Pistorius fordert totale Militarisierung: „Wir müssen kriegstüchtig werden“

Die Bundesregierung nutzt Israels völkermörderischen Krieg gegen Gaza und die Nato-Kriegsoffensive gegen Russland, um die Militarisierung der Innen- und Außenpolitik aggressiv voranzutreiben. Das unterstreichen die Aussagen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in der jüngsten Ausgabe der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) spricht während einer Pressekonferenz bei der Übung Griffin Storm 2023 auf dem Truppenübungsplatzes in Pabrade in Litauen [AP Photo/Mindaugas Kulbis]

Angesprochen auf die Verschärfung der internationalen Kriege und Krisen und die deutsche Rolle darin, erklärte Pistorius:

Wir brauchen einen Mentalitätswechsel. In der Truppe, da ist er in vollem Gange. Das merke ich zum Beispiel, wenn wir über die Brigade Litauen sprechen. Wir brauchen ihn im Verteidigungsministerium, da haben wir die Weichen gestellt. Wir brauchen ihn aber auch in der gesamten Gesellschaft, und wir brauchen ihn auch in der Politik. Die Bundesregierung hat sich klar bekannt zum Zwei-Prozent-Ziel.

Aber, ganz wichtig, auch der Mentalitätswechsel in der Gesellschaft ist richtig. Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte, und das heißt, wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.

Pistorius’ Aussagen sind eine ernste Warnung. Fast acht Jahrzehnte nach dem Untergang des Dritten Reichs sieht die herrschende Klasse in Deutschland die Zeit für gekommen, wieder offen als Kriegsmacht zu agieren und große Krieg zu führen – mit allen Konsequenzen.

Das letzte Mal als Deutschland „kriegstüchtig“ und „wehrhaft“ war, zerstörte es den ganzen Kontinent und beging mit dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und der Ermordung von sechs Millionen Juden im Holocaust die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Um die „Gesellschaft dafür aufzustellen“, benötigte die herrschende Klasse eine faschistische Diktatur, die jede Opposition brutal unterdrückte.

All die offizielle Propaganda über „Freiheit“ und „Demokratie“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Bourgeoisie wieder an diese Traditionen anknüpft und zu den verbrecherischen Zielen und Methoden der Nazis zurückkehrt: genozidale Kriegspolitik zur Durchsetzung imperialistischer Interessen nach außen und die Errichtung eines autoritären Regimes im Inneren.

Im ZDF stellte sich Pistorius erneut „uneingeschränkt“ hinter das völkermörderische Vorgehen des rechtsextremen Netanjahu-Regimes gegen die Palästinenser, das an die Niederschlagung des jüdischen Aufstands im Warschauer Ghetto 1943 oder des Warschauer Aufstand 1944 durch die Nazis erinnert. Das Flächenbombardement der israelischen Armee hat bereits 8000 Menschen das Leben gekostet und weite Teile des Gazastreifens – darunter tausende Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser, Moscheen und Kirchen – komplett zerstört.

Kaltblütig erklärte Pistorius: „Hier geht es um Selbstverteidigung und das Existenzrecht Israels, und Deutschland gehört hier eindeutig zu denen, die uneingeschränkt ja sagen zu diesem Recht. Deswegen ist es unsere Aufgabe, an der Seite Israels zu stehen und gleichzeitig unseren Einfluss, so weit er da ist und er geltend gemacht werden kann, dafür einzusetzen, dass es keine weitere Eskalation geben wird.“

Der zweite Teil des Satzes ist eine glatte Lüge. Tatsächlich unterstützt Berlin nicht nur den Genozid in Gaza, sondern spielt eine zentrale Rolle beim Kriegsaufmarsch der imperialistischen Mächte gegen den Iran, der die ganze Region in ein tödliches Schlachtfeld zu verwandeln droht. Die USA haben bereits zwei Flugzeugträger, Kampfflugzeuge und Soldaten entsandt. Und Berichten zufolge hat auch die Bundeswehr in den letzten Tagen zusätzliche Kriegsschiffe und mehr als 1000 Soldaten in die Region verlegt.

