Israel bereitet Bodeninvasion von Rafah vor

Ein israelischer Militärhubschrauber über Chan Yunis im Gazastreifen am 15. Februar 2024 (AP Photo/Mohammed Dahman) [AP Photo/Mohammed Dahman]

Israel bereitet sich weiterhin auf eine Bodenoffensive gegen Rafa an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten und auf einen Krieg mit seinem nördlichen Nachbarn Libanon vor.

Verteidigungsminister Yoav Gallant bezeichnete die Stadt im Süden von Gaza, in der momentan eine Million vertriebene und hungernde Palästinenser leben, als „bedeutende Hochburg der Hamas“ und drohte, die israelische Armee (IDF) würde „sich gründlich auf zukünftige Operationen vorbereiten“.

Außenminister Israel Katz erklärte auf der Münchener Sicherheitskonferenz: „Wir können die Hamas nicht einfach dort lassen. Der Staat Israel wird sich mit Rafah befassen müssen.“ Bei Luftangriffen wurden in der Stadt voller Flüchtlinge bereits Hunderte von Männern, Frauen und Kinder getötet.

Der größte Teil der Bevölkerung von Gaza ist schon jetzt auf weniger als einem Fünftel des ursprünglichen Gebietes zusammengepfercht. Alle wichtigen städtischen Zentren wurden zerstört, so dass die Palästinenser keine Möglichkeit haben, Israels „Evakuierungs“-Anweisungen zu folgen. Wie bekannt wurde, plant Israel die Einrichtung einer Reihe von Zeltstädten in einer noch kleineren Ecke im Südwesten der Enklave, die ans Meer gedrängt liegt.

Auch Ägypten macht Pläne, um eine Massenflucht von tausenden Verzweifelten über die Grenze in die Wüste Sinai zu verhindern. Der Grenzzaun wird verstärkt und um ein abgeriegeltes Gebiet herum werden sieben Meter hohen Mauern errichtet. Mehrere Nachrichtenagenturen berichten von Quellen, die von Plänen für ein mehr als 20 Quadratkilometer großes Lager sprechen.

Dieses verbrecherische Vorhaben ist Teil einer Verschwörung gegen das palästinensische Volk, bei der Israel Ägypten zu versichern versucht, dass die Zwangsumsiedlung von hunderttausenden Menschen auf die eine oder andere Weise streng kontrolliert werden wird. Deshalb erklärte Katz in München vor der Presse, Israel habe nicht die Absicht, die Palästinenser gewaltsam aus Gaza zu deportieren. Man werde sich mit „Ägypten abstimmen“, um sicherzustellen, dass dessen Interessen – d.h. die innere Sicherheit – nicht gefährdet werden.

Die faschistische Regierung Israels hat indessen wiederholt deutlich gemacht, dass sie es vorzieht, die Palästinenser aus den besetzten Gebieten, die sie dauerhaft annektieren will, in die Wüste Sinai zu vertreiben. Wenn sie sich nicht gewaltsam vertreiben lassen, werden diejenigen, die sich weigern, zu Zehntausenden getötet werden.

Katz‘ Vorschläge, „evakuierte“ Palästinenser könnten nach Chan Yunis gehen, verdeutlichen diese mörderischen Absichten. In der Stadt befindet sich das Nasser-Krankenhaus, das größte noch in Betrieb befindliche Krankenhaus in Gaza. In den letzten zwei Tagen sind von dort Videos mit schrecklichen Szenen übermittelt worden. Auf ihnen ist zu sehen, wie Patienten auf Tragen eilig durch Trümmer und staubbedeckte Korridore geschoben werden, während nur wenige Meter entfernt scharf geschossen wird.

Das Krankenhaus wird seit Tagen belagert und wurde am Donnerstagmorgen von israelischen Soldaten überfallen. Neben Patienten sind auch Hunderte von Vertriebenen auf dem Gelände untergebracht.

