„Mit voller Kraft“: Autoarbeiter drängen auf Streik, Biden unterstützt Gewerkschaft beim Verrat

Stellantis Warren Truck-Arbeiter beim Schichtwechsel

Unter den Automobilarbeitern bei Ford, General Motors und Stellantis wächst die Frustration über die Wirkungslosigkeit der „Stand-up“-Steiks, zu denen der Vorsitzende der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), Shawn Fain, aufgerufen hat. Die UAW hat fast 90 Prozent ihrer Mitglieder bei den Big Three angewiesen, ohne geltenden Tarifvertrag weiterzuarbeiten, und nur zweieinhalb Montagewerke am 15. September zum Streik aufgerufen. In einem zynischen Schachzug hat Fain am vergangenen Freitag den Streik auf die GM- und Stellantis-Teilevertriebszentren ausgeweitet, welche die Händler beliefern und keine Auswirkungen auf die Produktion haben.

In einer eindeutig vorbereiteten Entscheidung lud Fain den US-Präsidenten Biden in seinem Livestream am Freitag ein, sich „den Streikposten anzuschließen“, was Biden am Dienstag in Michigan tat. Bidens Besuch war alles andere als eine „Unterstützungsbekundung“ für die Streikenden. Er zielte in Wirklichkeit darauf ab, sicherzustellen, dass der UAW-Apparat die Situation unter Kontrolle behält. Und die Aktion soll dem Ausverkauf des Arbeitskampfes bei Ford den letzten Schliff geben.

Als Reaktion auf Bidens Behauptungen, der „gewerkschaftsfreundlichste“ Präsident der Geschichte zu sein, sagte ein Jeep-Arbeiter aus Toledo am Sonntag gegenüber der WSWS: „Die 115.000 Eisenbahner, die Biden am Streik gehindert hat, könnten dazu etwas sagen.“

„Bidens Behauptungen, er wolle eine ‚Win-Win‘-Vereinbarung zwischen den Arbeitern und den Big Three fördern, klingen hohl“, meinte er weiter. „Der Besuch am Dienstag ist nur für Biden und Fain ein Gewinn. Fain hat Biden einen Wahlkampfauftritt geboten, um die Stimmen der Arbeiterklasse zu gewinnen, und Fain hat eine Gelegenheit, sich selbst besser zu stellen - im Gegensatz zu den UAW-Mitgliedern, die er angeblich vertritt.

Durch den rein symbolischen ‚Stand-up‘-Streik, seine Verbundenheit mit der Biden-Regierung und sein Versagen, die wahren Wünsche der Basis anzuerkennen, erweist sich Fain als ein Werkzeug der Unternehmen und des UAW-Apparats, genau wie seine Vorgänger.“

Ein befristet Beschäftigter von Stellantis Warren Truck in Michigan sagte: „Biden hat an unseren Streikpostenketten nichts zu suchen. Er ist nur für die Konzerne da.

Dieser ganze ‚Stand-up‘-Streik ist Blödsinn, und es ist rücksichtslos, dass wir Arbeiter Profit für Unternehmen generieren, die uns leicht loswerden können. Es geht um das Wohl des Unternehmens und nicht um das der Menschen, mit denen das Unternehmen seine Gewinne macht. Keiner von uns sollte denen glauben, und wir sollten uns für einen Generalstreik stark machen.“

In einer Erklärung von vergangener Woche riefen die Aktionskomitees der Autoarbeiter zu Dringlichkeitssitzungen in allen Gewerkschaftsbezirken auf, in denen die Beschäftigten über Streikentscheidungen diskutieren und abstimmen sollten.

Ford stoppt den Bau des Batteriewerks in Marshall, Fain verkündet „echte Fortschritte“ in den Vertragsgesprächen

Es wird immer deutlicher, dass die US-Autoarbeitergewerkschaft UAW eine Vereinbarung mit der Ford Motor Company vorbereitet, die voll und ganz den Forderungen des Unternehmens entspricht und massive Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne beinhaltet.

Am Freitag behauptete Fain, es habe „echte Fortschritte“ bei den Vertragsgesprächen mit Ford gegeben, und rief keine weiteren Ford-Werke zum Streik auf. Die Leitmedien und die Wall Street-Analysten werten dies als Hinweis, dass bereits in dieser Woche eine Einigung mit dem Unternehmen verkündet werden könnte.

In Kanada hat die Gewerkschaft Unifor am Wochenende auf eklatant antidemokratische Weise einen Tarifabschluss mit Ford durchgeboxt, indem sie den Inhalt des Vertrags bis zu den Ratifizierungssitzungen am Samstag geheim hielt. Nur einige wenige „Highlights“ des Vertrags waren zuvor bekannt gegeben worden und Arbeiter ohne aktuelle E-Mail-Adressen konnten an der Abstimmung nicht teilnehmen.

