Bei Ford Saarlouis geht es mittlerweile zu wie auf einem Sklavenmarkt. Seit Jahren schachern Konzern, Betriebsrat, IG Metall und Landesregierung hinter verschlossenen Türen mit dem Schicksal von 6000 Arbeitern und ihren Familien, als wären sie eine Ware. Erst spielten sie die Belegschaft in Saarlouis gegen ihre Kolleginnen und Kollegen in Valencia aus, dann vertrösteten sie sie auf einen Investor, der so geheim ist, dass man weder seinen Namen noch die Branche wissen darf, in der er tätig ist. Nun ist auch diese Seifenblase geplatzt.
Am Donnerstag teilten Konzern und Betriebsrat mit, dass der geheimnisumwitterte Investor abgesprungen sei. Nach einer „eingehenden Machbarkeits-Prüfung und intensiven Verhandlungen“, an denen auch die saarländische Landesregierung beteiligt gewesen sei, habe der Investor entschieden, die Verhandlungen nicht fortzusetzen, sagte Ford-Deutschland-Chef Martin Sander. „Er hat uns seine Beweggründe nicht mitgeteilt, und das müssen wir respektieren.“
Rund 6000 Arbeitsplätze – 4500 im Ford-Werk selbst und 1500 im angrenzenden Zulieferpark – stehen damit auf der Kippe. Ford will lediglich 1000 davon in einem neu zu schaffenden Technologiepark erhalten, wobei in den Sternen steht, worin sie bestehen, wie hoch sie bezahlt werden und ob es sie überhaupt jemals geben wird.
Der Betriebsrat hat diesem Arbeitsplatzmassaker bereits zugestimmt. „Wir werden jetzt das tun, wofür wir da sind,“ sagte der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal. „Wir werden aushandeln, was die Beschäftigten für den Verlust ihres Arbeitsplatzes erhalten.“
Auch in einem BR-Info, das am Donnerstag noch während der Betriebsversammlung verbreitet wurde, heißt es: „Es geht jetzt um die Bedingungen für den möglichen Verlust der Arbeitsplätze von 2850 Beschäftigten. Jetzt müssen wir uns der möglichen neuen Realität stellen.“
Die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag sollen bereits am kommenden Montag, dem 9. Oktober, beginnen. Dabei geht es nicht um den Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern um die Höhe der Abfindung. „Es geht jetzt also in diesem Schritt darum, die Bedingungen für den möglichen Arbeitsplatzverlust zu verhandeln,“ heißt es dazu im BR-Info.
Der Betriebsrat dröhnt zwar: „Ford ist nach wie vor in der sozialen Verantwortung und wir werden sie in die Pflicht nehmen!“ Es heiße jetzt in erster Linie: „Ford, zur Kasse bitte!“ Der Betriebsrat droht sogar mit „möglichen Warnstreiks“ und einem „unbefristeten, rechtmäßigen Arbeitskampf“ – nicht zur Verteidigung der Arbeitsplätze, wohlgemerkt, sondern für Abfindungen.
Wer das Verhalten des Ford-Betriebsrats und der IG Metall während der vergangenen Jahre verfolgt hat, weiß, was von solchen Drohungen zu halten ist. Sie sind stets bereit, der Belegschaft in den Rücken zu fallen, solange ihre eigenen Privilegien und Spitzengehälter gewahrt bleiben. Betriebsrat und IG Metall tun alles, um einen wirklichen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu verhindern.
Dazu diente auch, dass die Belegschaft im Anschluss an die Betriebsversammlung zwei Tage bezahlt zu Hause bleiben konnte bzw. sollte. Was vom Betriebsrat als Entgegenkommen des Konzerns verklärt wurde, diente in Wahrheit dazu, die wütenden Arbeiter aus dem Werk zu lotsen. Sie sollten keine Möglichkeit bekommen, sich in gemeinsamen Diskussionen gegenseitig zu bestärken und wirkliche Arbeitskampfmaßnahmen zu beschließen. Der Betriebsrat setzte bislang auf Geheimverhandlungen mit dem Konzern und wird das auch weiter tun.
So war der Betriebsrat, ohne dass die Belegschaft davon wusste, eng in die Verhandlungen mit dem mysteriösen Investor eingebunden. Auf dessen „ausdrücklichen Wunsch“ habe Ford die „zukünftigen Arbeitsbedingungen beim Investor“ mit dem Betriebsrat ausgehandelt, heißt es im BR-Info. „In 15 Verhandlungsrunden über den Werkurlaub hinweg hatten wir in den vergangenen Wochen ein gutes Konzept für diese zukünftigen Arbeitsbedingungen ausgehandelt.“ Die Absage des Investors habe den Betriebsrat dann „völlig unvorbereitet und absolut überraschend“ getroffen.