„Wir sind hilflos“, erklärte der Direktor des Nasser-Krankenhauskomplexes, Dr. Nahed Abu Taima. „Wir können weder den Patienten im Krankenhaus noch den Opfern, die mit jeder Minute neu in das Krankenhaus strömen, in irgendeiner Form medizinische Hilfe zu leisten.“

Er erklärte gegenüber Al Jazeera, das Personal sei „gezwungen gewesen, alle Patienten und Verwundeten in das alte Krankenhausgebäude zu verlegen“. Er fügte hinzu, dass israelische Soldaten Patienten und Zivilisten zusammengetrieben hätten, die im Krankenhaus Schutz gesucht haben.

„Im gesamten Krankenhauskomplex wurde der Strom abgestellt. Viele Patienten auf der Intensivstation und diejenigen, die mit Sauerstoff versorgt werden oder Dialyse brauchen, kämpfen seit 3 Uhr morgens [02:00 GMT] um ihr Leben.“

Hani Mahmoud, der für den Sender berichtet, erklärte: „Im Krankenhaus gibt es keinen Strom, keinen Sauerstoff, keine Nahrung und keine Heizung. Wir erleben, wie eine weitere Gesundheitseinrichtung von den israelischen Truppen zwangsweise stillgelegt wird.“

Mahmoud fügte hinzu: „Das ist eine Fortsetzung der psychologischen Kriegsführung, die den Palästinensern deutlich macht, dass es im gesamten Gazastreifen keinen sicheren Ort gibt.“

Bis Freitagabend wurden fünf Todesfälle gemeldet, die auf mangelnde Sauerstoffzufuhr infolge des Stromausfalls zurückzuführen sind.

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ erklärte: „Nach den Luftangriffen gestern morgen berichteten unsere Mitarbeiter von einer chaotischen Atmosphäre mit einer unbekannten Anzahl von Toten und Verletzten. Das Schicksal eines unserer Kollegen ist seit dem Angriff weiterhin unklar.“

Ein Mitglied des Teams von „Ärzte ohne Grenzen“ wurde an einem Kontrollpunkt des Militärs verhaftet, als die Mitarbeiter aus dem Krankenhaus fliehen mussten. Laut dem Palästinensischen Roten Halbmond (PRCS) wurden vor einer Woche zwölf seiner Mitglieder aus dem Amal-Krankenhaus in Chan Yunis ebenfalls verhaftet und befinden sich noch immer in Gewahrsam.

Die Beschäftigten des PRCS beschrieben, wie am Freitag im Amal-Krankenhaus ein Kaiserschnitt mit „unzureichenden Blutkonserven, ohne Anästhesist (dieser war verhaftet worden) und ohne Arzt für Neugeborene“ durchgeführt wurde.

Weiter nördlich herrschen noch schlimmere Bedingungen. ActionAid berichtete am Freitag, die 300.000 Menschen, die dort noch leben, seien fast völlig von humanitärer Hilfe abgeschnitten. Die Koordinatorin für Interessenvertretung und Kommunikation von ActionAid Palästina, Riham Jafari, erklärte: „Die Menschen sind derart verzweifelt, dass sie Tierfutter zerkleinert und als Mehl benutzt haben, und jetzt müssen sie feststellen, dass sogar dieser klägliche Ersatz zur Neige geht.“

Sie fuhr fort: „So verzweifelt die Lage bereits ist, wird sie noch deutlich schlimmer werden, wenn Israel seine Pläne für eine umfassende Militäroperation in Rafah umsetzt, das das Hauptzentrum für die Verteilung von Hilfslieferungen für den gesamten Gazastreifen ist. Die Hilfsoperationen werden völlig zum Erliegen kommen, so dass Hunderttausende von Menschen von ihrer Rettungsleine abgeschnitten werden.“

„Die Folgen sind unvorstellbar“, erklärte Jafari weiter. „Die Regierungen überall in der Welt müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um einen weiteren Angriff auf Rafah zu verhindern, und auf einen dauerhaften und sofortigen Waffenstillstand dringen.“

Doch statt ihre Soldaten zurückzuhalten, weitet die israelische Regierung ihre Offensive aus und verschärft ihre Aggression gegen die Hisbollah im Libanon. Am Mittwoch wurden bei israelischen Angriffen im Südlibanon mindestens zehn Zivilisten getötet, darunter fünf Kinder. Damit war es der tödlichste Tag für Unbeteiligte seit Beginn der Kampfhandlungen zwischen den beiden Seiten am 8. Oktober.