Die Behauptung von Fain, die UAW stehe kurz davor, einen „historisch einmaligen“ Vertrag mit Ford abzuschließen, ist einfach nicht glaubwürdig. Die UAW hat nur die Lackier- und Endmontageabteilungen der Ford Michigan Assembly bestreikt, während der größte Teil des Ford-Betriebs und der Geschäfte des Unternehmens in der vergangenen Woche ununterbrochen weiterlief. Durch den Ausstand ging Ford bis letzten Donnerstag die Produktion von etwa 13.000 Fahrzeuge oder nur 47 bis 61 Millionen Dollar verloren, wie eine Schätzung der Deutschen Bank ergab – das entspricht nur 0,03 Prozent des Umsatzes von Ford im Jahr 2022 in Höhe von 158 Milliarden Dollar.

Ford ist weit davon entfernt, den Forderungen der Arbeiter nachzugeben, und plant stattdessen einen Angriff auf Arbeitsplätze und Löhne der Arbeiter. Der UAW-Apparat unterstützt dies.

Am Montag gab Ford bekannt, das Unternehmen unterbreche es die Bauarbeiten an seinem Werk für Elektroautobatterien in Marshall, Michigan. „Wir pausieren die Arbeiten und beschränken die Ausgaben für den Bau des Werks in Marshall mit Wirkung von heute, bis wir sicher sind, dass wir das Werk wettbewerbsfähig betreiben können“, heißt es in einer Erklärung des Konzerns. Und weiter: „Wir haben noch keine endgültige Entscheidung über die dort geplante Investition getroffen.“

UAW-Präsident Fain zeigt sich schockiert und empört über die Ankündigung: „Dies ist eine beschämende, kaum verhohlene Drohung von Ford, Arbeitsplätze abzubauen. Wir fordern lediglich einen gerechten Übergang zur Elektromobilität, und Ford setzt stattdessen seinen Wettlauf nach unten fort.“

In Wirklichkeit ist der UAW-Apparat voll und ganz mit den Angriffen der Konzerne auf die Arbeitsplätze einverstanden. Das Hauptanliegen des Gewerkschaftsapparats ist es, sich mit Unterstützung der Biden-Regierung die Mitgliedsbeiträge der schlecht bezahlten Arbeiter in den Batteriewerken für Elektrofahrzeuge zu sichern.

Ford ist von den drei großen Autoherstellern bei der Umstrukturierung auf die Produktion von Elektrofahrzeugen am weitesten fortgeschritten und hat seinen Betrieb in Abteilungen für Elektrofahrzeuge (Ford Model e), traditionelle Verbrennungsmotoren (Ford Blue) und Nutzfahrzeuge (Ford Pro) umstrukturiert. Wie GM und Stellantis hat auch Ford die Produktion von Elektroautos ausgebaut und verlangt von den Regierungen der Bundesstaaten und des Landes Subventionen in Milliardenhöhe. Gleichzeitig plant das Unternehmen, in diesen Werken eine neue, noch niedrigere Lohngruppe zu schaffen.

„Wir müssen gemeinsam kämpfen“: Ford-Beschäftigte in Chicago rufen zum Generalstreik auf

Ein befristet beschäftigter Vollzeitmitarbeiter des Ford-Werks in Chicago sagt der WSWS nach der Ankündigung: „Ich denke, wenn wir gemeinsam streiken, würde das die Situation wirklich voranbringen. Sie würden sehen, dass wir es sehr ernst meinen, dass wir für die Dinge kämpfen, die wir brauchen. Ich bin erst seit einem Jahr dort. Dies ist ein historischer Streik. Ich würde einem totalen Streik zustimmen und mit aller Kraft für unsere Forderungen kämpfen.“

Am Ford-Montagewerk Chicago

„Heute erhielten wir während der Arbeit die Nachricht, dass sie überhaupt nicht streiken werden. Sie sagten, sie würden sich zusammensetzen, um eine Vereinbarung zu treffen. Ich glaube, sie sie versuchen das so zu arrangieren, damit wir nicht streiken. Sie versuchen, Zeit zu gewinnen. Sie lassen uns arbeiten, während sie sich einen Plan ausdenken.“

Ein anderer Beschäftigter, der seit vier Jahren in dem Betrieb arbeitet, sagt: „Wir müssen einen Generalstreik durchführen. Vorhin habe ich gehört, dass jemand einen Streikposten zugeteilt bekommen hat. Alle rechneten damit, dass wir um 12 Uhr aufbrechen würden.“

Im Hinblick auf die Notwendigkeit, 170.000 Automobilarbeiter der Big Three in den USA und Kanada zu vereinen, meint er: „Wir sind alle eins. Wir müssen gemeinsam kämpfen. Gemeinsam sind wir stärker. Wenn wir zusammen sind, gibt es nichts, was wir nicht überwinden können.“

Er äußert sich auch zu der Kluft zwischen den einfachen Arbeitern in den Betrieben und dem UAW-Apparat und dem Management: „Lasst uns ehrlich sein. Wenn wir in die Betriebe gehen, sind alle Arbeiter, die dort arbeiten, jeden Tag hier. Sie sind am Ende ihrer Kräfte. Sie müssen zum Arzt – ihre Hände tun weh, ihr Rücken tut weh, usw. Ständig kommt es zu Verletzungen in der Produktion. Und wenn man sich dann umschaut und man sieht man diese offiziellen Leute mit Posten und Funktion... Wir stehen am Fließband, wir machen und tun, und wir werden am schlechtesten bezahlt.