Die meisten davon wurden zunächst auf Zypern stationiert. Auf der Insel im östlichen Mittelmeer, die nur knapp 400 Kilometer von Gaza entfernt liegt, hat die Bundeswehr einen Planungs- und Führungsstab aufgebaut – offiziell für einen möglichen Evakuierungseinsatz – und Spezialkräfte der Deutschen Marine (KSM) positioniert. Weitere Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) befinden sich in Jordanien. Auf der dortigen Luftwaffenbasis al-Azrak sind im Rahmen des internationalen Anti-IS-Einsatzes („Counter Daesh“) bereits deutsche Soldaten und Tankflugzeuge im Einsatz.

Auch deutsche Kriegsschiffe werden mobilisiert. Laut der deutschen Marine verließ die Fregatte Baden-Württemberg „als erstes Schiff der Klasse 125“ am 20. Oktober Wilhelmshaven, um am UNIFIL-Einsatz vor der libanesischen Küste teilzunehmen. Sie löst die Korvette Oldenburg ab, die ebenfalls in der Region verbleiben soll. Hinzu kommt der Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main. Das mit 174 Metern Länge und einer Besatzung von 159 Mann größte deutsche Kriegsschiff traf Berichten zufolge bereits in der vergangenen Woche am zyprischen Hafen Limassol ein.

Tatsächlich geht es der herrschenden Klasse bei ihrem Militäraufmarsch nicht um die Rettung deutscher Staatsbürger oder gar um „jüdisches Leben“, wie die offizielle Propaganda glauben machen will. Wie in der Ukraine und Russland verfolgt der deutsche Imperialismus auch im Nahen und Mittleren Osten geostrategische und wirtschaftliche Interessen und ist gewillt, diese mit kriegerischen Mitteln durchzusetzen.

Wenn Pistorius die „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands einfordert, träumt er von Kriegen um Rohstoffe und Einflusssphären auf der ganzen Welt. In einem aktuellen Gastbeitrag für die Welt schreibt er:

„Gleichzeitig gibt es für uns allerhand Gründe, unseren Blick zu weiten und uns nicht nur in unserer direkten Nachbarschaft, sondern auch darüber hinaus zu engagieren. Zum Beispiel im Indopazifik – einer Weltregion, die für unsere amerikanischen Freunde ebenso wie für uns angesichts eines immer selbstbewussteren, teilweise die regelbasierte Ordnung infrage stellenden China zu einer wachsenden Herausforderung wird.“

Aus den imperialistischen Motiven macht er keinen Hehl. „Als Handelsnation haben wir ein zentrales Interesse an Stabilität und Sicherheit im Indopazifik. Freie Seewege, Zugänge, Handel und Kooperation in der Region sind für die Weltwirtschaft und damit auch für uns von zentraler Bedeutung.“ Darum müsse Deutschland auch „hier präsenter werden“.

Arbeitern und Jugendlichen muss klar sein, dass sie es sind, die in jeder Hinsicht für den neuen globalen Kriegswahnsinn der herrschenden Klasse zahlen werden. Als Kanonenfutter auf den Schlachtfeldern und in Form massiver Angriffe auf soziale und demokratische Rechte zur Finanzierung und Durchsetzung der Weltkriegspolitik.

In einer weiteren Äußerung beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, die am Montag prominent in den Abendnachrichten gebracht wurde, erklärte Pistorius: „Es muss Einvernehmen darüber bestehen, dass höhere Verteidigungsausgaben notwendig sind und bleiben, damit die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllen kann.“ Und: „Ausbildung und Übung sind wieder auf den Ernstfall ausgerichtet… Und dieser Ernstfall heißt Krieg.“

Pistorius und Co. können so laut nach Krieg schreien, wie sie wollen. An der Tatsache, dass der Antimilitarismus gerade unter Arbeitern in Deutschland nach den Verbrechen der Nazis tief verwurzelt ist, ändert das nichts. Im Gegenteil: Je offener die herrschende Klasse ihre Agenda artikuliert und je stärker alle etablierten Parteien von der Linkspartei bis zur AfD die Reihen hinter Israels Völkermord schließen und jede Opposition dagegen kriminalisieren, desto explosiver entwickelt sich der Widerstand. Die entscheidende Aufgabe besteht darin, ihn auf die Kämpfe der internationalen Arbeiterklasse zu orientieren und mit einem sozialistischen Programm zu bewaffnen.

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