei diesem gewaltigen Umbau, bei dem kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, geht es ausschließlich darum, den Autoriesen unter den global stark veränderten Bedingungen zur neuen Profitmaschine umzubauen. Konzernchef Oliver Blume verpasst keine Gelegenheit, den Haupteignern und Investoren, allen voran den milliardenschweren Familienclans Porsche und Piëch, zu versichern, dass „im Konzern ein riesiges Potenzial für eine Steigerung des Unternehmenswerts schlummert“.
Die Arbeitsteilung von Vorstand, IG Metall und Betriebsrat
Der Konzern stützt sich bei diesem Umbau hundertprozentig auf die Mithilfe seiner sehr gut bezahlten IG Metall-Betriebsräte. Alleine im Werk Wolfsburg gibt es 75 freigestellte, vom Unternehmen bezahlte Betriebsräte, von denen 66 der IG Metall angehören. Ihnen arbeiten 2500 Vertrauensleute zu. Außerdem verfügt der Wolfsburger Betriebsrat über einen eigenen 70-köpfigen Verwaltungsapparat.
In keinem anderen deutschen Unternehmen ist die Zusammenarbeit zwischen Management und Gewerkschaft so ausgefeilt wie bei Volkswagen. IG Metall und Betriebsrat sorgen mit einem Heer vollamtlicher Funktionäre dafür, dass die Entscheidungen des Konzerns reibungslos umgesetzt werden und kein Widerstand dagegen aufkommt.
Die VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo und ihre Riege waren von Anfang an in die Umbaupläne einbezogen, haben sie vorbehaltlos unterstützt und schließlich im Aufsichtsrat beschlossen. Sie haben, wie so oft, die Aufgabe übernommen, die Belegschaft über die Konsequenzen zu täuschen und so lange wie möglich im Unklaren zu lassen.
Um den gesamten Gewerkschaftsapparat von Tausenden Betriebsräten, Vertrauensleuten, Jugendvertretern und sonstigen IG Metall-Bürokraten auf den Umbau und befürchteten Widerstand einzuschwören, wurden sie seit Anfang Mai alle zusammengetrommelt.
Am 8. Mai tagte die VW-Vertrauensleutekonferenz unter dem Motto: „Tarifpolitik und Mitbestimmung, entscheidende Säule gelingender Transformation und Beschäftigungssicherung.“ Es nahmen über 1500 geschulte Betriebsfunktionäre der IG Metall teil. Ihre Rolle bei VW, aber auch in allen anderen deutschen Autowerken, ist berüchtigt und verhasst.
Am 14. Juni organisierte der Betriebsrat in Wolfsburg dann eine mit dem Vorstand sorgsam abgestimmte Betriebsversammlung. Es wurde das altbekannte und gut eingeübte Rollenspiel dargeboten. Daniela Cavallo spielte die Uninformierte, die vom Vorstand endlich wissen wolle, was er plane.
Scheinheilig rief sie: „Der Vorstand ist angehalten, die Belegschaft transparent über die geplanten Maßnahmen für mehr Effizienz in der Marke zu informieren. Wie sehen die nächsten konkreten Schritte aus? Was bedeutet das für die Kolleginnen und Kollegen? Und wie kann sich die Belegschaft einbringen? Diese wichtige Erklärungsarbeit erwarte ich von den Mitgliedern des Vorstands.“
VW-Chef Thomas Schäfer hatte leichtes Spiel. Er pries sein „Performance Programm“ wie in einer Werbebotschaft und forderte die Unterstützung von jedem Mitarbeiter.
Am 23. Juni fand schließlich eine Betriebsräteversammlung in Wolfsburg statt, auf der 350 Betriebsratsmitglieder aus dem VW-Konzern zum „Netzwerken“ zusammentrafen. Das jährliche „Gipfeltreffen der Mitbestimmung“ drehte sich offiziell um „Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz im Arbeitsumfeld, vernetzte Mobilität und neue Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie“. Doch eigentlich diente es als Plattform, auf der die VW-Vorstandsmitglieder und weiteren Unternehmensvertreter ihre Agenda vortragen konnten, um den Schulterschluss zwischen Betriebsräten und Vorstand zu stärken.
Dann folgte am 3. Juli ein Treffen des VW-Weltkonzernbetriebsrats. Die IG Metall teilte mit: „Die Spitzen der Arbeitnehmervertretungen aus dem gesamten Volkswagen-Konzern haben sich mehrere Tage lang in Braunschweig versammelt. Ziel des Treffens des Europäischen- und Weltkonzernbetriebsrates (E/WKBR) war der gemeinsame Austausch zu den Perspektiven und Herausforderungen in den internationalen Marken und Gesellschaften.“
Auf dem Treffen arbeiteten Daniela Cavallo (als Präsidentin E/WKBR) und Dariusz Dabrowski (als Generalsekretär E/WKBR) Hand in Hand mit Konzern-Personalvorstand Gunnar Kilian und Karsten Brack (Leiter Konzern Personal International), heißt es in dem Bericht.
Der Umstand, dass sich die gesamte Gewerkschaftsbürokratie von VW so intensiv in kurzer Folge versammelt und Arm in Arm mit dem Vorstand auftritt, zeigt, was kommt. Management, IG Metall, Betriebsrat und Landesregierung wissen, dass sie den kommenden Angriff nicht – wie in der Vergangenheit – abfedern können, und fürchten massiven Widerstand. Deshalb schließen sie die Reihen und bilden eine gemeinsame Front.
Die Belegschaften von Volkswagen stehen angesichts des Umbaus vor enormen Herausforderungen. Die Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten und in allen Ländern kann nur gegen die Pläne des Vorstands und seiner Co-Manager in Betriebsrat und Gewerkschaft angegangen werden. Ein solcher Kampf muss jetzt vorbereitet und unabhängig von der IG Metall und ihrem Betriebsrat organisiert werden. Das erfordert den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees, die den Widerstand organisieren und Kontakt zu Arbeitern in anderen Werken und Ländern aufnehmen.
Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) baut in allen Branchen ein weltweites Netzwerk von Aktionskomitees unter Arbeiterkontrolle auf. Diese Komitees – bei GM, Stellantis, Ford, UPS und andernorts – vernetzen Arbeiter und bieten ihnen die Möglichkeit, Informationen auszutauschen und eine gemeinsame Gegenoffensive vorzubereiten und zu koordinieren. Wir rufen alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, der IWA-RFC beizutreten und noch heute ein Aktionskomitee an ihrem Arbeitsplatz zu bilden.
Wir rufen alle VW-Beschäftigten auf: Meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter +491633378340 oder füllt das Formular aus.
Wir werden im Aktionskomitee darüber diskutieren, wie die Diktatur der IG Metall und ihrer Betriebsräte überwunden werden kann und wie der Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze und aller Sozialstandards geführt werden muss. Wir werden auch über die Kämpfe und Erfahrungen der Autoarbeiter in den USA und anderen Ländern berichten und die internationale Zusammenarbeit entwickeln.