Man kann sich leicht vorstellen, was das bedeutet. Bereits im Bieterwettbewerb mit Valencia hatte der Betriebsrat dem Konzern Lohnkürzungen in Höhe von 18 Prozent und unentgeltliche Mehrarbeit im Umfang von jährlich 20 Tagen in allen deutschen Ford-Werken zugesagt. Nun hat er dem Investor offenbar derart lukrative Ausbeutungsbedingungen angeboten, dass er „absolut überrascht“ war, als dieser trotzdem absagte.
Um wen es sich bei diesem Investor handelt, verheimlichen Konzern und Betriebsrat auch nach dem Platzen des Deals. Es wird aber vermutet, dass es ein großer chinesischer Autokonzern ist. Auch die in Wirtschaftsfragen meist gut informierte F.A.Z. schreibt, nach ihren Informationen handle „es sich um einen der beiden führenden chinesischen Elektroauto-Konzerne BYD oder Chery“.
Das wirft weitere Fragen über das Platzen des Deals auf. Hat die Bundesregierung ihr Veto eingelegt, die im Rahmen der Kriegsvorbereitungen gegen China zunehmend versucht, chinesische Investitionen in Deutschland zu verhindern? Oder hat die Ford-Zentrale in Detroit interveniert, die wenig Interesse hat, ihre chinesischen Konkurrenten auf dem hart umkämpften globalen Markt für E-Autos zu stärken?
Letzteres deutet die Saarbrücker Zeitung an, die enge Verbindungen zur Landesregierung und zur IG Metall pflegt. Der Investor sei „eng mit der Autoindustrie verbunden“ und wolle „möglichst vom Standort Saarlouis aus den deutschen und europäischen Markt erobern“, berichtet sie. Das Problem sei vor allem „das Verhältnis von Ford zu dem neuen Investor“. Es gebe immer noch kein „konkretes Angebot, unter welchen Bedingungen Ford bereit ist, sich an einem Übergang des Ford-Geländes in die Hände des Investors zu beteiligen“. Der Betriebsrat, die IG Metall und Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) seien darüber wütend.
Die Landesregierung hat dem Investor inzwischen ein „attraktives Angebot“ vorgelegt, um ihn doch noch zum Einlenken zu bewegen. Medienberichten zufolge sind Barke und Vertreter von Ford an diesem Wochenende zu weiteren Gesprächen mit dem Investor nach China geflogen.
Das finanzielle Angebot der Landesregierung gehe „weit über unsere Grenzen hinaus“, zitiert die Saarbrücker Zeitung Wirtschaftsminister Barke. Die Rede sei von „einer finanziellen Beteiligung an dem Projekt in einer Größenordnung eines mittleren dreistelligen Millionenbetrages“. Das entspräche etwa einem Zehntel des Jahreshaushalts des hochverschuldeten Saarlands und würde weitere Kürzungen der Sozialausgaben nach sich ziehen.
Auch die Ford-Belegschaft müsste weitere Opfer bringen. Der Aufbau eines neuen Produktionsstandorts durch einen asiatischen Autohersteller verschlinge „riesige Summen von Geld“, schreibt die Saarbrücker Zeitung. Kein Zweifel, dass der Betriebsrat und die IG Metall dies genauso sehen und weitere Zugeständnisse anbieten werden.
Das unabhängige Ford-Aktionskomitee warnt seit langem, dass es keine rote Linie gibt, die der Betriebsrat und die IG Metall nicht überschreiten würden. Diese vertreten nicht die Interessen der Belegschaft, sondern die Profitinteressen des Konzerns und arbeiten dafür eng mit der Konzernspitze und der Regierung zusammen.
Das Aktionskomitee hat den Bieterwettbewerb mit Valencia abgelehnt und ein gemeinsames Vorgehen mit den Kolleginnen und Kollegen in Almussafes vorgeschlagen. Es hat dazu aufgerufen, dem Betriebsrat das Mandat zu entziehen, und darauf bestanden, dass die Arbeitsplätze nicht der Profitgier des Konzerns und seiner Aktionäre geopfert werden dürfen. Es tritt für die bedingungslose Verteidigung jedes Arbeitsplatzes durch Kampfmaßnahmen ein und verlangt die Offenlegung der Identität des Investors und aller geheimen Vereinbarungen, die mit ihm getroffen wurden.
Es kämpft für die internationale Einheit der Arbeiterklasse, um Arbeitsplätze, Löhne und soziale Errungenschaften zu verteidigen. Die gesellschaftlichen Interessen der Arbeiter müssen Vorrang vor den Interessen der Kapitalisten haben.
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