Der Libanon hat beim UN-Sicherheitsrat Beschwerde eingereicht. Das libanesische Außenministerium verurteilte „Israels vorsätzliche und direkte Bombardierung von Zivilisten in ihren Häusern“ als „Verletzung des internationalen humanitären Völkerrechts und als Kriegsverbrechen“.

Am Freitag führten das israelische Militär größere Übungen in Nordisrael durch, an denen neben Reservisten die 146. und die 210. Division teilnahmen. Die Golani-Brigade hat zudem das „Verfahren zur Erhöhung der Bereitschaft an der nördlichen Grenze“ eingeleitet. Der Befehlshaber des Nordkommandos, Generalmajor Ori Gordin, traf sich mit Vertretern der israelischen Luftwaffe.

In seiner Rede in München erklärte Katz: „Die Welt muss Druck auf den Iran und die Hisbollah ausüben, damit sie sich aus dem Südlibanon zurückzuziehen.“

Angesichts der steigenden Opferzahlen, besonders in Rafah, haben Israels imperialistische Hintermänner begonnen, mehr Betonung auf zynische Forderungen nach Vorsicht und Zurückhaltung zu legen. Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte am Freitag bei einem Treffen mit dem König von Jordanien, eine Bodeninvasion von Rafah „könnte nur zu einer beispiellosen humanitären Katastrophe führen und wäre ein Wendepunkt in diesem Konflikt“.

Zuvor hatten bereits das Vereinigte Königreich, Australien, Kanada und Neuseeland zur Vorsicht gemahnt. Biden erklärte am gleichen Tag: „Ich habe in den letzten Tagen ausführliche Gespräche mit dem israelischen Premierminister geführt, jeweils eine Stunde lang. Und ich habe mich sehr intensiv dafür eingesetzt, dass es einen vorübergehenden Waffenstillstand gibt, um die Geiseln zu befreien.“

„Bis dahin gehe ich davon aus und hoffe ich“, so Biden weiter, „dass die Israelis keine massive Bodeninvasion [gegen Rafah] unternehmen.“

Die Besorgnis dieser blutverschmierten Verbrecher gilt nicht den Palästinensern, sondern der Reaktion der Bevölkerung, die das Massaker in Rafah im Nahen Osten und in den imperialistischen Zentren auslösen wird. Es handelt sich hauptsächlich um einen Versuch, eine zu offene Unterstützung des Massakers zu vermeiden und es den verbündeten arabischen Staaten leichter zu machen, das Gleiche zu tun.

Israels Völkermord in Gaza ist die Speerspitze eines regionalen Kriegs, hinter den die USA ihre arabischen Verbündeten zu mobilisieren hoffen. Das Westjordanland, der Libanon, Syrien, der Irak und der Iran sind alle im Fadenkreuz. Die imperialistischen Mächte würden es wahrscheinlich vorziehen, wenn Israel die Oppositionsbewegung nicht unnötig entfacht, bevor die notwendigen militärischen, geopolitischen und repressiven Vorbereitungen in vollem Umfang getroffen sind. Doch das ist eine rein taktische Erwägung. Niemand will Israel wirklich daran hindern, nach eigenem Gutdünken zu handeln.

Benny Gantz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, gab die Antwort seiner Regierung: „Solange die Geiseln nicht zurück sind, wird es nicht einmal einen eintägigen Waffenstillstand geben. Die Kämpfe werden fortgesetzt, bis unsere Ziele erreicht sind. Sie können sogar während des Ramadan weitergehen. Entweder werden die Geiseln zurückgebracht oder wir werden die Kämpfe auf Rafah ausweiten.“

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