Wir zahlen unsere Gewerkschaftsbeiträge; jeder Beschäftigte zahlt jeden Monat Gewerkschaftsbeiträge. Wo geht dieses Geld hin? Das ist so viel Geld. Sie kämpfen nicht für uns. Einige von ihnen verdienen 300.000 oder 400.000 Dollar im Jahr. Als wir eingestellt wurden, sagten sie, dass mit uns alles steht und fällt. Wir sind das Fundament. Warum ist es so schwer, das zu bekommen, was wir wollen? Das macht mich wütend. Und sie lassen uns 500 Autos pro Tag montieren, wir verletzen uns... komm schon!“

Er spricht auch über das Schweigen von Fain und der UAW zum Arbeitskampf der Lear-Beschäftigten, die drei von der UAW ausgehandelte Tarifverträge abgelehnt haben, da sie Hungerlöhne bedeuteten. „Meine Schwester, die bei Lear arbeitet, sagt dasselbe ... Sie fragt: Was ist hier los? Warum reden sie nicht über uns?“

In Reaktion auf die Erklärung des Autoarbeiters Will Lehman, der zu einem Generalstreik aufruft, sagt er: „Das ist genau das, was ich hören will. Wir müssen alle in den Streik treten. Es gibt nichts anderes, was wir tun können. Wenn wir das gemeinsam tun, sind wir mächtig, anstatt gespalten zu sein.

Wir brauchen mehr Lohn, wir brauchen eine bessere Gewinnbeteiligung. Unsere Lebenshaltungskosten steigen jedes Jahr. Es gibt keine Ein-Dollar-Läden mehr. Alles wird immer teurer. Wenn wir darüber nachdenken, werden wir es in fünf bis zehn Jahren mit 20 bis 25 Dollar pro Stunde nicht mehr schaffen. Es ist wirklich schlimm. Der Mindestlohn ... wenn man darüber nachdenkt, verdienen die Leute mit dem Mindestlohn nicht genug.

Die Miete steigt jedes Jahr um 100 Dollar. Kabelfernsehen, Internet, all das wird teurer. Jedes Jahr. Und ich habe hier während der Pandemie gearbeitet.“

In Reaktion auf Fain und die UAW-Strategie der extrem begrenzten Streiks fügt er hinzu: „Wir werden blockiert. Diese Geschäftsführer, Manager, Vorsitzenden und Gewerkschaftsfunktionäre verdienen jedes Jahr sechsstellige Summen. Wir sind diejenigen, die in der Halle stehen und unser Blut, unseren Schweiß und unsere Tränen hineinstecken. Es lastet eine Menge Druck auf uns, die Autos zu bauen. Ich bin der Meinung, dass wir für das, was wir tun, einen Spitzenlohn erhalten sollten - mindestens 40 Dollar pro Stunde.

Genug ist genug! UAW-Mitglieder – wir müssen uns jetzt wehren. Wir müssen alle zusammenkommen. All unsere Dollars werden vergeudet. Sie gehen dorthin, wo sie nicht hingehören. Wenn wir streiken, sollten wir bekommen, was uns zusteht. Wenn es damit anfängt, dass wir die Autos bauen, warum sollten wir dann nicht mehr Geld bekommen? Warum nicht?

Ich bin definitiv bereit für eine Veränderung. Ich bin bereit, Vollgas zu geben.“

Ein dritter Arbeiter, der seit 11 Jahren im Chicagoer Ford-Werk arbeitet, sagt: „Das ist das erste Mal, dass ich so etwas erlebe, aber ich glaube, dass mehr als ein Unternehmen bestreikt werden müsste. Wir müssen mehr Dampf machen, um die Dinge für uns in Gang zu bringen.

Die Reichen wollen immer noch reicher werden. Wir verschulden uns immer weiter. Der CEO des Unternehmens hat in den letzten zehn Jahren fast 200 Millionen Dollar verdient. Das ist Wahnsinn. Das ist nur eine Person in der gesamten Firma. Sie haben genug verdient, um Wohlstand für mehrere, mehrere Generationen zu schaffen. Die Autoarbeiter verschulden sich immer mehr. Wir machen Geld für sie, machen sie reicher.

Ich will ganz offen sein – das ist moderne Sklaverei. Diese Typen, die Bonzen und Milliardäre, beuten uns aus.

Das Unternehmen wurde von unten nach oben aufgebaut, von uns. Wir haben diese Autos gebaut, und wir können sie uns nicht einmal leisten. Ich kann mir nicht einmal den Lincoln Aviator der niedrigsten Qualität leisten. Ich kann mir nicht einmal das Basismodell leisten. Das hat definitiv die Arbeitsmoral verändert. Ich finde, wenn sie von Qualitätseinbußen sprechen wollen, dann sollten sie sich die Qualität unseres Lebens ansehen. Die Qualität der Autos sinkt, wenn die Qualität unseres Lebens sinkt.

Ich glaube, wir brauchen einen Generalstreik, um zu bekommen, was wir brauchen.“

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